Sonntag, 14. Februar 2021

Die Kunst und das Leben

 

Neulich habe ich einen autobiographischen Roman über Michelangelo gelesen. Kunst lernte man damals in der Werkstatt eines Meisters. Kunst war ein Geschäft wie jedes andere auch. Man hatte Kunden, Aufträge und Arbeit – wenn man gefragt war. Heute ist das Berufsbild des Künstlers, vor allem des Schriftstellers, wesentlich mehr von Romantik geprägt. Kunst und der schnöde Mammon? Das gehört nicht zusammen. Der Künstler ist arm, er ist ein verkanntes Genie und er hat im Laufe seines Lebens viele Verletzungen erlitten, die ihn für einen gewöhnlichen Brotberuf wie Metzger oder Maurer unfähig machen.

Während in der Renaissance der Beruf des Schriftstellers noch relativ unbekannt war, der Buchdruck war ja gerade erst erfunden worden, gibt es heute vergleichsweise viele Menschen, die versuchen, vom Schreiben zu leben. Aber die erfolgreichen Autoren haben sich, bis auf wenige Ausnahmen, nicht der Kunst gewidmet, sondern recht unverblümt dem Kommerz. Berühmte Autoren wie Stephen King oder Michael Crichton schreiben Horrorromane, Thriller und Krimis. Wer auf dem begehrten Stapel an der Kasse der Buchhandlung landen will, sollte sich von Begriffen wie Literatur und Poesie verabschieden und seinen Weg mit Monstern und Leichen pflastern. 

Der Literat hat ein Außenseiter zu sein, ein Bohémien, der sich über materielle Dinge keine Sorgen machen muss, weil seine Kunst weit über der Sphäre des gewöhnlichen Broterwerbs steht. Er soll nicht über Mietrückstände und sein leeres Konto sprechen. Wir wollen von ihm keine Klagen hören. Er hat sich der mönchischen Lebensweise, der kargen Einfachheit des Lebens in einer spärlich ausgestatteten Eremitage hingegeben und nur in dieser Reinheit der minimalistischen Existenz möchten wir ihn sehen. Wir erlauben ihm Alkohol und Drogen, Rausch und Wahnsinn, weil sie Teil dieses Lebens am Rande der Gesellschaft sind. Aber wir wollen kein Gejammer hören, gerade in Zeiten der Pandemie nicht, denn er ist letztlich nicht systemrelevant.

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12 Kommentare:

  1. Gut gebrüllt Löwe
    ( Tucholsky ? )

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  2. Das innere Auge sieht sofort den armen Poeten von Spitzweg. ;-)

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    1. Kolumbianische Entdeckungen14. Februar 2021 um 18:07

      Das innere Auge ...

      ... des einzig wahren Literaten sieht sich bei seiner nächtlichen Arbeit umzingelt von seiner Leserschaft.

      Ein opulentes Gemälde aus der Periode "So eben mal Neulich & Nichts als die Wahrheit!"

      Die Heimsuchung des Viezschreibers

      Ihr habt ja alle keine Ahnung Ihr Sesselpupser, welch ein gorgonzalischer Schrecken den einsamen Literaten durchfährt bei der Feststellung: "Ich brauch dringend eine neue Unterhose!"

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  3. Warum der Rant gegen Belletristik? Gäbe es nur Weltliteratur, wäre es in etwa so, als würde es nur Klassik in der Musik geben. Lieber 'nen Perry Rhodan lesen, als gar nichts, würde ich meinen.
    Aber ja, bedingt durch unsere Form des Kapitalismus, ist das Schreiben inflationär geworden und der Wert von Literatur sinkt ständig. Deutlich erkennbar an den Büchertauschboxen in den Supermärkten.
    Einzig "philosophische Influencer" posieren noch in Ihren Clips vor ausladenden Bücherregalen. Wert: 1 € pro Regal (inkl. Regal). Bei einem Raucherhaushalt: -10 € (inkl. Regal). Selbst ledergebundene Prachtexemplare von Schillers Werken bekommst Du heute nicht mehr los. Jeder, der schon mal eine Bude beräumen musste, kennt das Dilemma. Ist eigentlich die Buchpreisbindung noch existent?

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  4. Die gebundenden Bücher, die ich besitze, wurden einzig nach Form und Farbe ausgewählt, damit sie sich harmonisch ins Interieur einfügen. Ihr Inhalt ist mir ebenso unbekannt wie ihre Autoren.
    Und was das Geheule um die finanzielle Lage von Künstlern angeht, hier leistet der Kapitalismus die übliche Arbeit. Einige werden richtig reich wie J. K. Rowling und für den Rest gilt:
    "Kunst kommt von können und nicht von wollen, sonst hieße es Wulst."

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    1. Kunst komm von Innen, darum heißt es auch KünstlerInnen!

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  5. Arthur Schopenhauer: „Es wäre gut, Bücher zu kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte.“

    Herzliche Tulpen -Sonntags- und Valentins- Grüße, in Schreibform - hier - abstell ... ♥

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  6. Aber gerade die Maler der Renaissance entwickelten doch ein bis dahin nicht gekanntes Selbstbewusstsein. Sie wollten nicht mehr länger bloß Handwerker, sondern freie Künstler sein. Man muss sich nur einmal das berühmte Selbstporträt von Dürer ansehen. So sieht kein Handwerker aus (daher auch die feinen Handschuhe). In der Musik dauerte es wesentlich länger. Bach und Mozart haben nur komponiert, was ihnen in Auftrag gegeben wurde. Erst Beethoven wagte es, ein Konzert mit den Worten „für solche Schweine spiele ich nicht!“ abzubrechen, wenn die Zuhörer nicht aufmerksam genug waren. Das romantische Bild von armen Poeten in der Dachkammer ist doch aber schon reichlich angestaubt. Ich wüsste nicht, wer diesem Ideal noch anhängt. Junge Autoren lassen sich heute üblicherweise in Literaturinstituten ausbilden. Literatur gilt in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur als Beitrag zu aktuellen Debatten als relevant. Was die Unterhaltungsliteratur betrifft: ich habe mal gelesen, dass es megaerfolgreiche Thriller-Autoren gibt, deren Arbeit nur noch darin besteht, sich in groben Zügen eine Romanhandlung einfallen zu lassen. Die Schreibarbeit erledigt dann ein Stab von Mitarbeitern.

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    1. Dürer verdiente sein Geld als Porträtmaler reicher Kaufleute. Viele Künstler haben Selbstporträts gemalt, aber mit denen lässt sich so wenig Geld verdienen wie wir mit unseren Selfies. Es gibt empirische Studien über das Durchschnittseinkommen von Künstlern, da ist das Bild vom armen Poeten durchaus aktuell. Ich habe mich mal mit Sten Nadolny unterhalten und ihn gefragt, wie viele Leute als Schriftsteller (also nicht als Werbetexter oder Groschenroman-Schreiber) in D von ihrer Arbeit existieren. Er sagte, weniger als 200 - und viele hätten noch einen Ehepartner, der den Löwenanteil an der Miete usw. bezahlt.

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