Freitag, 4. Dezember 2015

Ich bin keine Überschrift

„Dick sein ist keine physiologische Eigenschaft – das ist eine Weltanschauung.“ (Kurt Tucholsky)
Kinder, das Leben kann so einfach sein! Es ist der achte November und ich sitze im T-Shirt auf der Terrasse von „Uncle Sam“ in Zehlendorf, um im strahlenden Sonnenschein an meiner Herbstbräune zu arbeiten. Das Bier ist kalt und bleibt es auch lange, da man die Gläser hier klugerweise ins Eisfach stellt (warum machen das eigentlich nicht alle Restaurants?), und ich habe gerade den großartigen „Home Style Burger“ verputzt. Er ist so, wie ein Burger sein sollte. So, wie Burger einmal waren, bevor irgendwelche Hipster mit einem Hochschulabschluss in Kommunikationsdesign anfingen, mit Ananas-Abführmittel-Dip und handgebügeltem Rucola an ihm herumzuexperimentieren. So, wie ich ihn mache, wenn der Dude selbst in Schweppenhausen am Grill steht.
Da nicht viel los ist – ich bin um Punkt zwölf Uhr der erste Gast des Tages -, komme ich mit dem Wirt ins Gespräch. Er hat ein paar Neuigkeiten auf der Karte, darunter den „Corn Dog“. Ich bestelle ihn zum Nachtisch. Ein Würstchen, das in Maisteig getaucht und dann an einem Holzstäbchen frittiert wird. Man isst es wie Eis am Stiel. Köstlich. Habe ich noch nie gegessen. Wir sind uns einig, dass eine amerikanische Institution wie der Corn Dog in Berlin überfällig war. Ich frage mich, wieso ich fast fünfzig Jahre ohne Corn Dogs leben konnte.
Zum Abschluss noch ein Tipp für einen weiteren großartigen Burger. Das Lokal liegt zwar weitab von allen „In“-Vierteln Berlins, ist aber wesentlich zentraler gelegen als das „Uncle Sam“ in der Zehlendorfer Prärie. Die Rede ist von „Les 3 Veuves de Wilmersdorf“. Sehr sympathische junge Menschen in einem winzigen Lokal, die zur Krönung ihrer Burger-Künste das beste Fassbier in ganz Berlin ausschenken: Hofbräuhaus Traunstein. Das malzig schmeckende Glück kann es mit den ganz großen Bieren aufnehmen, deretwegen ich jedes Jahr mehrfach nach Franken fahre.
Flaggschiff der Burgerflotte ist der „Widow Burger“. Vor Jahrtausenden brachten Angehörige einer extraterrestrischen Zivilisation das Rezept auf die Erde, wo es von peruanischen Mönchen gehütet und von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Zweihundert Gramm saftiges Fleisch – wie ein gutes Steak außen cross gebraten, innen rosa - mit Käse, Zwiebeln, Salat und Avocados. Der Burger wird nach seiner Fertigstellung noch einmal komplett in einen Teigmantel gehüllt und frittiert. Womit wir wieder beim Corn Dog wären ... Fechnerstraße 30 in Wilmersdorf. Viel Vergnügen!
http://www.les3veuves.de/
Und diese Story über die Erfindung des Hamburgers und die drei alten Wilmersdorfer Witwen gefällt mir einfach: http://www.les3veuves.de/ueberuns/
P.S.: Aus unerfindlichen Gründen wird in vielen Ranglisten zum Thema "Bester Burger Berlins" ein Laden namens "The Bird“ aus dem Prenzlauer Berg (Filiale in Kreuzberg) auf Nr. 1 gesetzt. Hier jede Menge Gründe, warum das völlig falsch ist:
1. Das pseudo-coole Hipster-Gehabe: Bedienung, Musik, Einrichtung. Braucht niemand.
2. Der Burger ist so hoch gestapelt, dass man ihn nicht in den Mund bekommt. Ich musste das Besteck benutzen!
3. Weil er so unpraktisch gebaut ist, wird er mit einem Holzstöckchen serviert, das den Burger durchbohrt und einfach hässlich ist.
4. Ein Teil der Beilagen (Gurke, Tomate etc.) liegt neben dem Burger. Ist das ein Ikea-Bausatz, oder was?
5. Die selbstgemachten Buns sind scheiße.
6. Die Burger bei „Uncle Sam“ und „Les 3 Veuves“ schmecken viel besser.
P.P.S.: Ursprünglich sollte der Text die Überschrift „Die letzte Kopeke“ bekommen, aber dann habe ich mir gedacht: das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, das ist keine Überschrift, das passt ja gar nicht, das ist einfach nur schwachsinnig. Alles klar? Jetzt habe ich die Sache mit der Überschrift wenigstens erklärt.
The Undertones -Teenage Kicks. https://www.youtube.com/watch?v=wAtUw6lxcis

7 Kommentare:

  1. "Deretwegen..." lässt - des unklaren Bezugs wegen - den Verdacht aufkommen, Traunstein läge nicht im Chiemgau, sondern irgendwo in Franken.
    Ansonsten teile ich deine Hochschätzung fränkischer Privatbrauereien. Wenn ich mit dortigem "Bierradeln" fertig bin, fahre ich ein ganzes Stückl und viele Schlückl südlicher, um im teureren bayerischen Ausland damit weiterzumachen.

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    1. Da hast du Recht. Im Chiemgau habe ich früher des Öfteren Urlaub gemacht, jetzt ist es nur noch Franken. War am letzten Wochenende in Bamberg (Mahr, Fässla) und in Dinkelsbühl ;o)))

      Hast du noch ein paar Tipps für kleine Brauereien? Held-Bräu, Vierzehnheiligen und Kathi hätte ich zu bieten.

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    2. Kuckstu hier beispielweise.

      http://www.bierland-oberfranken.de/deutsch/brauereiwanderungen/alle_anzeigen_0/drei_fluesse_bierradtour_4/details_121.htm

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    3. http://www.beckn-bier.de/index.html

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  2. "Teenage dreams so heart to beat everytime she walks down the street." (R.M.Rilke)

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    1. (hard to beat natürlich, Feargal Rilke würde mich schlagen.)

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    2. „In eine Seele, die frei ist von Gedanken und Empfindungen, kann selbst ein Tiger seine grimmigen Krallen nicht hinein schlagen.“ (Bruce Lee)

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