Montag, 10. November 2025

Die Topographie der Ignoranz


Blogstuff 1227

„Bonetti? Dieser arrivierte Bourgeois mit Villa in St. Tropez? Der gerne den Gesellschaftskritiker spielt und Verständnis für die Sorgen der kleinen Leute heuchelt, während er kubanische Zigarren raucht und Champagner trinkt? Der mit Rheinmetall-Aktien und MAGA-Mützen ein Vermögen verdient hat und den Kindern an Halloween Steine in den Beutel wirft? Der eiskalte Faschist, der vorgibt, ein sensibler Künstler zu sein? Ich mag ihn.“ (Lars Klingbeil)

Viele Superstars werden mit ihrem Ruhm nicht fertig. Das Problem hatte ich nie. Aber jede Lobeshymne in den Medien lähmt mich für einen Tag und ich frage mich, wie ich diesen hohen und immer höher werdenden Ansprüchen des Publikums auch weiterhin gerecht werden kann.

Im Café. Ein Opa bestellt bei der jungen Kellnerin nicht nur eine Tasse Kaffee, sondern erzählt ihr auch in breitem Dialekt, dass er früher Kadetten bei der Marine ausgebildet hat. Ich sehe förmlich das Fragezeichen über ihrem Kopf. Dann packt er eine B.Z. aus und sagt laut „Dann wolln wa ma“. Er sitzt am Nachbartisch und ich fürchte, dass er mich anspricht und mich buchstäblich zu Tode langweilt. Also vertiefe ich mich in meinen Tagesspiegel. Auch gebürtige Berliner können Nervensägen sein.

Ich werde diesen Augenblick nie vergessen. Es war in meinem ersten Jahr bei der Kripo. Der Sanitäter schloss gerade den Leichensack über dem Gesicht eines jungen Mannes, als dessen Handy losging. Die Melodie: „Who wants to live forever“ von Queen.

Sergeant Klepper war verheiratet, hatte aber keinen Sex mehr, seit der Gerichtsvollzieher den Pelzmantel seiner Frau und den Fernseher gepfändet hatte.

Humoristen, egal ob sie sich Comedians oder Kabarettisten nennen, sind auch nur Dienstleister und sollten sich nicht allzu wichtig nehmen. Ihr seid Pointenkellner, dafür werdet ihr bezahlt, also kommt mir nicht mit Bühnenjubiläum und sentimentalen Anwandlungen. Mein Dönermann macht seinen Job jetzt auch schon seit 25 Jahren und macht kein großes Ding draus.

Julia Klöckner hat Deutschland als den Puff Europas bezeichnet. Ist die CDU schon im Wahlkampfmodus – und auf dem Weg zu 15 Prozent? Als ich diese Frau zuletzt im Fernsehen gesehen habe, hatte sie fingerdick weiße Schminke im Gesicht und absurd rote Lippen. Solche Frauen stehen meistens vor dem Hauptbahnhof, man nennt es auch moderne Bauernmalerei.

Aus meinem Tagebuch: „1. Mai 1985. Ich beschließe, meinen revolutionären Pflichten nachzukommen und das System zu infiltrieren. Ich nehme einen Job in einer Chemiefabrik an, die aus geschredderten Küken Glyphosat herstellt. An meinem ersten Arbeitstag bekomme ich einen grauen Kittel und einen Besen ausgehändigt. Der Marsch durch die Institutionen beginnt.“

1 Kommentar:

  1. "Julia Klöckner hat Deutschland als den Puff Europas bezeichnet."
    Die Frau muss es wissen, mit dem Anschaffengehen (u.a. für Nestlé, da gibts sogar ein geiles Video von) kennt sie sich schließlich bestens aus.

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