Samstag, 9. Dezember 2023

Entfremdung im Endstadium


Ich erwachte, als der Wecker klingelte. Der Wecker? Ich hatte überhaupt keinen Wecker. Im Dämmerlicht sah ich ein Nachttischchen und tastete nach dem Lichtschalter der kleinen Lampe. Es wurde hell und ich konnte endlich diesen schrecklichen Wecker ausschalten. Es war sieben Uhr morgens. So früh war ich noch nie wach gewesen.

Ich schaute mich im Zimmer um. Nichts kam mir bekannt vor. Wo war ich? Dann bewegte sich neben mir etwas und ich bekam einen Schreck. Da lag eine Frau! Sie sah mich an, dann gähnte sie. Ich beschloss, das Zimmer zu verlassen und das Bad zu suchen. Als ich es gefunden hatte, schloss ich die Tür hinter mir und betrachtete mich im Spiegel. Das war mein Gesicht. Kein Zweifel. War es ein Traum? War es ein Fluch?

Ich ging zurück ins Schlafzimmer. Die Frau war verschwunden. Ich zog die Sachen an, die über einem Stuhl und auf einem Bügel am Schrank hingen. Ein dunkler Anzug und ein blauer Schlips. Ich hatte überhaupt keine Anzüge. Aber ich beschloss, das Spiel mitzumachen, bis ich mehr Informationen über die Situation hatte. Also zog ich mich an und ging die Treppe hinunter. Aus einem Raum hörte ich Geräusche.

Es war die Küche. Am Tisch saßen die fremde Frau, die einen Bademantel trug, und zwei kleine Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Auch sie hatte ich noch nie gesehen. Ich trank, gegen meine Gewohnheit, eine Tasse Kaffee und sagte dann, ich müsse los. Im Hausflur lehnte eine Aktentasche an der Wand und auf der Kommode lag ein Autoschlüssel.

Ich verließ das Haus. Die Frau stand in der Tür und winkte mir zu, immer noch im Bademantel. Offenbar war sie nicht berufstätig. Mussten die Kinder in die Schule? Oder gingen sie noch in den Kindergarten? Ich hatte keine Ahnung. Also stieg ich einfach in den Wagen und fuhr los. Die Straßen dieser Stadt hatte ich noch nie gesehen. Wo sollte ich hinfahren? Sollte ich einfach die Stadt verlassen? Hatte ich denn überhaupt Geld?

Ich fuhr rechts ran und untersuchte den Inhalt meines Jacketts und der Aktentasche. In der Brieftasche hatte ich etwa hundert Euro in bar und eine Bankkarte, deren Geheimzahl ich allerdings nicht wusste. Dann fand ich einen kleinen Stapel Visitenkarten. Offenbar hieß ich Edgar Oswaldo, die Stadt hieß Bottrop und ich arbeitete bei einer Versicherung. Ich gab die Adresse in mein Navi ein und fuhr los. Spätestens im Büro musste der ganze Spuk doch auffliegen, oder?

Ich schaltete das Radio ein. Söder war Bundeskanzler. Es regierten die CDU/CSU und die AfD. Alice Weidel war Außenministerin, Höcke Verteidigungsminister. Wir befanden uns im Krieg mit Österreich. Aufgrund der mangelhaften Ausstattung beider Armeen beschränkten sich die Kriegshandlungen jedoch auf gelegentliche Schießereien an der bayrisch-österreichischen Grenze. Der österreichische Kanzler Kickl von der FPÖ bereitete mit dem ungarischen Diktator Orban eine Neuauflage des Habsburgerreichs vor. Es war Januar, fünfzehn Grad im Schatten. Immerhin gab es den Klimawandel noch.



5 Kommentare:

  1. Konstatiere, der Patient Bonetti leidet zunehmend unter kleinbürgerlichen Alpträumen. Die Heilungsaussichten sind gleich null!

    Zur Linderung der Symptome werden der tägliche Genuss von mindestens 3 Flaschen erlesenens Cognacs, und die unverzügliche Aufnahme regelmäßiger Erdbong Besuche dringlichst empfohlen.

    Sobald der Patient mein Honorar überwiesen hat, werde ich seiner in meinem täglichen Dankesgebet gedenken.

    Mit freundlichen Grüßen

    Siggi

    AntwortenLöschen
  2. Allianz CDU/CSU und AfD: Genau das haben die deutschen Wähler vor.
    Neuauflage des Habsburgerreiches: Genau das hat Putin vor.
    Du kannst einfach interessant schreiben, das muss man dir lassen!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke. Schwarz-braune Haselnusskoalition, Habsburgerreich mit russischer Garnison, Trump Präsident von Amerika und Le Pen in Frankreich. Es könnten finstere Zeiten auf uns zukommen.

      Löschen
  3. Die Erzählungen scheinen Dich zu inspirieren! Das freut mich!

    AntwortenLöschen