Sonntag, 25. Juni 2017

V 3

Am nächsten Morgen kam ich mit fünfhundert Euro, einem veritablen Kater und einer mehrfach verlorenen Unschuld ins Antiquariat. V lächelte unverschämt, als er mich sah, unterließ aber jede Form von Kommentar.
Er war mit den Geschäften zufrieden, die komplette Fachliteratur, etwa viertausend Bücher, hatte er an einen Händler für die Pauschalsumme von viertausend Euro verkauft. Zusammen mit den Einnahmen vom Vortag waren neunzig Prozent seiner Kosten gedeckt, er konnte Aufsesser das Geld überweisen und es blieben ihm noch 1800 Romane, Anthologien und Lyrikbändchen für den weiteren Verkauf.
Es kehrte wieder Ruhe ein und ich konnte es kaum erwarten, nach Geschäftsschluss mit meinen Bonettis nach Hause zu gehen, um sie in Ruhe zu studieren. „Meer ohne Salz“ und „Wüste ohne Sand“, ohne die das Œuvre des Meisters nicht zu denken wäre. Es handelt sich dabei um fiktive Fortsetzungen von Hans Henny Jahnns „Fluss ohne Ufer“. Angeblich gab es noch „Frikadelle ohne Fleisch“ und „CDU ohne Programm“, aber das waren nur satirische Fake News irgendeines Online-Magazins.
Endlich war es soweit. Ich trug meinen Schatz in mein Arbeitszimmer und machte mir eine große Tasse Irish Coffee mit ganz wenig Kaffee. Dann begann ich, im ersten Band zu blättern. „Meer ohne Salz“. Der Schnitt des Buches hatte die Patina von altem Elfenbein angenommen, aber die Seiten hafteten noch leicht aneinander. Ein Zeichen, das Professor Aufsesser es nicht gelesen hatte. Auf dem Vorblatt stand eine Widmung, die mit dunkelblauer Tinte geschrieben war: „Viel Vergnügen bei der Lektüre, F. S.“.
Genüsslich schlürfte ich die Tasse leer und vertiefte mich in die erste Kurzgeschichte. Es ging um eine Bande von Grabräubern, die in Bad Nauheim ihr Unwesen trieb. Dann blätterte ich nach hinten, wo das Inhaltsverzeichnis war. Da entdeckte ich eine Zahlenfolge, die auf der Innenseite des Einbands stand: 210341365. Sie war mit Bleistift geschrieben.
Was hatte das zu bedeuten? War ich auf ein Geheimnis gestoßen? War es ein Code? Eine Schließfachnummer? Eine Telefonnummer? Ich nahm mein Handy und tippte die Nummer ein. Ich hörte nur eine Bandansage: „Willkommen bei den Mystery Men. Sie versuchen, uns zu kontaktieren? Wir werden Sie finden. Wir werden alles über sie erfahren.“ Dann war ein Wolfsheulen zu hören. Warum hört man eigentlich nie ein Besetztzeichen, wenn man wildfremde Leute anruft?
Es könnte natürlich auch eine Nummer aus dem Bestandsverzeichnis einer Bibliothek sein. Ich tippte auf die Stabi an der Potsdamer Straße. Erstens hatte sie bis 21 Uhr auf und zweitens war ich nach dem Whiskey einfach abenteuerlustig. Ich fuhr also mit dem Bus in die Potsdamer Straße. Es dauerte eine Weile, bis ich das richtige Regal gefunden hatte. Aber es gab keine Nummer 210341365. Die -64 und die -66 standen an ihrem Platz, aber ausgerechnet mein Buch fehlte. Rätselhaft, oder?
Ich wollte schon gehen, als mir einfiel, einen Blick hinter die Bücher zu werfen. Vielleicht war es ja verrutscht? Tatsächlich fand ich einen Zettel mit der Aufschrift „Suche den Elefanten und befrage ihn mit der Hand“. Was sollte das bedeuten? War vielleicht vom Elefantentor am Zoologischen Garten die Rede? Der junge Aufsesser hatte erzählt, dass der Zoo die Leidenschaft seines Vaters gewesen sei.
Ich fuhr zum Zoo und kletterte einen der der steinernen Elefanten empor. Befrage ihn mit der Hand? War eine Botschaft in seinem Maul versteckt? Tatsächlich! Ich fand einen winzigen Lederbeutel. Ich kletterte wieder hinunter. Auf dem Bürgersteig waren einige Menschen stehengeblieben, die mich neugierig beobachteten. Ich spielte den Betrunkenen und torkelte davon.
Zu Hause öffnete ich den Beutel und fand eine zweite Botschaft. „Eiffels Frau hält es in der Faust. Öffne Sie!“ Eiffels Frau? Ich dachte fieberhaft nach. Sollte ich ein Grab öffnen? Oder handelte es sich um ein Bauwerk? Er hatte Türme und Brücken gebaut, aber keine Skulpturen. Ich stöberte ein wenig im Netz. Die Freiheitsstatue in New York. Eiffel hatte die Stahlkonstruktion entworfen, die mit Kupferplatten verkleidet worden war.
Am nächsten Morgen nahm ich das erste Flugzeug vom BER nach New York. Mit dem Taxi fuhr ich zur Südspitze Manhattans und nahm von dort die Fähre nach Liberty Island. An Bord fielen mir zum ersten Mal die beiden Männer in den dunklen Mänteln auf. Einer von ihnen sah aus wie Nicolas Cage in „Das Vermächtnis der Tempelritter“, der andere sah aus wie Nicolas Cage in „Das Vermächtnis des geheimen Buches“.
Ich bestieg die Statue und kletterte auf den Arm, der die Fackel hielt. Es wehte ein kräftiger Wind und es war sehr gefährlich. Tatsächlich war in der Faust eine kleine Nische, in der ich ein Pergament fand. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, blickte ich in die Mündung von vier Revolvern.
„Ich nehme an, Sie sind die Mystery Men“, fragte ich, um Zeit zu gewinnen.
Fortsetzung folgt – im Dezember in einem Kino Ihrer Wahl. Vermutlich wird dieses bleigesättigte Rachefinale mit Nicolas Cage in der Hauptrolle verfilmt. Weitere Orte der Schnitzeljagd: Golden Gate Bridge, Tadsch Mahal, Topkapi-Palast und Bad Nauheim.
Montell Jordan - This Is How We Do It. https://www.youtube.com/watch?v=0hiUuL5uTKc

2 Kommentare:

  1. Der Showdown müsste doch in Berlin sein (Pankow).

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    1. Wir in Hollywood vergeben diese Locations an den Meistbietenden (Steaks & Bier werden als Währung akzeptiert) ;o)))

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