Dienstag, 4. Oktober 2016

Blogstuff 77 - Kampftag der Arbeiterklasse

„Immer haben die Menschen und insbesondere die sogenannten, von sich selber so genannten gebildeten Menschen eine genaue Vorstellung davon gehabt, wie die zeitgenössische Literatur auszusehen habe, nämlich wie die alte und teilweise gar veraltete Literatur, was sie zu leisten habe, nämlich die möglichst genaue Imitation der alten und veralteten Bücher (…).“(Jürg Amann: Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser)
Dieser Typ, der im Kino immer mit einer Tüte raschelt und laute Kommentare abgibt. „Heul doch!“ bei „Titanic“ oder „Den hätte ja meine Oma noch mit dem Tomahawk getroffen“ während eines Westernfilms. Sie kennen das.
Ich bin inzwischen so dick, ich mache jetzt regelmäßig Rückbildungsgymnastik. Läuft.
„Ritardando im Maserati“ klingt besser als Stau, oder? „Porky’s Torpedo an frittierten Erdäpfelstäbchen mit pikantem Gemüsedressing“ klingt ja auch besser als Bottroper Schlachtplatte.
Die stählernen Gerippe der Strommasten.
Der Bach gluckert mit seiner Kinderstimme über die Steine.
Es gibt einen „Europäischen Ausschuss für Systemrisiken“, der sich allerdings bisher nur mit dem Finanzmarkt beschäftigt. Dabei sind doch an diesem Punkt der Phantasie keine Grenzen gesetzt: einzelne Personen, Unternehmen, das Wetter, Armeen und Terrorgruppen usw.
Es gibt auch einen Unsicherheitsrat. Ach nee, das ist der UN-Sicherheitsrat.
Sehen Sie sich um! Der paternalistische Doppelstern aus Wirtschaft und Politik füttert uns nicht nur, er mästet uns. Wir kämpfen gegen die Pfunde an unserem Körper und den Plunder, der unsere Wohnungen füllt. Haben Mastgänse jemals eine Revolution gemacht? Uns fehlen der Hunger und der Durst nach einer anderen Welt.
Jetzt komme ich langsam in das Alter, wo einen die Kräfte verlassen. Thomas Mann hat ja in seinen späten Jahren jede Erektion akribisch notiert. Vielleicht werde ich auch einmal ein Erektionstagebuch führen?
In eigener Sache: Wir feiern „100 Jahre Postfaktizismus in der Kiezschreiber-Redaktion“. Mit Festplatte (Mettigel & More) und Flaschenbier. Nicht verpassen!
Wir sagen „Nachthemd“, aber nicht „Taghemd“. Wann ist es „höchste“ Zeit? Kann Zeit hoch oder tief sein? Hilft es, „die Zähne zusammenzubeißen“?
Warum nennen wir einen Menschen „Migrant“, der schon seit dreißig Jahren hier lebt? Muss es nicht „Migriert-Habender“ heißen? Oder hoffen die Nutzer des Wortes implizit, dass der Migrant irgendwann wieder weitermigriert?
Neulich wurde in einem Risco Tanner-Groschenroman der Satz gefunden: „Hilfe! Ich arbeite in einer Bonetti-Sklavenschreibermine. Sagen Sie der Polizei Bescheid!“
Wann kommt endlich die selbstprophezeite Erfüllung?
Das erste Werkzeug des Menschen war sicher ein Stock, mit dem er sich den Rücken gekratzt hat, damit er nicht diesen unsympathischen Nachbarn fragen muss.
Der Riese, der sich mit beiden Händen an der Querstange in der U-Bahn festhält. Ich sehe den Doppelschweißmond aufgehen.

Offenbar reicht es den Menschen nicht, als geldgetriebene Egozentriker zu existieren. Sie brauchen immer noch einen Überbau. Früher waren das die Ideologien, heute sind es wieder Nation und Religion. Es ist wie im Fernsehen: lauter Wiederholungen.
Billy Joel – Leningrad. https://www.youtube.com/watch?v=vrWjfik8ZzA

2 Kommentare:

  1. Hast du schon geguckt, ob erektionstagebuch.blogspot.de noch frei ist?

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    1. Ich habe die Idee schon diversen Verlagen angeboten ;o)))

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