Montag, 10. Juli 2017

Schach mit lebenden Figuren – Hamburg revisited

„Civil disobedience is not our problem. Our problem is civil obedience.” (Howard Zinn)
Wann hat dieses Schachspiel mit lebenden Figuren begonnen? Lange vor unserer Geburt, so viel ist gewiss. Ich beschränke mich in der Analyse also auf die letzte Partie, die in Hamburg gespielt wurde.
Wie nennen wir die Spieler? „Das System“ vs. „Die Revolution“? „Oben“ gegen „Unten“? Weißes Haus meets schwarzen Block? Der Staat trifft auf seine Kritiker? Suchen Sie sich was aus. Da der Staat die Partie begonnen hat, hat er die weißen Figuren, passenderweise haben seine Gegner die schwarzen Figuren.
Weiß, Zug 1
Das große Jahrestreffen der mächtigsten Politiker der Welt findet in Hamburg statt. Bekanntlich sind Hamburg und Berlin die Heimat der Autonomen und aktionsorientierten Linken. In Hamburg wiederum ist St. Pauli der konkrete Ort der „Szene“ – dort sind auch die Messehallen, die für den G20-Gipfel genutzt werden sollen. Begründung: Man wolle näher am Volk sein. Gleichzeitig wird bekannt, dass man sich von einer Armee von 20.000 Polizisten – das Militär wartet im Hintergrund - vor diesem Volk zu schützen gedenkt. Eine Kontaktaufnahme mit gezogenem Revolver.
Schwarz, Zug 2
Es wird eine Demonstration mit dem Titel „Welcome to hell“ angemeldet. Auf der Homepage heißt es ganz klar „BLOCKIEREN – SABOTIEREN – DEMONTIEREN“. Demo heißt nicht nur Demonstration, sondern auch Demontage. Ganz offen wird ein „Aktionsbild“ publiziert, in dem es heißt: „sehen wir die internationale antikapitalistische Demonstration als Auftakt zur ‚heißen Phase‘ der direkten Aktionen und Blockaden gegen den G20-Gipfel.“
Weiß, Zug 3
Trotz dieser offenen Ankündigung der nächsten Züge reagiert Weiß nicht defensiv, sondern genehmigt die Demo. Als die Demo stattfindet, wird sie sofort und massiv von der Polizei angegriffen, obwohl sich der Demonstrationszug noch gar nicht in Bewegung gesetzt hat. Später heißt es, ein Betrunkener hätte eine leere Flasche geworfen. Nennen wir ihn Horst Gleiwitz.
Schwarz, Zug 4
Schwarz baut Barrikaden im eigenen Revier, dem Schanzenviertel, schmeißt Scheiben ein, legt Brände, zündet Autos an, plündert Geschäfte.
Weiß, Zug 5
Weiß reagiert über viele Stunden nicht auf die Straftaten, die unmittelbar vor ihm begangen werden. Erst als die Teilnehmer des G20-Gipfels sicher in ihren Hotelbetten sind, beginnt die Polizei, sich dem Schanzenviertel zuzuwenden.
Schwarz, Zug 6
Schwarz bereitet sich auf die Erstürmung des Schanzenviertels vor. Die Situation soll weiter eskalieren. Molotow-Cocktails und Gehwegplatten sollen von den Dächern auf die Polizisten regnen.
Weiß, Zug 7
Weiß nimmt das Angebot einer Eskalation an und schickt Spezialeinheiten mit automatischen Waffen zur Räumung des Viertels. Beide Seiten sind nun an einem Punkt angelangt, an dem man Tote in Kauf nimmt. Schwarz könnte von einem zweiten Benno Ohnesorg strategisch profitieren, Weiß könnte von einem toten Polizisten strategisch profitieren.
Schwarz, Zug 8
Schwarz gibt auf. Weiß wird den Sieg in den kommenden Tagen medial nutzen. Sozialdemokratische, grüne und linke Politiker und linke Aktivisten – vom Hamburger Bürgermeister bis zur Antifa – werden öffentlich angegriffen. Es werden „schärfere“ Gesetze und „härtere“ Urteile der Justiz gefordert. Der Bevölkerung wird klar gemacht, wer die Beschützer und wer die Feinde der Gesellschaft, des Eigentums und der Freiheit sind.
Fazit: Der Staat braucht die Gewalttäter und Hooligans ebenso wie den Terrorismus, um sich zu legitimieren. Welcome to paradise.
Procol Harum - A Whiter Shade Of Pale. https://www.youtube.com/watch?v=Mb3iPP-tHdA

5 Kommentare:

  1. Aus: "Repression und Opportunismus":
    https://www.youtube.com/watch?v=wgFHcOockFI
    hahaha....

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    1. Der Typ ist wirklich herrlich blöd. Weil natürlich alles gleich ganz anders wird, wenn ich Dieter Bohlen die Mülltonne anzünde.

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  2. Sagten nicht Sie, man solle sich doch in Zukunft auf einem Flugzeugträger treffen?
    Oder hörte ich das am Stammtisch. Womit bewiesen wäre, daß am Stammtisch nicht nur Scheiß verzapft wird.
    Das wird aber nicht passieren, will man doch geradezu diese Konfrontation, diese Machtausübung. hier sind Wir, hier lassen Wir uns nicht vertreiben.
    Das hier ist unser Land/Stadt. Sowie auch "unser" Volk.
    Heil !!!!!!!!!!!!!

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    1. Nein, das mit dem Flugzeugträger hat vermutlich die Marine vorgeschlagen.

      Die Hamburger Messehallen, der G20-Veranstaltungsort, ist nur gut 100 Meter vom Schanzenviertel entfernt. Es ist so, als ob man die Reklame-Show der Regierungen auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg abhalten würde.

      Warum kamen die Amerikaner gleich mit einer 900 Mann starken Delegation, die Chinesen hatten sogar noch mehr Leute am Start? Wenn ich die Veranstaltung klein halte, gibt es auch eine viel größere Zahl möglicher Veranstaltungsorte.

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  3. Die wollten halt alle mal in einer lebendigen, europäischen, schönen Stadt einen drauf machen.
    Mal so richtig auf die Kacke hauen. Waren dann aber doch etwas überfordert.
    St. Pauli war dann doch etwas zu lebendig.

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