„Nur was wir am Ende lächerlich finden, beherrschen wir auch, nur wenn wir die Welt und das Leben auf ihr lächerlich finden, kommen wir weiter, es gibt keine andere, keine bessere Methode, sagte er.“ (Thomas Bernhard: Alter Meister. Komödie)
Was gab es früher in diesem Hause für Erzeugnisse der Printmedien! Wir hatten die Mainzer Allgemeine Zeitung, die Welt am Sonntag, die Hörzu und Das Beste aus Reader’s Digest im Abonnement. Dazu brachte ich Mad, Zack und die Titanic vom Kiosk mit. Meine Schwester die Bravo. Die Großmütter hatten Frau im Spiegel und Neue Post, gelegentlich kam auch ein Stern oder der Spiegel dazu. Damals konnte man mit gedrucktem Zeugs vermutlich reich werden. Heute benutzt man nur noch das kostenlose Internet – oder man hat das Lesen einfach komplett eingestellt.
Glücklicherweise habe ich die Mad- und Titanic-Hefte sowie „Das Beste“ für Sie, liebe Lesende, aufgehoben. Aber ich will Sie natürlich nicht mit Geschichten vom schönen Fröhn und dem öden Stöhn langweilen. Kommen wir zum Besten aus Reader’s Digest vom Dezember 1981. Der Aufmacher ist ein sympathischer Text mit der Überschrift „ Gefährdet die Friedensbewegung unsere Sicherheit?“ Glücklicherweise bekomme ich in diesem Artikel erklärt, dass Moskau die Friedensbewegung steuert und man den Kommunismus unterstützt, wenn man gegen die neuen Pershing 2-Raketen und Marschflugkörper der US-Regierung ist.
Laut einer Meinungsumfrage wollen 48 Prozent der Bundesbürger „lieber unter einem kommunistischen Regime leben als durch Verteidigung der demokratischen Freiheit einen Atomkrieg riskieren“. Fidel Castros „Socialismo o Muerte“ ist wahr geworden – und es steht fifty-fifty. Aber wir sollten Ron trauen, dem neuen US-Präsidenten (dessen „dramatischer Kampf“ ums Überleben nach dem Attentat im März 1981 ein weiteres Thema im Heft ist). So wie wir ja auch heute „The unpredictable Don“ in der Rolle des US-Präsidenten unser Vertrauen schenken. Denn die Pershing 2, so lese ich weiter, erreicht in sechs Minuten ihr Ziel und kann nicht mehr abgefangen werden. Und die Cruise missile fliegt so niedrig, dass die Russen sie nicht orten können. Schon wird die Welt wieder ein Stück sicherer.
Bereits der „Feldzug gegen die Neutronenbombe“ 1977 war „Teil eines von Moskau gesteuerten Propagandablitzkriegs“. Richtig gefährlich wurde es aber mit dem Krefelder Appell, den über eine Million Friedenswinsler unterzeichnet hatten. Initiator war die Deutsche Friedensunion, eine kommunistische Tarnorganisation, die von der DDR finanziert wurde. Gründungsmitglied war die Top-Terroristin Ulrike Meinhof. Mehr muss man eigentlich gar nicht sagen. Man kann ja nur dankbar sein, dass einem „Das Beste“ die Augen öffnet.
Schön ist auch die Werbung. Im neuen 7er BMW gibt es „Digitale Motor-Elektronik“. Wie weit die Welt 1981 schon war. Und in Japan planen sie eine Magnetschwebebahn. Das würde unserem Bundesverkehrsminister der Herzen, Alois Dobrindt, sicher gefallen.
In der Ausgabe vom September 1981 lese ich mit großem Interesse einen umfangreichen Artikel, in dem es um den baldigen Bankrott der Bundesrepublik geht. Die Horrorzahlen: 1,2 Millionen Arbeitslose, eine negative Leistungsbilanz (nach 13 positiven Jahren in Folge) und 500 Milliarden DM Schulden. Die Ursachen der „Misere im Wirtschaftswunderland“ sind schnell gefunden. „Die einst für ihren Fleiß berühmten – und im Ausland berüchtigten – Erfinder der ‚Arbeitsethik‘ entwickeln sich zusehends zu internationalen Meistern im Müßiggang.“ Nur noch vierzig Stunden die Woche arbeiten, sechs Wochen Urlaub, zahllose Feiertage, häufige Krankmeldungen, Kuraufenthalte – so geht es mit dem deutschen Michel nicht mehr weiter. Wie wir wissen, ist es ja dann auch 36 Jahre bis heute nur noch abwärts gegangen.
Bundesbankpräsident Pöhl klagt: „Der soziale Wohlfahrtsstaat gefährdet die eigene materielle Grundlage: den wirtschaftlichen Fortschritt.“ Die Steuern und die Kosten der „sozialen Hängematte“ sind zu hoch, das „Geld versickert in einem Wohlfahrtsstaat von phantastischen Ausmaßen“. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages assistiert: „Was unsere Wettbewerbsfähigkeit betrifft, so stehen wir mit dem Rücken zur Wand.“ Der amerikanische Autor des Textes ergänzt: „Zum Beispiel fehlt eine wirklich starke Rüstungsindustrie, die der übrigen Wirtschaft Impulse geben könnte.“ Zum Glück läutete ein Jahr später Gottkanzler Helmut Kohl die neoliberale, vulgo: die „geistig-moralische Wende“ ein – und Gerhard Schröder war sein Prophet.
Herzlichst, Ihr
Zentralkomitee für Boulevardliteratur
The Whispers - And The Beat Goes On. https://www.youtube.com/watch?v=fOaxEa5ONJw
Das hat meine Oma auch immer gelesen! Und die "Kindermund"-Stückchen würden heute genügen, um einen erfolgreichen Twitter-Account zu betreiben...
AntwortenLöschenWir hatten eine sehr ähnliche Mischung im Haus
AntwortenLöschenAls ich das las, relativierte sich manche heutige Aufregung. Heute, am Tag der Pressefreiheit, hörte ich im Radio, wie mit Journalisten bei Pegida- Demos umgegangen wird, mitten in Deutschland. Alles irgendwie schon mal gewesen...
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