Montag, 21. September 2020

Worte gegen Waffen

 

Wie viele Rechtsradikale gibt es in Deutschland? Wie tief ist die rechte Gesinnung in dieser Gesellschaft verankert? Welche Gefahr geht von Demokratiefeinden, Rassisten und Nationalchauvinisten aus? Diese Fragen stellen wir uns seit vielen Jahren immer wieder. Dazu gibt es genügend empirisches Material. Aber wie viel rechtes Potential haben Polizei und Bundeswehr? Darüber wissen wir nichts. Darüber wird auch nicht geforscht.

Wir dürfen annehmen, dass es überdurchschnittlich viele Rechte zu den Waffen und zu den autoritär geprägten Organisationen zieht, in denen Befehl und Gehorsam unhinterfragte Werte darstellen. Ich kann mir keinen Polizeibeamten vorstellen, der zugleich in der Antifa aktiv ist. Linke und Linksradikale finden sich vielleicht im Bildungssektor oder den Medien, aber sicher nicht im KSK.

Die Politik ist in einem Dilemma. Schließlich sind es Polizei und Bundeswehr, die als Prätorianergarde im Zweifelsfall zwischen ihnen und der Bevölkerung stehen. Verärgert man nicht die Sicherheitskräfte, wenn man ihre Gesinnung untersucht und die Ergebnisse vielleicht auch noch öffentlich macht? Hieße es nicht, dem zu Soldat und Polizist geronnenen Gewaltmonopol des eigenen Staates zu misstrauen? Obwohl doch alle Angehörigen des Apparats einen Schwur auf die Verfassung geleistet haben?

Also gibt es keine offiziellen Forschungsprojekte. Es gibt nur eine öffentliche Debatte, die hilflos wirkt, denn den Machtlosen bleibt immer nur das Wort, während die Mächtigen Fakten schaffen. Mit Racial Profiling, mit unterschiedlichen Einsatzstrategien bei linken und rechten Demos, mit internem Druck auf Menschen, die gegen den rechten, autoritären Korpsgeist der Truppe verstoßen. An diesem Punkt kann die Politik durch Austausch von Führungspersonal wenig bewirken, denn die Organisation prägt bekanntlich den Einzelnen und nicht umgekehrt.

Wir werden auch weiterhin mit Nazis, Rassisten, Sexisten und Gewalttätern in Polizei und Bundeswehr leben müssen. Die Gesellschaft hat keinerlei Einfluss auf diese Organisationen. Uns bleibt die Hoffnung, dass die militanten Gruppen, die aus dem Sicherheitsapparat heraus einen Staatsstreich vorbereiten, weiterhin so dilettantisch vorgehen. Die Riege der 17 Innenminister, Seehofer und seine 16 Amigos aus den Ländern, alles alte weiße Männer mit lupenreinem arischen Stammbaum, werden uns jedenfalls weiter mit dem Narrativ vom Einzelfall abspeisen.

3 Kommentare:

  1. Hallo Herr Eberling, der letzte Satz unterscheidet sich in Inhalt und Ton schon sehr deutlich vom größten Teil des Textes, der ungewohnt direkt und ernst ist (aber wohl dem Problem angemessen).
    Sind Sie am Ende etwa aus Versehen in Ihren sonst etwas leichteren und fröhlicheren Duktus gerutscht, oder muss ich das als Stilmittel verstehen? Damit es hier nicht so heraussticht? Aber auch das kann nicht sein, ich bin formal eher an Twitter erinnert.
    Ihr hohes intellektuelles Niveau ist es, was mich seit Jahren jeden Tag wieder hierhin bringt, danke!
    Kay Radtke

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    1. Danke für Ihr Lob. Das hohe intellektuelle Niveau halte ich sicher nicht in jedem Text, aber ich bemühe mich. Der letzte Satz ist in der Tat von einem Foto inspiriert, das gerade auf Twitter kursiert. Seehofer & seine 16 kleinen Polizeiminister. Ich kann es nicht anders als ironisch kommentieren, daher der dezente Stilwechsel am Ende. Für Migranten, PoC, linke Aktivisten u.a. ist das Thema sicher zu ernst, um im lockeren Plauderton behandelt zu werden.

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  2. Vielen Dank für Ihre Antwort! Ach, Plauderton ist schon in Ordnung, denke ich. Das ist der Vorteil von Blogs für mich. Gehöre aber auch nicht unbedingt zu den Gruppen, die Sie nennen (außer der Zuordnung als 'links').
    Twitter selbst ist sicher alles andere als Plauderton; allein das Wort 'Narrativ' bringt mich ziemlich schnell auf die Palme ;-)

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