Montag, 29. Januar 2018

Aus dem Leben eines Wärters

Ich mache kein Geheimnis daraus: Mein Alltag ist an Eintönigkeit nicht zu überbieten. Seit über zwanzig Jahren bin ich nun Zoowärter in Wichtelbach. Anfangs waren wir zu dritt. Aber die Tiere starben nach und nach und mehr als ein Wärter wird im Augenblick einfach nicht benötigt.
Als erstes starb der Löwe. Dann starb das Kamel. Irgendwann waren die Seemöwen verschwunden. Der Elefant schloss sich einem Wanderzirkus an. Jetzt bin ich hier allein mit zwei mongolischen Springmäusen und einer Schildkröte.
Selten kommt einmal eine Schulklasse vorbei. Die Kinder sind sehr enttäuscht, weil man die Springmäuse in dem riesigen Gehege nur selten zu Gesicht bekommt. Manche behaupten sogar, es gäbe gar keine Mäuse mehr. Dann sage ich zu diesen Besuchern: „Seien Sie einmal ganz leise, dann können sie die Mäuse pfeifen hören.“ Aber sie hören es nicht. Ich kann sie sehr gut hören.
Es gibt jetzt eine Debatte im Gemeinderat, ob der Zoo nicht geschlossen werden soll. Überall wird ja heutzutage gespart. Dabei brauchen die Tiere und ich nicht viel. Ich habe mich im alten Elefantenhaus wohnlich eingerichtet. Die Schildkröte frisst die Kräuter und das Gras auf ihrer Wiese und die Mäuse finden in ihrem Gehege auch immer was.
Ich bin ein alter Mann. Wohin soll ich gehen, wenn der Zoo geschlossen wird? Was geschieht mit den Springmäusen und der Schildkröte?
Bob Marley - Could you be loved. https://www.youtube.com/watch?v=Mm7muPjevik

4 Kommentare:

  1. Du erinnerst mich an "Krokodil Gena lebt in einer nicht näher beschriebenen Stadt und ist dort im zoologischen Garten als Krokodil angestellt. Nach der Arbeit zieht er sich an und geht nach Hause. Im Film wird er mit einer roten Jacke, schwarzer Fliege und kleinem Hut dargestellt. Zu Beginn der Handlung ist Krokodil Gena einsam und sucht Freunde (...)"

    In Russland und vielen anderen Staaten ist das Geburtstagsständchen, das er sich selber spielt, zum inoffiziellen Geburtstagslied geworden, viel schöner als das doofe "Happy Birthday to you":

    https://www.youtube.com/watch?v=tAG2cCGbQi0

    AntwortenLöschen
  2. Wichtelbach hat schon immer einen Zoo gehabt. Der darf auf keinen Fall geschlossen werden. Auch wenn er kaum noch Inhalt hat.

    AntwortenLöschen
  3. Hier die Lösung, alter Mann: Konversion der Zoo-Liegenschaften.
    Begründung und erstes Andenken:
    Weil immer häufiger die zu Ordnungsstrafen Verdonnerten die von der Staatsgewalt geforderten Summen nicht mehr aufbringen können, nimmt derzeit der Ersatzstrafvollzug eine rasante Aufwärtsentwicklung.
    Mit der Umwidmung z.B des durch hässlichen Leerstand auffallenden Elefantenhauses in eine Resozialisierungseinrichtung für die ins Kraut schießenden Delinquenten wäre allen geholfen. Der Wärter hätte wieder seinen Lebenssinn zurück, die sorgliche Wartung der Schildkröte und der Mäuse wäre für die Insassen ein willkommener Beitrag zu ihrer moralischen Festigung, und den ewigen Nörglern an den fehlgeleiteten Allokationen von unser aller Steuergeldern hätte sich auch erledigt.

    AntwortenLöschen
  4. Scheiß Zoo.
    Da müssen Luxus-Eigentumswohnungen mit Golfplatz und Ayurvheda-Wellness-Tempel hin.

    Oder eine Autobahnauffahrt, Direktanschluß zum BER, das ginge auch...

    AntwortenLöschen