Als
ich von der Arbeit nach Hause kam, saß er in meinem Wohnzimmer. Mit einer
kurzen Handbewegung bot er mir einen Platz auf meinem Sofa an. Ich musste ihm
keine Fragen stellen. Diesen Blick, dem man nicht lange standhalten kann, diese
hochnäsige Selbstgerechtigkeit, lernt man nur in langen Jahren im Komitee für
Aufklärung und Information, kurz KAI genannt.
„Sie
arbeiten mit Birkenthal zusammen?“
„Ja,
er sitzt mir direkt gegenüber.“
„Ab
jetzt werden Sie jede Woche einen Bericht schreiben, den Sie an die Firma
Möbel-Paul in der Rosenstraße 12 schicken. Wiederholen Sie meine Angaben!“
Ich
tat es, er nickte und stand auf.
Am
nächsten Montag saß ich mit Birkenthal im Büro. Ich war nervös, sprach über
Fußball und das Wochenende. Unsere Plauderei war nur von kurzer Dauer. Offenbar
hatten wir beide nichts unternommen. Sofa, Fernbedienung. In der Kantine setzte
ich mich in Hörweite. Nichts als Büroklatsch und Belanglosigkeiten.
Als
ich am Samstag meinen ersten Bericht schrieb, fiel mir nichts ein. Er war nur
eine halbe Seite lang. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich den Briefumschlag
in den Briefkasten warf.
Drei
Tage später traf ich meinen Führungsoffizier auf dem Weg zur Bushaltestelle. Er
sei enttäuscht, sagte er. Birkenthal sei ein Arbeitskraftzersetzer, ein
Humanist unter Terrorismusverdacht, ein heimatloser Patriot. Jetzt wusste ich
wenigstens, welche Auskünfte erwünscht waren.
Euphorisch
schrieb ich meinen nächsten Bericht. Es gab so viel zu kritisieren, so viel,
das mich selbst seit Jahren störte. Birkenthal habe über Ausbeutung gesprochen,
über parasitäre Eliten, über die Unerträglichkeit der herrschenden
Verhältnisse. Kurz darauf fand ich einen Gutschein über hundert Euro für
Getränke-Meyer in meinem Briefkasten.
Der
Wodka befeuerte meine proletarische Seele. Nun schrieb ich von bewaffnetem
Kampf, von konspirativen Treffen, zu denen mich Birkenthal eingeladen habe.
Eine Organisation namens „Die Bruderschaft“ sei in dezentralen Gruppen
landesweit aktiv. Tausend Euro mit dem Vermerk „Bankirrtum zu Ihren Gunsten“
landeten auf meinem Konto.
Als
ich über Waffenverstecke und einen konkreten Termin für den Sturz der Regierung
schrieb, glaubte ich in meiner Begeisterung fast selbst daran.
In der
folgenden Woche erschien Birkenthal nicht mehr an seinem Arbeitsplatz. Es hieß,
man habe ihn verhaftet. Mir gegenüber sitzt nun ein Mann namens Kalahari. Ein
Araber. Todsicher ein Islamist. Selbstmordattentäter. Ich werde einen Bericht
über ihn schreiben.
Wisst ihr noch, als Nina Tabai alias Tasha Davis fast ganz Klein-Bloggersdorf in Entzückung versetzte...
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