Donnerstag, 18. August 2016

Blackout im Outback

„Im Innern ist bei allem Geschöpf die gleiche warme Finsternis.“ (Hans Henny Jahnn: Fluss ohne Ufer)
Emmanuel Piehl, Privatdetektiv und Best Boy der Unterwelt: so hart wie ein Drei-Stunden-Ei und die vollendete Mischung aus Anmut und Scharfsinn. Aber sein letzter Fall lag eine Weile zurück. Der Überfall auf die Postkutsche mit den Lohngeldern für die Minenarbeiter.
Broken Hill: Heruntergekommene Holzhäuser voller Mundgeruch und Vorstrafen. In den verwahrlosten Vorgärten lagen ausgeschlachtete Autowracks und Gartenzwerge mit abgeschlagenen Köpfen. Die ganze Szenerie war so traurig wie der Anblick einer leeren Weinflasche.
Hier lebten Jake Loman und Wallace „Wally“ Fielding. Jake und Wally machten der Abstammungsgeschichte Australiens alle Ehre. Die meiste Zeit standen sie extrem lässig vor Billardsalons herum, kauten an einem Zahnstocher herum, schnickten Münzen in die Luft und kämmten sich die nächste Tube Wetgel ins Haar. Sie hatten über einen Kollegen, der mit ihnen im Knast gesessen hatte, von einem unbekannten Auftraggeber den Tipp mit dem Herointransport bekommen. Fifty-fifty, wenn sie ihm die Lieferung nach Melbourne bringen würden. Die Drogen waren in Eierbecherform gepresst und mit einer dünnen weißen Lackschicht überzogen worden.
Jayaprakash Rajchandra war der Fahrer des Lieferwagens, um den es beim Überfall gehen sollte. Er trug einen Turban, der mit einem Plastiksmaragd geschmückt war, und einen gewaltigen schwarzen Schnurrbart. Er hatte in jungen Jahren etliche ayurvedische Pornos in Bollywood gedreht und war anschließend nach Australien ausgewandert. Die Straße wand sich durch die Hügel des Outbacks, links und rechts sah er nur Buschgras und vereinzelte Felsbrocken.
Eike, der kleine Eierbecher, Held unzähliger Geschichten, hatte sich unter die Ladung des gutbestückten Inders gemischt. Er trug einen GPS-Sender und ein senfkorngroßes Mikro. Er konnte sich auf Mister Piehl verlassen. Der erfahrene Privatdetektiv, der bis zu seinem Prozess wegen Bestechlichkeit für die Polizei in Brisbane gearbeitet hatte, würde ihn retten, wenn er in wenigen Minuten in die Hände der Ganoven fiel.
Rauchfarbene Augen betrachteten die Szene in alle Ruhe durch das Fernglas. Der Lastwagen des Schmuddel-Hindus wurde gerade auf die Ladefläche eines Abschleppwagens gehievt. In einem Versteck würde man das gepanzerte und mit kugelsicheren Scheiben ausgestattete Fahrzeug des Sydney-Kartells, das laut Aufschrift angeblich der Firma „Gilmore Logistics“ in Wollongong gehörte, mit Schneidbrennern und notfalls mit Plastiksprengstoff öffnen.
Als der Abschleppwagen verschwunden war, stieg Piehl mit aller gebotenen Gelassenheit in seinen unauffälligen Holden und folgte dem GPS-Signal. Auf dem Beifahrersitz lag seine Glock 17 mit Schalldämpfer. In seinem früheren Job hatte er beide Rollen gelernt: böser Bulle und richtig böser Bulle.
Der Abschleppwagen stand vor einer verlassenen Farm. Sie bestand aus einer offenen Scheune mit Wellblechdach, in der alte Fässer und Maschinenteile vor sich hin rosteten, einer riesigen Garage und einem Farmhaus mit einer verfallenen Holzveranda. Mit Merino-Wolle war schon lange kein Geld mehr zu verdienen.
Piehl stellte seinen Wagen einen Kilometer von der Farm entfernt ab und schlich sich durch ein Wäldchen auf die Rückseite des Hauptgebäudes. Währenddessen hatten es Wally und Jake gerade geschafft, die gepanzerte Fahrertür zu öffnen. Piehl erwischte Wally, als er gerade den Fahrer im ehemaligen Wohnzimmer fesselte.
Wie alle Amateure redete Wally zu viel. Er erklärte seinem Gefangenen, sie würden der Polizei einen Tipp geben, sobald sie in Sicherheit wären. Er würde hier nicht elendig im Outback verdursten, Mord wäre nicht ihr Ding. Dabei bleckte Wally seine eitergelben Pferdezähne wie eine alte Frau beim Wasserlassen.
Piehl schlich über den Flur, immer an der Wand entlang, wo die Holzdielen nicht knarren würden. Zwei Kugeln. Dem gefesselten Fahrer sagte er, Big Earl hätte ihn geschickt und es sei gleich vorbei. Dann musste er nur noch auf Jake warten.
Es dauerte etwa zehn Minuten, die er hinter der Tür verbrachte. Dann wurde Jake misstrauisch und kam ins Haus. Er rief nach Wally, aber er bekam keine Antwort. Mit gezogenem Revolver kam er ins Zimmer. Helle Linien zeichneten sich auf Jakes rotem T-Shirt ab, die Salzränder alter Schweißflecken sahen aus wie Küstenlinien. Es machte Piehl nichts aus, auch ihm in den Rücken zu schießen.
Fünfzehn Minuten später war Jayaprakash wieder auf der Straße und fuhr seinem Ziel entgegen. Piehl kassierte 50.000 australische Dollar Honorar von Big Earl in Sydney. Diese Jobs waren wesentlich besser als die Nächte, die man sich im Auto mit Thermoskannenkaffee und aufgeweichten Sandwiches bei der Überwachung ehebrüchiger Zahnärzte um die Ohren schlagen musste.
10.000 Dollar gingen an Eike, den kleinen Eierbecher. Er verbrachte die nächsten vier Wochen auf Tahiti mit eisgekühlten Cocktails und karamellfarbenen Porzellanschönheiten, während man einen geheimnisvollen Tippgeber, dem die Zunge fehlte, aus dem Hafen von Melbourne fischte.
Cream – Sunshine Of Your Love. https://www.youtube.com/watch?v=qwTRl3-nRyQ

6 Kommentare:

  1. Und was ist aus Eileen geworden?

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    1. Das erfährst du, wenn du die nächsten hundert Texte von diesem vermaledeiten Kiezschreiber anklickst. Gottverdammt, dieses Business ist echt brutal ...

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  2. Na, soo schlimm ist Broken Hill auch nicht!

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    1. Von dir erwarte ich ein paar leckere Bush-Tucker-Rezepte, nachdem ich in deinem Blog gestöbert habe ;o)))

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    2. Sorry, ich kann nur Spaghetti mit Tomatensoße :D

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    3. Dafür werde ich nicht die lange Anreise auf mich nehmen, ich hoffe, du verstehst das ;o)))

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