Donnerstag, 1. Dezember 2016

Die ungeplante Leichtfertigkeit des Schweins

„Schreiben ist wie Cunnilingus: dunkle, einsame Arbeit.“ (Andy Bonetti)
Es war einer dieser elend heißen Nachmittage in meinem kleinen Hinterhofbüro, an denen ich mich fragte, wie lange ich diese Farce noch durchhalten würde. Mein Vermieter hatte seit Monaten kein Geld gesehen und selbst die Kakerlaken hatten sich mit einem höhnischen Grinsen von mir verabschiedet. Was für eine Schnapsidee: Schriftsteller.
Ich saß in meinem schäbigen Fünfzig-Euro-Anzug auf einem schäbigen Bürosessel und hatte meine schäbigen Stiefel auf den schäbigen Schreibtisch gelegt, in dessen Schubladen nur leere Whiskyflaschen, unveröffentlichte Manuskripte und Büroklammern lagen.
Dann kam diese unglaubliche Blondine in einem wahnsinnig kurzen schwarzen Kleid in mein Büro. Ich wollte es gar nicht glauben, aber als sie zu sprechen anfing, hatte ich den Glauben an meine Chance zurückgewonnen.

„Mister Bonetti. Ich brauche einen Autor für eine Biographie.“

„Wann soll es losgehen?“ fragte ich, ohne den Zahnstocher aus dem Mundwinkel zu nehmen.

„Sofort. Haben Sie Zeit?“ Ihre verführerische Stimme duldete keinen Widerspruch.

Sie wusste es. Ich wusste es. Also nickte ich einfach.

„150 Seiten. Zweitausend Euro Vorschuss plus Gewinnbeteiligung. Sind Sie einverstanden?“

Diesmal nickte ich mit einem breiten Grinsen.

„Kennen Sie Eike, den kleinen Eierbecher?“

„Natürlich.“

„Was wissen Sie über ihn?“

„Ich habe den Film gesehen."

Wir lachten beide, bis der Arzt kam. Und wir lachten auch noch, als der Mann wieder kopfschüttelnd die Tür hinter sich geschlossen hatte.

„Wie lange brauchen Sie für ein Exposé?“

„Achtundvierzig Stunden.“

„Cool.“

Ich hatte keine Ahnung, ob ich es in dieser Zeit schaffen würde. Schließlich war es mein erster Auftrag als Schriftsteller. Aber ich musste meiner Mandantin Zuversicht vermitteln. Jede Faser meines Körpers strahlte die Botschaft aus: Ich bin der richtige Mann für diesen Job. Es ging um zweitausend Euro Vorschuss. Eine Menge Whisky, wenn Sie mich fragen.

P.S.: So und nicht anders bin ich an meinen ersten Auftrag als Schriftsteller gekommen. Die Lektorin von Suhrkamp rief mich wegen einer Gandhi-Biographie an – und der Rest ist Legende. Wir hatten tatsächlich beide nur den Film gesehen, aber der Verlag hatte nur noch wenige Monate Zeit bis zur Frankfurter Buchmesse 2006, auf der Indien als Gastland präsentiert wurde.

Ennio Morricone – Metti, una sera a cena. https://www.youtube.com/watch?v=dsN3QoYh7dA

2 Kommentare:

  1. „Schreiben ist wie Cunnilingus: dunkle, einsame Arbeit.“ (Andy Bonetti)

    DANKE

    AntwortenLöschen