Dienstag, 14. November 2017

Wenn ich einmal reich wär

„Ewiger Sonnenschein schafft eine Wüste.“ (Arabisches Sprichwort)
Was macht man mit einhundert Millionen Euro? Ich hatte vor etlichen Jahren einmal tausend Euro in Bitcoins investiert und hatte nun ein Vermögen auf dem Konto. Ich fasste also, gestärkt durch einige Flaschen Riesling, den Beschluss, das Depot aufzulösen und mich daran zu machen, das Geld auszugeben. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde.
Es begann mit der Überweisung dieser riesigen Summe Geld auf mein Girokonto der hiesigen Sparkasse. Es folgte der Anruf eines aufgeregten Sparkassendirektors. Ich müsse sofort vorbeikommen und alles mit ihm besprechen. Ob es sich denn um einen Bankirrtum zu meinen Gunsten handele, fragte er mich ernsthaft, als würden wir hier Monopoly spielen.
Eine Stunde später betrat ich die Bank, wie immer in löchrigen Jeans und mit einem alten Supertramp-Shirt. Alle Angestellten staunten mich schweigend an, während ich zum Büro ihres Chefs ging. Er erzählte mir etwas von aufgeblähten Bankbilanzen und Einlagensicherung. Also verteilte ich das Geld auf neu eingerichtete Konten bei zwei Banken in Zürich und zwei Banken in New York. Auf der Sparkasse beließ ich zwanzig Millionen auf einem Tagesgeldkonto. Das heißt: fünf Banken mit jeweils einem Fünftel meines Vermögens.
Was macht man mit dem ganzen Geld? Ich kaufte mir eine Villa im Grunewald für fünf Millionen Euro. Ich rechnete mir aus, dass ich für meinen gewünschten Lebensstandard – jeden Tag gut essen gehen, gelegentliche Reisen, eine Haushälterin – nicht mehr als zweihunderttausend Euro im Jahr ausgeben würde. Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt. Das wären bis zu meinem hundertsten Geburtstag also weitere fünf Millionen Euro. Macht zusammen zehn Millionen Euro.
Was macht man mit neunzig Millionen Euro? Ich beschloss, das Geld zu verschenken. Vielleicht nicht die ganzen neunzig Millionen. Ein bisschen Reserve für verrückte Ideen würde ich womöglich noch brauchen. Aber auf achtzig Millionen konnte ich locker verzichten und mein Karma auf Hochglanz polieren. Das heißt konkret: Ich würde nach meinem Tod als Reicher wiedergeboren werden. Aber wem schenkt man so viel Geld?
Ich habe keine Kinder, nur eine Nichte und einen Neffen. Soll ich sie mit meinen Millionen zu Faulpelzen machen? Mein Bruder ist Unternehmer, die Kinder müssen sich keine Sorgen machen. Da beide gerade volljährig geworden waren, schenkte ich ihnen ein Auto ihrer Wahl. Sophie bekam einen schneeweißen Audi mit allen Schikanen und Max einen knallroten Alfa Romeo mit dreihundert PS. Damit waren hunderttausend Euro weg. Peanuts.
Welche Sache sollte ich mit meinem Geld unterstützen? Tiere und Kinder, Gerechtigkeit und Frieden. Es gibt zahllose Möglichkeiten. Da ich in den letzten Jahren immer die Linken gewählt hatte, überwies ich der Partei 1,848 Million Euro. 1848 – das Jahr des kommunistischen Manifests und der Revolutionen in Frankreich und Deutschland.
Damit ging der Ärger los. Parteispenden über zwanzigtausend Euro müssen veröffentlicht werden. So kam mein Name in die Zeitungen. Es war die höchste Parteispende aller Zeiten. Und so wurde aus einem anonymen Reichen ein landesweit bekannter Mogul.
Seit einigen Jahren betrieb ich unter meinem echten Namen ein Blog. Wer im Internet meinen Namen in eine Suchmaschine eingab, wurde sofort auf meine Seite verwiesen. Dort stand auch meine E-Mail-Adresse und im Impressum meine Anschrift. Noch war meine neue Villa nicht renoviert und eingerichtet, ich lebte in meiner alten Wohnung. Ich wurde mit E-Mails bombardiert, es klingelte an meiner Wohnungstür, der Kommentarbereich meines Blogs explodierte.
Der geheimnisvolle Spender – ausgerechnet bei den Linken und nicht den bürgerlichen Parteien, die sonst immer die fette Marie absahnen. Mein Name in der Tagesschau, im „Spiegel“, in der „Bild“. Zum Glück war auf meiner Seite nur ein uraltes Foto abgebildet, das mich mit fünfzig Kilo weniger zeigte. Ich musste untertauchen, so viel stand fest. In tiefer Nacht verließ ich das Haus und fuhr mit dem Taxi zum Flughafen.
Mit der ersten Maschine flog ich nach London. Ich buchte die Buckingham Suite im The Lanesborough am Hyde Park Corner. Hier wusste man, wie man das Inkognito des Geldadels schützte. Ich beschloss, keine Interviews zu geben. Nur beim „Neuen Deutschland“ wollte ich eine Ausnahme machen, schließlich sollten die Linken auch erfahren, wer ich bin und was meine Beweggründe für die Spende waren. Ich rief den Chefredakteur an und vereinbarte mit ihm einen Gesprächstermin in meiner Londoner Suite.
Inzwischen wurden die Texte in meinem Blog einer intensiven Rezeption seitens der Medien unterzogen. Ich hatte eine Menge politischer Texte geschrieben, die Regierung auf das Übelste beschimpft und eine Umverteilung von Reichtum gefordert. Die Kommentare in den Zeitungen und Fernsehsendungen waren zum Teil voller Häme, andere Journalisten zeigten sich verwirrt, einer verglich mich sogar mit Bruce Wayne alias Batman. Meine Spende war das große Thema bei Maybrit Illner, in ihrer Talkshow bezeichnete Wolfgang Bosbach mich als sozialistischen Scharlatan.
Im Interview mit dem „Neuen Deutschland“ erklärte ich, dass ich mit meiner Spende keinen Einfluss auf das Programm oder die Personen der Linken nehmen wolle. Es sei einfach eine Unterstützung der einzigen Partei im Bundestag, die man halbwegs als Opposition bezeichnen könne. Auch wenn ich in meinem Blog eine Transaktionssteuer auf Bankgeschäfte, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und viele andere konkrete Dinge gefordert habe, wolle ich mich nicht ins Tagesgeschäft der Partei einmischen. Auch wären mir die innerparteilichen Streitigkeiten egal, ich würde keine einzelne Person bevorzugen. Gysi fände ich allerdings sehr nett, seine rhetorischen Qualitäten seien unbestritten. So wurde es am nächsten Tag auch gedruckt. Damit hatte ich mir natürlich bei den anderen Medien keine Freunde gemacht, die sich übergangen fühlten. Vor allem im „Spiegel“ und der „Bild“ wurde ich offen verhöhnt.
Von London reiste ich nach New York. Es folgten Hawaii und Tokio. Als sich der Rummel wieder gelegt hatte, kehrte ich nach Berlin zurück und bezog meine neue Villa. Die alte Wohnung und das Blog gab ich auf. Seitdem lebe ich in Ruhe und mache den ganzen Tag, was mir gefällt. Was macht man mit einem riesigen Haufen Geld? Am besten gar nichts. Zuviel Geld kann einem auch auf die Nerven gehen. Ich habe ein Testament gemacht. Von meinem Vermögen soll ein Wald gekauft werden, der nicht bewirtschaftet werden darf. Soll Mutter Natur mit dem ganzen Zaster machen, was sie will.
Steely Dan – Peg. https://www.youtube.com/watch?v=LI7NDDQLvbo

5 Kommentare:

  1. Y E A H ...
    TOLL ...
    BRAVO ...
    und APPLAUS !!!

    ... aber HALLO:
    Bevor SIE hier "Ende Gelände" (im BLOG) praktizieren,
    um sich im Saus & Braus
    -> das LEBEN <-
    um die Ohren fliegen zu lassen ... (ړײ)

    bräuchte ICH, neue Beißerchen
    ... oben wie unten...

    & dem Wald wäre es recht, soll ich ausrichten !!! *BargeldimUmschlagnehmichauch*

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    1. Beißerchen? Ich schicke dir ein paar Suppenrezepte. Das ist günstiger.

      (nach Diktat in Richtung Honolulu verreist)

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    2. ... und dann KLEINLICH/GEIZIG werden !!!

      *jetztdenwahrenCHARAKTERkennt...Abgünde...seufz*

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    3. Sobald ich Millionär bin, kaufe ich dir die Kauleiste des Beißers aus dem James-Bond-Film :o)

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    4. Evtl. ZEUGEN lesen mit... ;) *augenroll*

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