Sonntag, 16. Oktober 2016

Harvey Wallbanger

„Sie sind total übermüdet und können trotzdem nicht einschlafen? Sie sind im Stress und fühlen sich ausgebrannt? Sie machen sich ständig Sorgen und finden keinen Ausweg? Dann sage ich Ihnen nur eins: Gehen Sie anderen Leuten mit ihren Problemen nicht auf den Sack!!!“ (Heinz Pralinski: Was ich dir noch sagen wollte)
Jeder von uns kennt ihn. Aber er hat stets einen anderen Namen. Nennen wir ihn heute mal Harvey Wallbanger.
Er ist Hartz IV-Empfänger und lebt in einem runtergerockten Ein-Zimmer-Appartement in Mainz-Mombach. Am Tag raucht er ein Päckchen Zigaretten, trinkt zwei Liter Wein und natürlich kifft er auch.
Harvey ist bekennender Linker – aber nicht so ein lauwarmer Linker wie die Leute, die man in den Talkshows sieht. Die Welt ist voller Ausbeuterschweine und Kriegstreiber. Die Welt geht gerade unter und keiner macht etwas dagegen. Die Leute scheinen es noch nicht mal zu merken.
Aber unser Freund Harvey hat einen Blog und kotzt jeden Tag seinen Hass und seinen Zynismus kübelweise in diese Welt hinaus, die ohnehin dem Untergang geweiht ist. Es hilft nur die Weltrevolution und die wird nicht kommen, weil das System uns alle im Griff hat und das Leben einfach Scheiße ist.
Geld und Konsum, das ist alles, was die Leute in der Birne haben, denkt er, wenn er im Aldi an der Kasse steht. Der Liter Wein kostet 1,79 und damit vergoldet sich doch wieder so eine Bonzensau die Rosette. Und dieser Drecksstaat zockt mich bei der Tabaksteuer ab und finanziert damit den nächsten Angriffskrieg des Yankee-Imperialismus.
An allen vier Ecken müsste man die Welt anzünden, sagt Harvey, wenn er seine Kontoauszüge sieht. Ich habe noch nicht mal genug Geld, um mir ein Brot kaufen zu können. Noch nicht mal Butter habe ich, schluchzt er am Monatsende, wenn die Kohle mal wieder komplett für Suff, Kippen und Dope draufgegangen ist.
Neulich war der Gerichtsvollzieher da, aber er hat in der Bruchbude nichts gefunden, was man pfänden könnte. Drei Monatsmieten ist er im Rückstand und dieser seidenschlipstragende Miethai mit seinem BMW wird ihm wieder einen Brief schreiben, den er ungelesen in den Müll schmeißt. Genau wie die Stasi-Spitzel von der GEZ. Zahlt er nicht. Dann kommen die Mahnungen und irgendwann zahlt er die Scheiße inklusive Mahngebühren doch, obwohl im Fernsehen nur Schwachsinn und Propagandalügen kommen.
Dann ist noch weniger Geld da und der Hass auf die ganze Welt wird noch größer. Weltuntergang, Weltkrieg, Katastrophen, Seuchen, Gewaltphantasien. Aber die Welt geht nicht unter. Harvey geht unter. Seine Freundin hat ihn vor Jahren verlassen. Sein Kind sieht er alle zwei Wochen und er schämt sich, weil er seinem Kind nichts kaufen kann. Verdammte Ausbeuterschweine und Kriegstreiber!
Er hat Sozialklimbim studiert, wie die Immobilienmakler und Investmentbanker es verächtlich nennen, und ist seit zehn Jahren arbeitslos. Harvey hat keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, weil das System gegen ihn ist. Aber wenn ich ehrlich bin: Niemand möchte mit einem Arschloch wie Harvey zusammen arbeiten, ich auch nicht.
Ich habe ihm neulich einen gutgemeinten Rat gegeben. Harvey, habe ich gesagt, fahr zu OBI. Kauf dir einen soliden Strick, geh in den Wald und häng dich einfach auf. Dann hast du das Elend doch wenigstens hinter dir. Aber er hat nur sein bitteres, freudloses Lachen gelacht und geantwortet: Du bist genau wie alle anderen.
Elton John – Rocketman. https://www.youtube.com/watch?v=-LX7WrHCaUA

9 Kommentare:

  1. Call me Harvey, der loser, die Niete. Die Eiterbeule am Arsch der Schönen und Reichen.

    "Ach, ihnen geht es schlecht? - Na, das sind ja mal gute Nachrichten!" sagte der Deutsche-Bank-Aktienbesitzer zu einem der 10.000 entlassenen Lohnsklaven seines Konzerns. "Das wird meinen Profit steigern."

    Pazifismus sind gelebte Fesselspiele.

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    1. Immer eine Handbreit Tiefkühlpizzas unter dem Kiel, wie man in Hamburg zu sagen pflegt.

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  2. UNS geht es JA so undoder zuuu GUT ! *seufz*

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  3. Es könnte sein, dass Sie mit Ihrem Text, lieber Herr Dr. Eberling, einen nicht unbeträchtlichen Teil Ihrer Leserschaft ein wenig verunsichert haben. Das finde ich schön.

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    1. Ich habe mir einfach vorgestellt, was mancher Troll von mir denken mag, der mein Privatleben nicht kennt. Fertig war die Idee für den Text ;o)

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  4. Als Video darunter würde sich noch Owe ganz gut machen.
    In diesen Zeiten ist es manchmal besser, ein Arschloch zu sein.

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    1. Ich bin lieber ein ehrliches Arschloch, als verlogen und nett!

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  5. Geile Rollenprosa eines selbstmitleidigen Wallwankers, der ein projektives Ejakulat der Elite ist.
    Ironie ist, wenn man mit einem Proll zugleich seinen Kritiker totschlägt.

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  6. Eine Freundin von mir steckt in genau dieser Situation, und ich auch, weil ich mir Ihre Argumente und Tiraden ja immer anhören muss.
    Aber Sie hat ja auch recht. Sie hat 2 Berufe gelernt, Gärtner und Apothekenhelfer, jeweils -rin, aber Sie sagt, für die 10,50 € die Stunde möchte Sie nicht arbeiten, das sei unwürdig. Selbst bei 40 Stunden die Woche kann Sie sich so kein Auto leisten u.s.w..
    Sie hat einfach recht.
    Und meine Rede, Arsch hochkriegen, aus der Bude rauskommen, strukturierter Tag, bla bla bla, alles für'n Arsch.
    Und dabei säuft Sie sich auch noch den Kragen ab.
    Auch tragisch. Scheiße.

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