Donnerstag, 12. Juni 2025

Trumps Aufstieg


Es gibt verschiedene Wege zur Macht. Man kann als einfacher Soldaten beginnen, sich hochdienen und ein berühmter Feldherr werden wie Napoleon. Man kann im Geheimdienst den Untergang des politischen Systems überleben, sich einem Emporkömmling des neuen Systems anschließen und am Ende autokratischer Herrscher werden wie Putin. Man kann in einer Partei in jahrzehntelanger Arbeit an die Spitze kommen wie Xi oder Stalin. Man kann selbst einen Parteiapparat und paramilitärische Einheiten aufbauen wie Hitler. In früheren Zeiten hat man die Macht schlicht geerbt, weil der Herr Papa König oder die Frau Mama Königin war.

Bei Trump war es anders. Er war „erfolgreicher“ Geschäftsmann (1990: 3,2, Mrd. $ Schulden), Fernsehstar („The Apprentice“), Wrestling-Sponsor und zunächst an Politik nicht interessiert. Wie hat er in so kurzer Zeit die Republikanische Partei hinter sich gebracht, die ihm jetzt in blindem Gehorsam ergeben ist? Wie konnte er zur Bedrohung der amerikanischen Demokratie werden? Es ist gerade einmal zehn Jahre her, als Donald Trump im Juni 2015 seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Bei den Republikanern, die das konservative, weiße, tiefreligiöse und ländliche Amerika repräsentieren, war der New Yorker Playboy, der sonntags lieber auf den Golfplatz und nicht in die Kirche ging, zunächst ein krasser Außenseiter. Dennoch setzte er sich gegen das Partei-Establishment (u.a. Jeb Bush aus der bekannten Dynastie, Marco Rubio) durch und wurde Kandidat. Den Weg hatte zuvor schon die erzreaktionäre Tea Party geebnet, der allerdings ein charismatischer Demagoge fehlte. Selbst zu diesem Zeitpunkt konnte sich niemand vorstellen, dass er gegen eine intelligente und professionelle Politikerin wie Hillary Clinton eine Chance haben würde. Aber schon damals hat man die Macht von Populismus und Propaganda unterschätzt. Gerade die Anhänger der Republikaner sind mit schlichten Parolen und dem Appell an ihren Patriotismus leicht zu mobilisieren. Nach einem schwarzen Präsidenten eine Frau im Weißen Haus? No way. Und so verlor Trump zwar die Wahl nach der Zahl der abgegebenen Stimmen (er hatte drei Millionen Wähler weniger), hatte aber die Mehrheit der Wahlmänner hinter sich.

Trotz der Skandale in seiner ersten Amtszeit (inkl. Impeachment-Verfahren) stellten ihn die Republikaner insgesamt dreimal hintereinander zur Präsidentschaftswahl auf. Selbst nach der Niederlage 2020 und dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol, die eigentlich das Ende seiner politischen Karriere sein mussten, konnte er 2024 noch einmal in den Wahlkampf ziehen und gewann mit derselben primitiven Masche gegen eine POC-Frau. Die Demokraten hatten den Fehler aller linken Parteien gemacht und waren von einer Klassen- zu einer Identitätspolitik gewechselt. Sie vertraten nicht mehr die Arbeiterklasse und die untere Mittelschicht, sondern Minderheiten. Das kommt uns in Deutschland und in Westeuropa bekannt vor. Nach diesem Muster vollzog sich der Aufstieg der Le Pens, der Höckes und Melonis. Die „hart arbeitenden kleinen Leute“ wechselten in die rechte Hälfte des Parteienspektrums und waren angesichts ihrer Abstiegsängste im Zeitalter der Globalisierung sehr empfänglich für nationalistisches und protektionistisches Gedankengut. „Make America Great Again“. Das klingt auch heute noch für viele amerikanische Wähler besser als Diversität, Gleichberechtigung, Klimaschutz, Homo-Ehe, Gender-Sprache und Entwicklungshilfe. Trumps zweite Amtszeit ist ein in der amerikanischen Geschichte bespielloser Stresstest des politischen Systems. Er greift die Pressefreiheit, die Wissenschaft, die Judikative und die Legislative offen an, kürzt und streicht alles, was nicht in seine nationalpopulistische Agenda passt, und spielt beim Einsatz des Militärs gegen die eigene Bevölkerung mit dem Feuer. Und das alles in den ersten fünf Monaten der laufenden Amtszeit. Falls ihn niemand aufhält, wird er die Welt so nachhaltig verändern wie die anderen Diktatoren, die ich eingangs erwähnte.

  

7 Kommentare:

  1. Ich finds ja immer gut, wenn ein politisches System gestresst wird. Und möglicherweise hat das System mit Donnies widriger Fresse genau das Gesicht gekriegt, das es verdient. Es scheint eine Tendenz zu sein: Kapitalismus mit menschlichem Antlitz hat ausgedient. Dafür haben wir jetzt Kettensägen, Brotbettseife und den Linnemann.

    PS.
    Sonderlich menschlich war das Land der Freien übrigens schon vor Mini-Hitlers legaler Machtergeifung nicht. Wenn's wen interessiert: "Täglicher Faschismus" (Reinhard Lettau, 1971, Carl Hanser Verlag, antiquarisch erhältlich)

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    1. Nach dem Ende des Sozialismus mussten Politiker und Reiche nicht mehr so viel Kreide fressen, aber von der offenen Diktatur und der schamlosen Bereicherung (z.B. Trumps eigene Kryptowährung) sind andere Länder doch noch weit entfernt.

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    2. Die Diktatur der heimischen Bourgeoisie und ihre leicht verschämte Bereicherung, sie leben hoch!

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    3. Es ist mein unverdientes Glück, dass ich zur Bourgeoisie gehöre. In diesem Land möchte ich nicht zur arbeitenden Klasse gehören :o)

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  2. Stichwort "Pendelbewegung".
    Der ganze "Nächstenliebe-Scheiß" der letzten 50 (Nachkriegsjahre) kann jetzt — um jegliches historisches Wissen befreit — von einer atavistischen Multimilliardärsclique abgeräumt werden.
    Der ungebildete Pöbel steht daneben und darf endlich seiner Abneigung gegen alles ihm Fremde frönen (aka wählt die Multimilliardärs-Steigbügelhalter in die Parlamente).
    ein Freund

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    1. Die uralte Allianz von Macht und Geld wechselt im Laufe der Zeit einfach nur die Fassade.

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  3. Und Konradin raunt aus seinem namenlosen Grab "nicht zwingend, nicht zwingend..."

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