Dienstag, 29. Dezember 2015

Berliner Asche, Kapitel 5, Szene 5

Zoschke saß am Steuer seines Opel Corsa und musste diesmal niemanden nach dem Weg fragen.
Fröbel saß auf dem Beifahrersitz und schwadronierte, wie er den Russen, „diesen verdammten ausländischen Kommunisten“ seine Knarre unter die Nase halten würde. Mit denen hatte er noch eine Rechnung offen. Außerdem brauchte er dringend Geld. Auf seinem Schoß lag eine Walther P8 aus Bundeswehrbeständen, dafür hatte er seinen Dispo bis zum Anschlag ausgereizt. Es war die Standarddienstwaffe der Bundeswehr, eine Weiterentwicklung der legendären Walther P38 aus dem Zweiten Weltkrieg, wie er stolz berichtete.
Als sie sich dem Solonplatz und dem Hauptquartier der Russenmafia näherten, stand die Straße voller Polizeifahrzeuge und Krankenwagen. Hier hatte es offenbar richtig Ärger gegeben. Das Blaulicht flackerte gespenstisch und ein Mann mit bandagiertem Oberschenkel wurde gerade auf einer Bahre in einen weißen Transporter der Johanniter Unfallhilfe geschoben.
„Gib Gas“, zischte Fröbel seinen Fahrer an.
Nach einer quälenden Minute fragte Zoschke: „Soll ich uns wieder nach Hause fahren?“
„Quatsch. Jetzt holen wir uns die linken Zecken. Wie wäre es mit dem ‚Bandito Rosso’?“ Fröbel grinste breit. Das „Bandito Rosso“ war ein linker Szenetreff in der Lottumstraße im Prenzlauer Berg. Dort hatte die Antifa ihren Stammtisch, auch andere Gruppen trafen sich hier regelmäßig jede Woche.
„Genau. Die Schweine haben mir bei der Demo den rechten Außenspiegel abgetreten. Die fackeln mir noch die Kiste ab, diese Untermenschen. Verdammte Judenschweine!“ Vielleicht war der „Deutschland, erwache!“-Aufkleber auf seiner Stoßstange daran Schuld gewesen?
Krautzberger schaltete sich von der Rückbank aus ein. „Kennt ihr den Linken-Treffpunkt in der Goltzstraße? Da sitzen gerade die Zecken und planen ihre nächste Aktionen gegen uns.“
„Woher weißt du denn das?“
„Schon mal was von Twitter gehört?“
„Gehört schon. Was ist denn das genau? So was wie Facebook?“
„In der Art, genau. Die Antifa gibt da immer ihre nächsten Termine bekannt. Aber immer kurzfristig.“
„Flashmob, wa?“ krähte Zoschke fröhlich dazwischen. „Wie soll ich denn jetzt fahren?“
„Fahr erst mal Richtung Alex. Und die Knarre würde ich vorsichtshalber ins Handschuhfach packen. Wir fahren bis Schöneberg in den Westen. Und heute Nacht ist sicher wieder jede Menge Polizei unterwegs.“
Fröbel nickte anerkennend und legte die Waffe tatsächlich ins Handschuhfach.
Als sie auf der Greifswalder Straße die Altbauzeilen des Prenzlauer Bergs hinter sich gelassen hatte, sagte Krautzberger: „Und jetzt rechts einbiegen.“
Zoschke machte, was ihm befohlen wurde. Obwohl er sich wunderte, denn zum Alex musste er nur weiter gerade aus fahren.
Auf der Straße namens Prenzlauer Berg befahl ihm Krautzberger: „Und jetzt rechts ran!“ Am rechten Straßenrand sah man nur Bäume, es musste ein Park sein.
„Was ist denn los?“ Fröbel drehte sich verblüfft zu Krautzberger um.
Der hielt eine Pistole in die Höhe und entsicherte sie.
„Rechts ran, verstanden!“ Er brüllte so laut, das Zoschke fast eine Vollbremsung machte.
„Mein Name ist Heller, ich bin vom Staatsschutz. Sie sind beide festgenommen. Hände über den Kopf. Und keiner bewegt sich. Die Waffe bleibt im Handschuhfach, kapiert?!“
Dann drückte Krautzberger alias Heller einen winzigen Knopf an seinem Jackenkragen. „Zugriff erfolgt.“
Ulf Sonleitner, sein Vorgesetzer im LKA 5, bedankte sich kurz und schickte dann ein Einsatzteam zu dem Ort, dessen GPS-Daten er von Hellers Handy übermittelt bekam.

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