Montag, 2. November 2015

Shady Grey trifft Randy Jay

"Mark Savage, du bist ein ganz toller Mann! flüsterte sie. Meine Knie schlotterten mir Löcher in meine blauen Kammgarnhosen, meine Nerven zitterten und vibrierten wie zehn Pfund Zitronengötterspeise auf einem zersprungenen Porzellanteller." (Die Schnüffler)
Shady Grey blickte gelangweilt aus dem Fenster seines Zugabteils. Endlose Maisfelder bis zum Horizont. Seit einer Stunde hatte er nur Mais gesehen. Ganz Nebraska schien nur aus Mais zu bestehen. Sein Onkel konnte nicht ganz bei Trost sein, sich in einer so eintönigen Gegend anzusiedeln. Aber der alte Mann war seine letzte Hoffnung. Early Dangerfield hatte ein Vermögen mit tiefgefrorenem Cowboy Pie und Wunderkerzen gemacht und sich dann diesen Landsitz in Dawson County zugelegt. Cowboy Pie ist die amerikanische Variante des britischen Cottage Pie, wobei zwischen der unteren Schicht aus Hackfleisch und der oberen Schicht aus Kartoffelbrei noch eine Zwischenschicht aus Mais und Ketchup eingefügt ist.
Shady Grey hatte nach einer kurzen Blüte als Autor von dystopischen Kriminalromanen seiner Neigung zum Bourbon nachgegeben und war völlig abgebrannt, als er in Lexington aus dem Zug stieg. Es ekelte und gruselte ihn vor der Bettelarie, die er gleich vor seinem Onkel zum Besten geben musste. Und so ging Shady Grey erst einmal in eine Bar in der Nähe des Bahnhofs, wo er Jordan „Randy Jay“ Blackbird traf. Die Geschichte nahm unwiderruflich ihren Lauf. Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet ein Cowboy Pie seines Onkels eine ungewöhnliche Rolle in der ganzen Sache spielen sollte. In anderen Ländern wird dieses Gericht übrigens auch als Chinese Pie, Shepherd’s Pie, Potato Pie oder Hasan Pascha Köfte angeboten, aber das gehört nicht hierher.
Es war der ungewöhnlichen Narbe auf Blackbirds linker Wange zu verdanken, dass die beiden ins Gespräch kamen. Eine Vielzahl von Rauten hatte sich zu einem regelmäßigen Muster geformt, die Randy Jay seinem bemerkenswerten Hang zu Unglücksfällen im Allgemeinen und einem menstruationsbedingten Tobsuchtsanfall seiner Ex-Freundin Dolores im Besonderen zu verdanken hatte, die ihn mit dem Gesicht auf ein heißes Waffeleisen gedrückt hatte. Es war um die alten Themen Geld und Treue gegangen, wobei sich Randy Jay nicht mehr sicher war, mit welchem Teil des bekannten Problemduos der Streit begonnen hatte. Und auch an diesem Tag, als er Shady Grey am Tresen der Burnside Bar ansprach, ging es um Geld.
Natürlich eine todsichere Sache. Diese Sachen sind immer todsicher. Es kann gar nichts schiefgehen. Randy Jay hatte alles seit langem ausbaldowert. Kannte eine der Kassiererinnen in der Bank. Und nach einer wilden Nacht hat sie ihm alles erzählt. Am letzten Freitag des Monats kamen immer die Lohngelder für die Minenarbeiter. Zweihundert Tausend Dollar in bar. Kein Scheiß. Er spendierte Shady Grey noch einen doppelten Bourbon. Dreimal dürfen Sie raten, an welchem Tag unser Held Shady Grey in die kleine Stadt im Süden Nebraskas gekommen war. Genau: am letzten Freitag des Monats. Unglücklicherweise war Mister Jordan „Randy Jay“ Blackbird sein Partner abhandengekommen. Lionel Whitney, den alle nur als „den irren Lionel“ kannten, saß seit letzter Nacht wegen Drogenbesitz im örtlichen Gefängnis. Und in einer Stunde würde der Geldtransporter nach Lexington kommen.
Der Hinterhof des trostlosen Betonwürfels, in dem die Dawson Savings&Loan ihren Sitz hatte, war voller Mülltonnen, Müll und Ölflecken. Er sah nicht nur aus wie eine Bahnhofsunterführung, er roch auch so. Shady Grey saß am Steuer eines Pick-ups und wartete. Und dann kam Randy Jay durch die Hintertür der Bank auf ihn zu gerannt. Er hatte einen Jutesack mit einem großen Dollarzeichen auf dem Rücken. Plötzlich fielen die ersten Schüsse. Randy Jay sprang in den Wagen und sie fuhren mit quietschenden Reifen davon. Während Shady Grey verbissen nach vorne blickte, wo eine große Kreuzung mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zuflog, schrie sein Partner und schlug lachend auf den großen Geldsack auf seinem Schoß. Sie hatten es geschafft. Und jetzt mussten sie nur noch raus aus der Stadt zu Randy Jays kleinem Haus, wo sie den Pick-up im der Scheune verstecken konnten.
Als sie die Polizeisirene hörten, fiel Blackbirds hochnäsiges Gelächter so schnell in sich zusammen wie die Erektion eines Diabetikers. Und wann kommt endlich der Cowboy Pie von Onkel Early Dangerfield ins Spiel? Eine berechtigte Frage. Das war einige Stunden später, denn im Gefängnis gab es eine schöne Portion „Buffalo Bill’s Cowboy Pie“ und einen Pappbecher mit dampfendem Kaffee zum Abendessen.
Wild Cherry - Play That Funky Music. https://www.youtube.com/watch?v=xv94pcjGSBs

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