Freitag, 8. Mai 2020

Was geschah am 8. Mai 1945?


Den ganzen Tag denke ich mir: Reg dich nicht auf, es ist die Sache nicht wert, es ist so viel Dummheit und Niedertracht in der Welt, es hilft ja nix. Aber jetzt muss es doch raus.
Zunächst mal das Datum. Am 7. Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich gegenüber den Westalliierten, am 9. Mai gegenüber der Sowjetunion. Am 8. Mai war eigentlich gar nix. Daher feiern die Russen den Sieg über den Faschismus auch am 9. Mai und die Westalliierten haben noch ihren besonderen Erinnerungstag am 6. Juni: D-Day, Landung in der Normandie 1944.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker prägte in seiner Gedenkrede 1985 den Begriff „Tag der Befreiung“, der jetzt vom Berliner Senat für einen Sonderfeiertag in der Hauptstadt verwendet wurde. Es ist dieselbe Lebenslüge, mit denen die Österreicher seit Kriegsende hausieren gehen. Der Deutsche als Opfer, den man von den bösen Nazis befreien musste. Aber Nazis und Deutsche waren keine verschiedenen Gruppen. Sie waren identisch. Meine Vorfahren haben bis zum bitteren Ende für den Nationalsozialismus und seine Welteroberungspläne gekämpft. Die wenigen, die es nicht taten, wurden erschossen oder erhängt. Es gab keine deutsche Résistance, es gab keine deutschen Partisanen.
Keine Siegermacht sprach 1945 von Befreiung. Befreit wurde Europa von den Deutschen. Befreit wurden Lager- und Gefängnisinsassen, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Kein Deutscher sprach von Befreiung. Es war der totale Zusammenbruch des Dritten Reichs und als Besiegter wartete man ängstlich auf die Bestrafung, die im Anschluss recht milde ausfiel, wenn man an die deutschen Kriegsverbrechen und den Holocaust denkt. Aber mit dem Begriff der Befreiung können sich die Deutschen ein bisschen wie die Sieger fühlen, schließlich sind wir als treues und braves NATO- und EU-Mitglied längst rehabilitiert. Ein wenig rhetorisches Lametta an Gedenktagen und die Scheckbuchdiplomatie regeln den Rest. Wenn ich noch einmal „Heimat“ höre, ziehe ich den Revolver.

13 Kommentare:

  1. Wir, Schüler-/innen der 50-er und 60-er Jahre, haben die Berichte der Kriegsteilnehmer oft ähnlich wie Pfadfinderabenteuer erzählt bekommen. Später im Geschichtsunterricht blieben wir ungefähr beim Mittelalter hängen, die Lehrer waren meist noch Kriegsteilnehmer. Nun, mit über achtzig Jahren, haben sie z.T. Albträume, aber ihren Anteil an Massenmord und Kriegsgräuel gibt es nicht. Ich kann nicht verstehen, dass ich als politisch schon sehr früh interessierte Schülerin erst letzte Woche von einer katholischen Widerstandsgruppe aus Mayen hörte, von Jungen unter achtzehn Jahren gegründet(Hist. Museum Koblenz), fast achtzig Jahre zu spät. Viele Beispiele gibt es, sie wurden uns verheimlicht, und die Beteiligten mussten schweigen, wollten sie "vorwärts" kommen. Ich erinnere an den Verband der Verfolgten des Naziregimes, die als Verfassungsfeindliche Gruppierung gelistet waren. Nun nicht mehr, es sind ja auch fast alle Augenzeugen tot. Ich stimme dir heute in allem zu.

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    1. Ich hatte noch einen Religionslehrer (!), der uns erklärt hat, dass Hitler die Autobahnen gebaut hat. Die Landkarte im Erdkundeunterricht zeigte noch die alten Reichsgrenzen von 1937 ("z.Zt. unter polnischer bzw. sowjetischer Verwaltung").

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  2. Kapituliert hat nicht das Deutsche Reich, sondern die Wehrmacht. Das passierte am 8.Mai 1945 in Berlin-Karlshorst.

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    1. Die Kapitulation in Berlin wurde erst nach Mitternacht ratifiziert. Daher feiern die Russen den 9. Mai. Die Kapitulation mit den Westmächten wurde am 7. Mai noch vor Sonnenaufgang unterzeichnet, mit Wirkung 8. Mai.

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    2. Reims, 7.5.1945, zwischen 2:30 und 3 Uhr morgens. Berlin, 9.5.1945, 00:16 Uhr deutscher Zeit.

      Aber im postfaktischen Zeitalter zählt offenbar auch die Geschichtswissenschaft nicht mehr.

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  3. Und dann gab's vorher noch den 4. Mai bei Lüneburg, ich nehm ganz zufällig mal diese Website...

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  4. "Es gab keine deutsche Résistance, es gab keine deutschen Partisanen."

    Ja, es gab nur die Rote Kapelle (seit 1938). Muss man aber nicht wissen, waren ja nicht ausschließlich Akademiker, Adlige und Offiziere. Übrigens hatte die Résistance nach der Befreiung Frankreichs einen enormen Mitgliederzuwachs.

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    1. Rote Kapelle. Natürlich. 400 Mitglieder im gesamten Großdeutschen Reich. Das muss zur Ehrenrettung unserer heißgeliebten Nation reichen. Danke für die Info, Papa Schlumpf :o)

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    2. @ Oddevold

      "Rote Kapelle" ist eine Bezeichnung der Gestapo für den Widerstand. Könnte man wissen, wenn man sich für Geschichte interessiert.

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  5. In Einem geb ich Dir unbedingt recht:
    Wären Deine Vorfahren nur richtig bestraft worden!
    Dann wäre der Schreiber nicht da, der diesen obigen Schruutz verfasst hat. Hier ein bisschen Nachhilfeunterricht: https://www.lpb-bw.de/kriegsende

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    1. Wie bitte??? Meine Vorfahren war im Widerstand, ab 1933 sogar im Untergrund. Ich halte diese Tradition am Leben und widerstehe geregelter Arbeit und frischem Obst.

      Was ist "Schruutz"?

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  6. Ach ja, ganz vergessen: Revolver rausholen ! Denn "Unsre Heimat"
    https://youtu.be/sWPl94rpKrI

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    1. Bei Heimat habe ich jetzt nicht an die Natur gedacht, sondern an unsere Geschichte. Es ging im Text um Nationalsozialismus. Ist der Groschen wenigstens jetzt gefallen?

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