Ihr Fachgebiet war Polyethylen.
Sie verband in ihrem Wesen Farblosigkeit mit Phlegmatismus und kam aus der
erweiterten Umgebung, dortzulande auch unter dem Namen Lausitz bekannt. Ich
lernte sie an der Wursttheke kennen.
Ein paar Tage später trafen wir
uns im Park wieder. Wir setzten uns auf eine Bank und ich eröffnete ihr, die
Gründe sind mir bis heute schleierhaft, vermutlich war es Geltungssucht, ich
sei Drehbuchautor. Sie lächelte mich selig an und verriet mir, sie hätte in der
Schultheatergruppe mitgespielt.
„Seit langem habe ich eine gute
Geschichte für einen Film im Kopf“, sagte sie.
„Erzählst du sie mir?“ fragte
ich.
„Ja, damit könnten wir zusammen
erfolgreich sein. Ich spiele die Hauptrolle und du schreibst das Drehbuch.“
„Klingt gut.“
„Ich habe meinen Job so satt. Mein
kleines Apartment. Ich möchte in einer Villa im Grunewald leben. Eine Villa mit
einem großen Garten. Eine Haushälterin und ein Gärtner kümmern sich um alles.
Sie leben im Keller, mit separatem Eingang. Wie im Haus am Eaton Place.“
„Das wäre schön.“
„Wir könnten dort
zusammenwohnen. Für die Dreharbeiten fliegen wir mit unserem Privatflugzeug
nach Hollywood. Dort werden wir zu Partys eingeladen und lernen die ganzen
prominenten Schauspieler und Produzenten kennen. Nach dem Erfolg unseres ersten
Films würden sich neue Projekte ergeben.“
„Natürlich.“
„Ich könnte ohne Sonnenbrille
und Verkleidung gar nicht mehr aus dem Haus gehen. In jedem Restaurant würde
man mich erkennen. Ich bräuchte einen Bodyguard. Eine Limousine mit Chauffeur. Meinen
Schmuck würde ich bei Bulgari kaufen, meine Kleider bei Dior.“
„Ich bin schon ganz gespannt auf
die Geschichte.“
„Ich spiele in dem Film eine
reiche Gräfin. Ich befinde mich auf der Yacht meines Verlobten, einem
kalifornischen Oligarchen, der seine Milliarden mit KI oder Software gemacht
hat. Ein braungebrannter, schlanker und gutaussehender Typ.“
„Sieht er mir ähnlich?“
Sie sah mich verblüfft an und
lachte. „An Bord ist ein blutjunger und wunderschöner Matrose. Er trägt ein
blauweiß geringeltes Shirt und eine Matrosenmütze. Ich verliebe mich in ihn und
im nächsten Hafen, es ist in Monte Carlo, wollen wir gemeinsam durchbrennen. Obwohl
die Liaison nicht standesgerecht ist, bin bereit, in Armut mit meinem Geliebten
zu leben.“
„Wie romantisch.“
„Aber dann sinkt die Yacht in
einem Sturm und nur ich und der Matrose überleben. Wir retten uns auf eine
einsame Insel. Einen Monat später werden wir gerettet. Zuhause erfahre ich,
dass mein reicher Onkel gestorben ist, und wir erben seine Villa und sein
Vermögen.“
„Tolle Story. Schreibt sich wie
von selbst.“
In den nächsten Wochen schrieb
ich am Drehbuch und legte ihr immer wieder neue Szenen vor, die wir gemeinsam
besprachen. Irgendwann würde ich Elvira sagen müssen, dass ich als
Fahrschullehrer in Spandau arbeite.
Als das Drehbuch fertig war,
besuchte ich meinen Freund Alfred, der für ein Filmstudio in Babelsberg
arbeitete. Alfred war in den Achtzigern nach Berlin gekommen, um an einer
Kunsthochschule zu studieren. Er fing an, als Kulissenmaler zu arbeiten, und landete
schließlich in der Buchhaltung, als er durch ein Computerprogramm ersetzt
wurde. Er ernährte sich ausschließlich von Rohkost und verachtete Vegetarier
und Veganer, die ihr Gemüse kochten.
Als ich auf dem Studiogelände
ankam, kam gerade ein Gruppe Komparsen mit bunten Sombreros vorüber. Am
Catering-Wagen stand die Waffen-SS. Alfred saß bei halb heruntergelassenen
Jalousien in seinem kleinen Büro und aß gerade einen Apfel, als ich hereinkam.
„Hallo, Alfred. Hast du einen
Augenblick Zeit?“
„Setz dich. Nimm dir eine
Möhre.“
Ich erzählte ihm von Elvira und
dem Drehbuch. Ich legte ein Exemplar auf seinen Schreibtisch.
„Ich kann es dem Chef geben“,
sagte er, „aber mach dir keine großen Hoffnungen. Reine Liebesgeschichten
werden heutzutage gar nicht mehr gedreht. Und die Sache mit der einsamen Insel
kannst du vergessen. Wie wäre es, wenn sie entführt wird? Aus dem Matrosen
machst du einen syrischen Flüchtling und dann muss deine Hauptfigur noch was
Besonderes haben. Bipolare Störungen sind gerade im Trend.“
Da würde noch viel Arbeit auf
mich zukommen.
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