Samstag, 26. März 2022

Macht und Geld

 

Die Beziehung zwischen den Konzernen und der Politik hat sich im Laufe der letzten hundertfünfzig Jahre in den westlichen Ländern zu einem gut geölten Getriebe entwickelt. Jeder kennt seine Rolle, das System funktioniert geräuschlos. Gelegentlich gibt es Irritationen wie den Flick-Skandal in den achtziger Jahren oder Kohls Parteispendenaffäre, aber dadurch ändert sich nichts. Kapital und Politik sind ein eingespieltes Team. Geld und lukrative Jobs gegen eine unternehmerfreundliche Politik. Gerne mit sozialen Wohltaten garniert, die der Bürger mit seinen Steuerzahlungen ohnehin selbst finanziert. In den USA sind alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses und alle Senatoren übrigens selbst Multimillionäre. Sie gehören also zur selben Klasse wie die Milliardäre, die die Wahlkämpfe finanzieren.

In Osteuropa ist der Kapitalismus erst dreißig Jahre alt. Er steckt noch in den Kinderschuhen und ist mit dem westlichen Kapitalismus Ende des neunzehnten Jahrhunderts zu vergleichen. Es ist kein anonymes System, das geschmeidig funktioniert, sondern wird von einzelnen Personen repräsentiert. Was in Deutschland Krupp und Siemens, in den USA Rockefeller und Carnegie waren, sind im Osten die Oligarchen. Nehmen wir die Ukraine als Beispiel: Der Oligarch Petro Poroschenko war von 2014 bis 2019 selbst Präsident des Landes. Abgelöst wurde er von Wolodymyr Selenskyj, einem Schauspieler des beliebten Fernsehsenders 1+1. Mehrheitseigner ist der Oligarch Ihor Kolomojskyj. Sein Gegenspieler war Poroschenko, der dessen Macht im größten ukrainischen Ölkonzern Ukrnafta beschnitt, woraufhin Kolomojskyj die Konzernzentrale von seiner Privatarmee besetzen ließ und der ukrainischen Regierung unverhohlen mit einem militärischen Angriff drohte. So muss es damals auch in Manchester zugegangen sein. Selenskyj gilt als Marionette des Oligarchen und wird von dessen Leibwächtern seit Amtsantritt beschützt. Aber eine demokratisch gewählte Marionette wie Biden oder Scholz.

In Russland erscheinen die Verhältnisse komplizierter. Mit Putin hat ein Politiker die Macht, nicht die Oligarchen. Was unterscheidet einen Großkapitalisten von einem Diktator? Der Kapitalist will Geld, der Diktator Ansehen, einen Platz in den Geschichtsbüchern. Dem Kapitalisten sind Geschichtsbücher egal, er will teure Yachten, riesige Villen und Privatflugzeuge. Er denkt in anderen Kategorien. Die russischen Oligarchen haben also kein Interesse am Krieg mit der Ukraine. Er stört ihre Geschäfte und ihr Privatleben in London oder auf Ibiza. Ihre Profite beim Export von Rohstoffen stürzen gerade ab, das postsowjetische Geschäftsmodell gerät ins Wanken. Haben sie die Macht, Putin nach einer sich gerade abzeichnenden Niederlage zu stürzen? Der Ausgang des Krieges wird an einem Ort entschieden, den wir nicht im Fernsehen gezeigt bekommen.

P.S.: Kolomojskyj und Selenskyj sind Juden und es wundert mich, dass die AfD noch keine Verschwörung des internationalen Finanzjudentums verkündet hat.    

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