Donnerstag, 15. Mai 2025

Ich habe einen Traum

 

Blogstuff 1120

Der Parkbankberliner ist ein kommunikatives Wesen, ähnlich wie Menschen im Zugabteil. Eine Frau, etwa in meinem Alter, setzt sich neben mich und nach fünf Minuten weiß ich, dass sie Bürgergeldempfängerin ist, seit 1989 im Kiez lebt, wegen Krebs beide Brüste verloren und ein künstliches Kniegelenk hat, noch nie im Internet war und was das Krallenschneiden für ihren Hund bei den umliegenden Tierärzten kostet. Gefragt habe ich sie nicht, aber es ist trotzdem immer wieder nett, ein wenig zu plaudern, bevor ich mich mit Wein und Feinkost (Cuor di Mandorla, Auberginen- und Knoblauchcreme, Baguette) in meine Zitadelle zurückziehe und in geradezu mönchischer Bescheidenheit meinen Dienst am Leser verrichte.

Was macht eigentlich Holgi? Er spielt im moldawischen Neo-Western „Vierzig E-Autos westwärts“ die Rolle des Oracle Jones, der nach ein paar Slibowitz die Gefahren des Trecks voraussehen kann.

Das erste Gasthaus zum goldenen M habe ich in den späten 70ern betreten. Ich glaube, der weltweite Erfolg der Burger-Kette liegt in der Einfachheit, der Lässigkeit, der Atmosphäre, die sie bis heute von den üblichen Restaurants unterscheidet. Du isst mit bloßen Händen, du kannst in Bermuda-Shorts kommen, es gibt keine Kellner und es gab in den ersten Jahren nur das herrlich ungesunde Zeug, vor dem uns Mutti immer gewarnt hat: fettige Burger, Fritten und Cola – und sogar Bier (damals 1,40 DM für 0,4 l). McD in Mainz war eine Pilgerstätte wie ein schwer angesagter Plattenladen. Jeder gegessene Big Mac war damals ein Statement gegen das Establishment von Kohlroulade und Jägerschnitzel. Heute gibt es überall Burgerläden, die qualitativ einfach sehr viel besser sind. Dagegen kommt der gute alte „Viertel-Pfünder“ (damals für 3,20 DM, die Umbenennung in Royal werde ich dem Unternehmen nie verzeihen #VincentVega) nicht an.

Neu! Der Adidas Moskau. Blutrot mit braunen Streifen. Die Hälfte des Verkaufspreises geht in die Drohnenproduktion.

Ich habe einen Traum, dass die Kinder von SUV-Fahrern und Lastenradfahrern zusammenspielen werden. Ich habe einen Traum, dass ich in einem Land lebe, in dem die Züge pünktlich fahren. Ich habe einen Traum, dass Faxgeräte endlich der Vergangenheit angehören. Ich habe einen Traum, dass eines Tages selbst der Freistaat Sachsen, ein Staat, der in der Hitze der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung schmort, zu einer Oase der Freiheit und Gerechtigkeit wird. Ich habe einen Traum, dass meine Freunde eines Tages nicht nach der Farbe ihrer Fan-Trikots, sondern nach ihrem Durst beurteilt werden. Lass die Glocken der Freizeit läuten.

Ich habe bei Facebook eine Freundschaftsanfrage von Kim Jong-un. Wenn ich sie annehme, habe ich den Verfassungsschutz an der Hacke, wenn ich sie ablehne, sind seine Killer hinter mir her. Vor zwanzig Jahren waren die sozialen Medien noch wesentlich entspannter – und sicherer.



Als Trump seine Staatsbesuche bei den Scheichs gemacht hat, folgte ihm ein McDonald’s-Foodtruck, um den Präsidenten mit seinen bevorzugten Nahrungsmitteln zu versorgen. Wann sagt man uns endlich, dass dieser Mann eine Karikatur ist, und beendet die Reality-Soap? 

11 Kommentare:

  1. Kim Jong-il war ill und starb dann, eine Freundschaftsanfrage ist daher recht unwahrscheinlich.

    Der kleine Raketenmann heißt Kim Jong-un. Er hat eine ähnliche Leibesfülle wie Bonetti, eine ähnliche Vorliebe für gutes Essen und gute Getränke und schnauft ähnlich beim Treppensteigen.

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    1. Danke. Hab's korrigiert. Heute geht ein Praktikant hungrig ins Bett ;o)

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  2. "und in geradezu mönchischer Bescheidenheit meinen Dienst am Leser verrichte."
    ... Amen. Lobet den Herren.

    "Lass die Glocken der Freizeit läuten."
    Amen. ein Freund

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    1. Der neue Papst soll wissen: Die Konkurrenz schläft nicht.

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  3. Heute hast Du Glück mit Deiner mönchischen Bescheidenheit, heute ist fastenfrei.
    Aber morgen ist nur Wein (thanks God) und Öl erlaubt. Fleisch, Fisch, Milchprodukte & Eier sind nicht drin.

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    1. In unserem Mönchsorden gibt es keinen Freitag. Wir nennen diesen Tag Donnerstag II.

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  4. Ende der 70er gab es keinen McDonalds in Solingen, immerhin aber zwei oder drei staubige Anarcho-Pinten, wo man aufpassen musste, mit wem man ins Gespräch kam, den man nicht wenigstens gut vom Sehen kannte. SG, gelegen genau in der Mitte zwischen Köln und Ddorf, war vom Verfassungsschutz nicht eben tief angesiedelt, was linke Molliwerfer und RAF-Bauern etc betraf. Ich erinnere mich an einen tödlich langweiligen Sommersonntagnachmittag, als wir draußen vorm Stonns saßen und Bier tranken, kleine warme Bier, kaum einer hatte Schotter auf der Tasche. Da hielten plötzlich drei Mofafahrer vor uns, hochgemotzte Mokicks wahrscheinlich, ich hab keinen Schimmer von solchen Motordingern, jedenfalls, sie kamen aus Köln und erkundigten sich hochmütig, wo denn hier der örtliche McDonalds zu finden sein.
    "Wir haben schon alles abgeklappert."
    So cool sie auch rüberkamen, sie trugen alle drei dicke Helme, was damals überhaupt nicht cool war. Das waren unumstritten Leute von der harten linken Szene, und wir hatten keinen Burgerladen. Scheiße, haben wir uns geschämt. Die halbe RAF stand vor uns, die dritte Generation, vielleicht auch die vierte, und wir konnten nicht mal einen Cheeseburger anbraten.

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    1. Heute hat Solingen sogar zwei McDonalds, wie ich dem Internet entnehme, und jetzt wäre es cool, keinen zu haben.

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  5. Der erste der beiden hat kürzlich dichtgemacht.

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    1. Wer ist der neue Pächter? Sag jetzt bitte nicht Burger King.

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  6. Kann sein. Im Ernst. Jedenfalls soll es sich dabei beim Neuen um einen Burgerladen handeln. VON NER DRECKIGEN KETTE.

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