Samstag, 19. März 2011

Der Mauerpark als Stummfilm


Manchmal schalte ich beim Fernsehen den Ton aus, denn oft wirkt die Sendung ohne Stimmen, Geräusche und Hintergrundmusik ganz anders. Eine sehr aufschlussreiche Erfahrung, weil unsere Aufmerksamkeit auf Mimik, Gestik oder den Abendhimmel über einer fernen Stadt gelenkt wird. Auch wenn man sich mit Berliner Lokalpolitik befasst, hilft es durchaus, wenn man gelegentlich mal den Ton abstellt und sich darauf konzentriert, was tatsächlich passiert. Schnell wird man feststellen, dass in Berlin sehr viel und vor allem sehr aufgeregt geredet wird. Es geht um das Grundsätzliche, das Große, das Epochale, kurz: es geht um alles - auch wenn es nur um die Schließung eines Postamts geht.


Der Mauerpark ist das beste Beispiel. Gerade haben sich die Stadtindianer, das linksalternativ angehauchte Prärievolk aus dem Prenzlauer Berg, mit der US-Kavallerie unter dem Befehl von General Gothe eine wortreiche und langwierige Redeschlacht in Sachen Bebauung oder nicht geliefert. Nun sind alle Beteiligten erschöpft. Die Vivico hat sich enttäuscht und schmollend in ihr Fort zurückgezogen und beklagt die entstandenen schmerzlichen Verluste (400.000 Ocken, die dem Konzern beim nächsten Jahresgewinn fehlen werden - die Bebauungskritiker sollten sich schämen!). Ein müder und kraftloser Baustadtrat verschiebt die Entscheidung auf das nächste Jahr. Die Bürgerinitiativen, geteilt in verschiedene Stämme mit unterschiedlichen Sitten und Gebräuchen, wirken nach der Auseinandersetzung geradezu konsenssüchtig und wollen sich alle wieder lieb haben. Nach dem Schlachtgetümmel ist überall Ernüchterung eingetreten. Sieger und Verlierer sind nicht auszumachen, nachdem sich der Pulverdampf gelegt hat.


Lassen wir doch den Mauerpark mal als Stummfilm an uns vorüber ziehen. Letztes Jahr um diese Zeit sah er genauso aus wie jetzt. Vorletztes Jahr sah er aus wie letztes Jahr und nächstes Jahr um diese Zeit wird er wieder so aussehen: Flohmarkt und Karaoke, Basketball und Sonnenbad, Mauersegler und Radfahrer. Es ändert sich viel weniger als man denkt. So ist Berlin. Und die Beispiele für diese von lärmender Rhetorik begleitete Lahmarschigkeit sind zahlreich: Bahnhofsviertel in Mitte nicht fertig, Flughafen auch zwanzig Jahre nach der Einheit noch auf Provinzniveau, der Schlossplatz auf der Museumsinsel eine Wiese. Und das ist nur der Bereich Stadtentwicklung. Aber mit seiner großen Schnauze ist der typische Berliner, geblendet vom Glanz seiner angeblichen Wichtigkeit, mindestens auf Weltniveau.


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