Sonntag, 2. Juli 2023

Der Russe kommt

 

Harald Kohlrausch war nicht nur enttäuscht, er war wütend. Als leitender Angestellter der Mepp & Kaul Bank (im Volksmund Nepp & Klau genannt) hatte er sich für teuer Geld einen Bunker im Hintertaunus gekauft, aber alle Ausfallstraßen waren inzwischen verstopft. Die „Gruppe Wagner“ stand kurz vor Frankfurt. Für einen Hubschrauber war Kohlrausch zu unbedeutend.

Da klingelte das Telefon. „Karin“, rief er. Wo bist du?“

„Zuhause. Wo sonst? Der Russe ist da.“

„Ich weiß. Hier im Haus ist alles auf der Flucht. Keiner weiß, wohin.“

„Ich bin auch am packen, Harald. Was soll ich mitnehmen?“

Er zupfte sich nervös am Windsorknoten. „Auf jeden Fall den Schmuck. Klamotten nur das Nötigste. Ich gebe dir jetzt mal den Code für den Tresor durch.“

„Was für ein Tresor? Davon hast du mir nie was erzählt.“

„Weil es dich nix angeht. Die Aktien habe ich sowieso schon in die Schweiz transferiert. Also! Es ist ganz einfach. Gib mein Geburtsdatum ein.“

„Woher soll ich das denn wissen?“

„28. September 1961. Der Tresor ist hinter dem Gemälde in meinem Arbeitszimmer.“

„Und wo treffen wir uns?“

„Fahr nach Westen und sieh zu, dass du über den Rhein kommst. Wenn in Russland Invasion war, haben sie die Sache auch immer totlaufen lassen. Weites Land, verstehst du? Napoleon, Hitler, Prigoschin.“

„Aber Deutschland ist klein.“

„Deswegen fährst du am besten bis Portugal. Lass dein Handy an. Ich komme nach.“

„Ist gut, Schatz.“

 

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