„Bis zum heutigen Tag arbeite ich im Bett, mit drei Kissen im Rücken, und habe keine Verwendung für Schreibtisch oder –pult oder ähnlichen Schnickschnack.“ (Gary Shteyngart: Kleiner Versager)
Ich hatte diesen räudigen Job als Kolumnist beim Hunsrück Globe. Einmal in der Woche beantwortete ich öffentlich die Fragen ratloser Hausfrauen und gelangweilter Rentner. Es war so deprimierend, dass ich jeden Tag um elf in die Kneipe gegenüber ging und ein Bier nach dem anderen trank. Dazu aß ich Frikadellen und Krautsalat. Nachmittags schlief ich auf dem Schreibtisch und entließ zischende oder gurgelnde Kraut- und Bierfürze in die Räume der Redaktion.
Eigentlich war ich am Ende. Ich weiß gar nicht, woher ich die Kraft genommen habe, meine kleinen speckigen Kinderfäuste zu ballen. Aber ich habe es gemacht. Ich habe angefangen, mich zu wehren. Man hat mich ein Leben lang herumgeschupst wie einen Vollidioten. Eines Tages war Schluss. Keine Ahnung wieso. Aber es war großartig.
Es fing mit einer Buchbestellung bei einem Versandantiquariat an. Natürlich kam das Buch nicht. Aber das Geld wurde umgehend von meinem Konto abgebucht. Ich schrieb eine Mail an das Antiquariat. Zur Antwort bekam ich: Melden Sie sich in vier Wochen noch einmal. Na klar. Diese Arschkrampen denken, in vier Wochen habe ich die fünf Euro vergessen, die ich für ein Buch bezahlt habe, das nie gekommen ist.
Gut, ich bin es gewohnt, beschissen zu werden. Aber dann kam diese Standard-Mail, in der ich das Geschäft beurteilen sollte. Was wollt Ihr Schweine denn noch? Ihr habt mein Geld, ich habe keine Ware – und jetzt soll ich noch fünf Sterne vergeben oder was!?! Ich schrieb eine gepfefferte Bewertung mit einem Stern, weil null Sterne nicht möglich waren. Was soll ich Ihnen sagen? Zwei Tage später war das bestellte Buch mit dem vielsagenden Titel „Kleiner Versager“ in meinem Briefkasten.
Jetzt wurde ich mutig. Dieses Zeitschriftenabonnement. Seit Jahren möchte ich es loswerden, aber zur Kündigung ist nur eine Telefonnummer angegeben. Ich weiß natürlich, dass ich dieses Telefonat nicht schaffen werde. Mir bricht schon der kalte Schweiß aus, wenn ich nur daran denke. Das sind Profis. Nach dem Anruf habe ich bestimmt ein Abo mehr. Die lachen mich doch aus, wenn ich kündigen will. Warum wollen Sie kündigen, werden sie fragen. Und ich werde ins Stottern kommen, wenn ich es begründen soll. Ich bring’s nicht. Weiß ich doch.
Aber dann bin ich auf „Aboalarm“ gestoßen. Für 2,99 kündigen sie in meinem Namen das Abo. Kein Anruf, nur Anklicken. Hab ich gemacht. Aber dann kam die Mail: Haben Sie die Bestätigung für die Kündigung schon bekommen? Ansonsten bitte selbst eine Mail schreiben. Wie bitte? Als erstes schreibe ich eine böse Mail an Aboalarm. Wenn ich alles selbst machen muss, warum nehme ich Ihre Dienstleistung überhaupt in Anspruch? Ich zahle schließlich Geld – das natürlich schon abgebucht ist -, um nicht selbst in Kontakt mit dem fiesen Medienmoloch namens Burda treten zu müssen.
Wissen Sie, was ich zur Antwort bekam? Da könne man nichts machen, hieß es, das Unternehmen gäbe keine Kundendaten heraus. Ob die Kündigung geklappt habe, wüsste man nicht. Und dann kam gleich eine Mail, wie ich den Kundenkontakt zu Aboalarm bewerten würde. Und wieder gab es eine gepfefferte Bewertung, die im Fernsehen nur mit Pfeiftönen gesendet werden könnte. Jetzt war ich in Fahrt: Gleich darauf schrieb ich eine Mail an den Verlag, der mir die blöde Zeitschrift seit Jahren schickt. Auch wenn man laut Homepage nur am Telefon kündigen kann. Ich nahm mir vor, denselben Text per Einschreiben noch einmal an die Verlagsleitung zu schicken, wenn man mich nochmal ignorieren sollte. Was soll ich sagen? Die Bestätigung kam einen Tag später per Mail und dann noch einmal schriftlich.
Nimm die Fäuste hoch, Loser! Jetzt nehme ich mir sogar die Schmerzen in meinem linken Knie zur Brust. Seit Monaten quäle ich mich, aber jetzt war ich beim Orthopäden. Gicht. Entzündung. Wassereinlagerungen. Natürlich kämpfe ich jetzt gegen alle Elemente: Feuer, Wasser, Krankenkasse. Ich werde Mails an meinen Körper schreiben. Null Sterne für die Performance auf der Treppe. Ich kündige dem Bier, den Frikadellen und dem Hunsrück Globe. Jetzt drehe ich richtig auf. Ich könnte Blumen ausreißen!
Götz Widmann - Zöllner vom Vollzug abhalten auf der A4. https://www.youtube.com/watch?v=HurN3a3sEqc&list=PLCA7F8E5626B9BA39
Hier noch was, wogegen man sich wehren kann: https://www.freitag.de/autoren/soloto/ueber-den-umgang-mit-dreadlocks
AntwortenLöschenIn einem Nachbardorf hat ein Marokkaner eine Pizzeria aufgemacht. Auch das ist kulturelle Aneignung, oder? Ich werde den Widerstand organisieren und mir ein Mao-Warze wachsen lassen!
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