Sonntag, 18. Oktober 2015

Zen-Übung

Sehen Sie eine Stunde lang aus dem Fenster. Machen Sie nichts anderes. Keine Musik, keine Gespräche. Sie werden es nicht schaffen. Wetten? Wir können Ruhe und Muße nicht mehr ertragen.
In Deutschland klingen Erfahrungsberichte mit Zen so: „Ein Sesshin ist ein längeres Meditationsseminar der Zen-Tradition. Man sitzt 15mal eine halbe Stunde pro Tag in Stille. Im Dokusan (Einzelgespräch) saßen der Leiter und ich einander im Meditationssitz gegenüber. Seine Antwort galt der brennenden Frage der westlichen Kultur: ‚Was bringt es?‘ Wie kann ich von dem Seminar profitieren? Welche Eindrücke, welche ‚Kicks‘ werde ich meinem bisherigen Erfahrungsschatz hinzufügen können?“
15 x 30 Minuten Stille. Ordnung muss sein. Nicht 14 oder 16 Sitzungen. Nein: 15. Und pünktlich nach dreißig Minuten klingelt der Wecker, man springt in sein Auto, weil man ja noch zu REWE muss …
Und natürlich – man hat diese halbseidenen Esoterikdienstleister ja schließlich fürs Maulhalten teuer bezahlt – geht es um den Profit. „Wie kann ich … profitieren?“ Ganz richtig, das ist die „brennende Frage der westlichen Kultur“. Das ist sehr deutsch, das ist auf schmerzhafte Weise sehr neoliberal gedacht. Herzlichen Glückwunsch!
„Dieses Denken ist uns zutiefst fremd. Eine einseitige Wachstumsideologie hält unsere Köpfe und Herzen besetzt“, heißt es später ebenso hellsichtig wie unreflektiert.
„Weggelassen wurde Musik und jeder Medienkonsum. Weggelassen wurde auch unnötiger Schnickschnack bei der Zubereitung des Essens. Biologische Schalenkartoffeln. Frischer Rosmarin. Etwas Butter. Salz.“
„Biologische Schalenkartoffeln“. Kann man sich nicht ausdenken. Gibt es aus US-Genlaboratorien schon welche ohne Schale? Gibt es nicht-biologische Kartoffeln? Die Kartoffel-App? Die Lego-Kartoffel (99 Teile mit Bauanleitung)?
„Die Gier nach immer mehr Gedankenstille verklingt. Man lässt die Gedanken, die Körperwahrnehmungen, die wenigen akustischen Eindrücke kommen und gehen. Es ist wie es ist.“
Das ist Loriot, das ist Polt, das kann man nicht besser machen. Und dann werden Fleißkärtchen gesammelt, indem man Zitate bringt. Noch’n Koan. Copy & Paste. Zen wäre gewesen, diesen Text nicht zu schreiben. Wir wissen es, Roland Rottenfußer von „Hinter den Schlagzeilen – Magazin für Kultur & Rebellion“ muss es noch lernen.
Lassen wir aber den buddhistischen Großmeister zum Abschluss noch einmal selbst zu Wort kommen: „Zu lassen statt zu tun ist schwerer als man denkt. Es gilt nicht nur die Soße zu den Kartoffeln wegzulassen, sondern auch lieb gewonnenen Konzepte über sich selbst. (…) Natürlich ist es für einen chronisch Unerleuchteten wie mich schwierig, solche Seinszustände zu verstehen.“
Der Stein schweigt ergriffen
Ich sollte weniger kiffen
Der Arsch ist aufgegangen
(Shinji Kagawa)

http://hinter-den-schlagzeilen.de/2015/10/13/zen-die-kunst-des-weglassens/
George Harrison - My Sweet Lord. https://www.youtube.com/watch?v=0kNGnIKUdMI

4 Kommentare:

  1. Immer dieser ausländische Kram.
    Deutscher ZEN:
    Anzenger: Kartoffeln schälen, Kirschen entkernen, Knöpfe annähen.
    B1: Rosenkranz beten
    C1: Einen Apfelweinkoan mit inneren Organen lösen. (https://www.youtube.com/watch?v=9nF574VH-dk)

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    1. Mach ein Seminar draus, in Frankfurt gibt's genug Dödel, die dafür zahlen. Du darfst halt mittendrin nicht anfangen zu lachen ...

      A: Welches Geräusch macht das Klatschen mit einer Hand?
      B: Linke Backe oder rechte Backe, Meister?!

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    2. 15 x 30 Min. schafft ein arbeitender Mensch doch gar nicht allein nur tagsüber. Wird dafür nachts der Wecker gestellt?

      Und was die Kartoffeln angeht: Natürlich nur aus Bodenhaltung.

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    3. Ich esse nur glückliche Kartoffeln. In meinem Garten sind sie auf Koks, wenn sie beim Vögeln erschossen werden. Mit einem Tofuschussgerät ...

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