Freitag, 14. Oktober 2016

Frage der Woche

„Über Tagesfragen sind doch verschiedene Meinungen möglich. Warum sind aber alle unsere Zeitungen immer einer Meinung? Haben denn die Redakteure keine eigenen Gesichtspunkte?“
Das ist eine sehr gute Frage. Wenn in allen Zeitungen ohnehin dasselbe steht, wozu haben wir dann noch die vielen Zeitungen? Dann reicht doch eine einzige Zeitung, oder? Es wäre doch auch im Sinne der Ökologie viel sinnvoller, diese Flut von Papiermüll einzugrenzen. Die Leser folgen diesem Gedanken seit einigen Jahren und kaufen immer weniger Zeitungen und Zeitschriften, die Auflagen sinken. Man könnte die Einheitszeitung „Das neue Reich“ nennen. Kernaussage der „Berichterstattung“: Unsere Regierung ist großartig und wir leben im besten Land der Welt.
Das Zitat ist übrigens nicht aktuell, sondern sechzig Jahre alt. Die Frage wurde auf einer Veranstaltung der Bezirksleitung der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), der SED-Jugendorganisation, gestellt, als junge Menschen verdienten Partei-Kadern wie Hans Modrow (damals 28 Jahre alt, FDJ-Bezirkssekretär von Ost-Berlin, später der letzte SED-Regierungschef in der DDR vor der Volkskammerwahl 1990), Hermann Axen (damals zweiter Bezirkssekretär der SED in Ost-Berlin, später Mitglied des Politbüros des ZK der SED, am 8.11.1989 ausgeschlossen und nach Moskau geflohen), Joachim Hermann (damals Chefredakteur des FDJ-Organs „Junge Welt“, später Chefredakteur der SED-Parteizeitung „Neues Deutschland“ und Mitglied des Politbüros des ZK der SED, am 10.11.1989 ausgeschlossen) und anderen offen Fragen stellen durften (Josef Stalin war wenige Wochen zuvor verstorben).
Quelle: Der Spiegel 16/1956. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43061976.html
Ach ja, die Antwort lautete: „Die der SED angehörenden Redakteure mögen auf Grund ihrer Weltanschauung dieselbe Meinung haben. In den Zeitungen der anderen Parteien gibt es aber doch auch andere Meinungen.“
Noch ein Schmankerl aus der Fragerunde:
Frage: „Ist es denn wirklich so schlimm, wenn ein französischer Sänger im Varieté 'Friedrichstadt-Palast' vor dem Wolga -Lied den Witz macht, er singe jetzt etwas aus dem Osten und dazu solle rotes Licht gemacht, werden? Können die Arbeiterbewegungen und die Regierung solche Scherze nicht vertragen?“
Antwort: „Selbstverständlich kann die Arbeiterbewegung solche Scherze vertragen. Die Regierung ist viel lustiger, als man glaubt.“
So was haben wir in der BRD, beispielsweise bei der Bundespressekonferenz, schon lange nicht mehr gehört. Auch wenn die DDR in Wahrheit natürlich genauso unkomisch wie die heutige Bundesrepublik gewesen ist.
P.S.: Sehr lustig ist auch der Bericht zum Lehrlingsmangel in derselben Spiegel-Ausgabe von 1956. „Am meisten klagen die Bäcker, Fleischer, Friseure, Schneider und Schuhmacher“, und an anderer Stelle: „Völlig unbeliebt machten sich die Handwerksmeister, die noch vor einiger Zeit die Verlängerung der Lehrzeit auf vier Jahre forderten, weil die Elementar-Kenntnisse der Volksschüler erheblich nachgelassen haben“. Nichts Neues unter der Sonne.
Dave Pike - Jazz for the Jet Set (1966). https://www.youtube.com/watch?v=jvoSSkp2Njc

3 Kommentare:

  1. Wenn Dave Pike, dann sein supercooles "Spooky" von 1969! Der Bass ist ein Vergnügen.

    https://www.youtube.com/watch?v=mELUGhDRGQo

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  2. Fluchtwagenfahrer14. Oktober 2016 um 07:04

    Moin,
    danke für den Pike, kannte ich nicht, gefällt mir.
    Kontere aber mit einem: the tubes "prime time"
    https://www.youtube.com/watch?v=M-DdxzQd1UM
    schönes Loch im Hemde

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  3. Danke für die Tipps. Als Hintergrundmusik höre ich auch gerne Pikes "Bossa Nova Carnival" oder wie ich es nenne: "Der Fahrstuhl kommt gleich."

    https://www.youtube.com/watch?v=fUSW7n4py7U

    Das ist das ganze Geheimnis von Bonettis lockerer Schreibe. Passt übrigens auch gut zur Untermalung von Seniorenerotik.

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