Dienstag, 7. September 2021

Die Revolution kommt von oben

 

Benjamin Krause betrachtete kurz das Haus und ging dann durch den gepflegten Vorgarten zur Haustür. Er klingelte.

Eine Frau öffnete und sah ihn misstrauisch an.

„Wir kaufen nichts.“

„Mein Name ist Krause und ich möchte ihnen nichts verkaufen“, sagte er und lüpfte den Hut. „Ich möchte Ihnen etwas schenken.“

Die Frau lachte.

„Ist das die neueste Vertretermasche?“

„Nein. Ich meine es ernst. Genauer gesagt schlage ich Ihnen einen Tausch vor. Sie geben mir einen alten Kugelschreiber und ich gebe Ihnen einen neuen, der Ihr Leben lang halten wird.“

Die Frau stutzte. Dann ging sie ins Haus zurück. Krause wartete.

„Funktioniert das auch mit drei Kugelschreibern?“ fragte sie, als sie wieder zurück war.

„Selbstverständlich.“

Er öffnete seinen Koffer, der voller silberfarbener Kugelschreiber war.

„Greifen Sie zu.“

Die Frau nahm drei Kugelschreiber heraus und gab ihm die drei leeren Kugelschreiber.

Krause bedankte sich und ging.

Am Spätnachmittag kam er zurück in die Zentrale. Er klopfte bei seinem Vorgesetzten an die Tür, der ihn in sein Büro bat. Otto Günzel war um die siebzig Jahre alt, sein schlohweißes Haar stand in alle Richtungen vom Kopf ab und die ledrige Haut hing schlaff von seinem ausdruckslosen Gesicht.

„Setzen Sie sich, Krause. Wie ist es gelaufen?“

„Sehr gut. Ich habe über zweihundert alte Kugelschreiber.“

„Phantastisch. Werfen Sie sie in den Mülleimer und holen Sie sich im Lager neue Kugelschreiber.“

„Gerne. Darf ich Sie etwas fragen?“

„Nur zu, junger Mann.“

„Wie verdient Ihre Firma eigentlich Geld? Wir tauschen teure Kugelschreiber gegen wertlosen Plunder ein. Es ist für mich kein Problem. Ich verdiene jetzt ein halbes Jahr auf diese Weise mein Geld. Aber was ist der Zweck dieses Geschäfts?“

Der alte Günzel lachte.

„Ich habe Millionen geerbt und dann Milliarden mit Aktien verdient. Microsoft, Google, Amazon, Tesla. Jetzt setze ich mein Geld ein, um einen Angriff auf den Kapitalismus zu starten. Mit der Kugelschreiberindustrie fange ich an. Ich verschenke Kugelschreiber, die man nicht mehr ersetzen muss. Das ist nachhaltig und klimafreundlich. Irgendwann habe ich diesen Industriezweig in die Knie gezwungen. Die Hersteller können keine Kugelschreiber mehr verkaufen, weil es keine Nachfrage mehr gibt. Dann mache ich weiter. Zahnbürsten, Handtücher, irgendwann Autos und Flugzeuge.“   

„Das könnte eine Weile dauern“, wandte Krause ein.

Günzel winkte ab.

„Nein. Ich habe schon im ganzen Land Filialen eröffnet. Wenn es sich erst einmal herumgesprochen hat, werden uns die Leute mit ihren Kugelschreibern die Bude einrennen. Und dann kommen sie mit den ganzen anderen Sachen, bei denen wir ein Tauschgeschäft anbieten. Weitere Milliardäre werden sich meiner Bewegung anschließen. Das ist meine Revolution. Ich schlage den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen: mit Waren.“

Krause fing noch am selben Abend an, Bewerbungen zu schreiben.

The Box Tops - The Letter (Upbeat 1967) - YouTube

 

1 Kommentar:

  1. Immer kommt NSDAP raus.
    Björn Höcke verzweifelt
    an Wahl-O-Mat.



    https://www.der-postillon.com/2021/09/immer-kommt-nsdap-raus-bjorn-hocke.html/amp?__twitter_impression=true

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