Mittwoch, 10. Dezember 2025

The Phone Files III

 

„Hallo?“

„Hallo, hier ist Maria.“

„Ich kenne keine Maria.“

„Doch, deine Cousine.“

„Ich habe keine Cousine, nur einen Cousin.“

Du hast vor langer Zeit den Kontakt mit deiner Familie abgebrochen.“

„Nein, nicht das ich wüsste.“

„Ich verstehe ja, dass du alles abstreitest, aber es ist wichtig.“

Dann legte ich auf.

Am nächsten Abend das gleiche Spiel. So ging es ein paar Tage. Sie blieb hartnäckig. Beim dritten oder vierten Anruf sagte sie mir, sie würde von der Station einer Nervenheilanstalt anrufen. Sie hätte meine Nummer aus dem Internet. Damals hatte ich noch ein Festnetztelefon, auf dem man die Nummer des Anrufers nicht ablesen konnte. Das würde ja noch heiter werden.

„Dein Onkel Bertram ist gestorben. Auf dem Sterbebett hat er sich gewünscht, alle Familienmitglieder sollten bei der Beerdigung anwesend sein.“

Die Beerdigung war nicht weit von meiner Wohnung in Wiesbaden. Ein wenig neugierig war ich schon, außerdem war ich damals gerade arbeitslos geworden, also fuhr ich einfach hin. Maria war in Begleitung eines Pflegers anwesend und begrüßte mich herzlich, als ich mich vorstellte. Vierzig Jahre hatten wir uns angeblich nicht gesehen, ich hatte ein paar Pfund zugelegt und graue Haare bekommen. Beim Leichenschmaus konnte ich mir allerlei Anekdoten der Familie anhören und erzählte wahrheitsgemäß, wie es mir inzwischen ergangen sei. Die Witwe, „Tante“ Gertrud, bat mich um meine Adresse und ich zeigte ihr sogar meinen Personalausweis.

Sechs Wochen später bekam ich Post von einem Notar. Er lud mich zur Testamentseröffnung nach Wiesbaden ein. Dort waren neben der Witwe, die auch der Vormund ihrer Tochter Maria war, steinalte Zwillinge, die Geschwister des Verstorbenen. Was soll ich sagen? Heute bin ich Geschäftsführer der Konradi Baustoff KG und verdiene nicht schlecht.

***

Der Anfang beruht auf einer wahren Geschichte. Ich fand im Internet einen zweiten Menschen mit meinem Namen, der damals bei der Handwerkskammer Frankfurt arbeitete. Ich gab Maria, sie hieß wirklich so und war in einer Nervenheilanstalt untergebracht, seine Nummer und der Spuk endete nach einer Woche so plötzlich wie er angefangen hatte.

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