Montag, 17. April 2017

In Bed With Andy Bonetti

„Breit und träge wie ein Fluss, der in der Sonne schimmert, lag er auf dem Sofa und döste.“ (Johnny Malta: Ein Tag mit Andy Bonetti)
Da ich demnächst von einem publizistischen Hochkaräter befragt werde, hier eine kleine Übungseinheit in Sachen Interview.
***
Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen?
Erste kleine Berichte und Notizen setzen im Jahr 1975 ein, ab Januar 1977 habe ich täglich geschrieben, 1978 hatte ich die erste Kurzgeschichte in der Schülerzeitung. Da war ich zwölf Jahre alt.
Welche Autoren haben Sie beeinflusst?
Das waren anfangs Astrid Lindgren, Enid Blyton und Jules Verne. Starken Einfluss hatte das Mad-Magazin. Ich lernte, alles nicht mehr ernst zu nehmen. Don Martin lehrte mich, mich von der Frage nach irgendeinem Sinn zu lösen. Später kam „Titanic“ und die Neue Frankfurter Schule, die mich stark geprägt hat. Es folgten Franz Kafka und Eckhard Henscheid.
Vermissen Sie selbst den Ernst in Ihrer Arbeit?
Wäre ich ernst geblieben, hätte ich längst den Literaturnobelpreis. Wenn ich tiefsinnige Geschichten mit geheimnisvollen Figuren entwickelt hätte, wäre ich jetzt reich und berühmt. Aber ich habe diesen unseligen Hang zu Ironie und völligem Blödsinn, dem ich hemmungs- und schamlos nachgebe. Eigentlich verachte ich den Nobelpreis, weil ihn so viele Idioten bekommen haben, die als Schriftsteller weit unter mir stehen wie beispielsweise Günter Grass. Aber die fette Kohle hätte ich natürlich gerne gehabt, weil ich damit standesgemäß leben könnte.
Leben Sie nicht so, wie es Ihnen zustünde?
Sehen Sie, wenn ich in Sils bin, wo sich alle Künstler treffen, habe ich immer das billigste Hotelzimmer. Schwachköpfe wie Jonathan Meese, ein nichtsnutziger Schmierfink, oder Donna Leon, eine drittklassige Krimiautorin, residieren im Waldhaus, im ersten Haus am Platz. Ich wohne immer im letzten Haus am Platz. Ich treffe diese Versager dann auf der Chasté oder am Seeufer und ärgere mich. Eigentlich müsste ich aufgrund meiner Fähigkeiten im Waldhaus residieren und nicht sie.
Arbeiten Sie viel?
Ich arbeite jeden Tag, an sieben Tagen die Woche. Ich lese und ich schreibe. Ein ganz normales Arbeitsleben, so wie ein Datenschützer oder eine Bürolampendesignerin jeden Tag arbeiten. Mal arbeite ich viel, mal wenig. Im letzten Jahr lag der Rekord bei 320 Seiten, die ich an einem Tag gelesen habe. Aber es gibt auch Tage, an denen ich unterwegs bin. Dann lese ich gar nichts. Ich schreibe bis zu drei Seiten am Tag. Früher, als ich noch an Romanen oder Sachbüchern geschrieben habe, waren es bis zu zehn Seiten. Aber heute schreibe ich nur noch nach dem Lustprinzip. Das heißt: Wenn ich keine Lust mehr habe, höre ich auf. Das ist der Vorteil, wenn man völlig frei ist und ohne Termindruck oder Vorgesetzte schreibt. Dennoch schreibe ich inzwischen mehr als früher. Als lohnabhängiger Schreiberling habe ich etwa 200 Seiten im Jahr geschrieben, jetzt sind es regelmäßig über 400 Seiten.
Wie wichtig ist Ihnen das Publikum?
Ich erwarte bedingungslose Verehrung und Hingabe von meinen Lesern. Kritik ist für mich ein Zeichen mangelnder Literaturkenntnis. In diesem Jahr hatte ich bis zu 2500 Leser am Tag im Blog. Von meinen beiden E-Books, die vor kurzem herauskamen, habe ich insgesamt nur vier Exemplare verkauft. Amazon hat mir 11,50 € überwiesen und das empfinde ich als Beleidigung. Davon kann ich mir gerade mal eine Pizza und ein Bier kaufen. Das Publikum hat also in letzter Zeit jegliche Bedeutung für mich verloren. Richtig gute Texte behalte ich daher für mich und veröffentliche sie nicht mehr online. Das hat dieses undankbare und geizige Pack nicht verdient.
Möchten sie zum Abschluss des Gesprächs noch jemanden grüßen?
Nein. Alle Menschen, die literarisch von Bedeutung sind, leben nicht mehr.
Haben Sie in diesem Interview eine Frage vermisst?
Ja, sogar zwei: "Woher haben Sie all die genialen Ideen?" und "Warum hat es jemand, der so verflucht gut aussieht wie Sie, noch nötig, Texte zu schreiben?"
Talking Heads - Once In A Lifetime. https://www.youtube.com/watch?v=I1wg1DNHbNU

5 Kommentare:

  1. Das MAD Magazin. Grandios. Sehen Sie mich begeistert. Ich habe als jugendlicher die Magazine gesammelt, damals, als noch Herbert Feuerstein der Redakteur war. Ich besitze auch noch die komplette Reihe an MAD Taschenbücher. Sowie das MAD Brettspiel und das Kartenspiel. Eine großartige Zeitschrift. Don Martin. Dave Berg. Sergio Aragones. Meister ihres Fachs.

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    1. Ich habe es geschafft, einen Leserbrief ins Magazin zu bringen. Bis heute meine publizistische Meisterleistung.

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    2. Ich hatte sogar mal einen Beitrag drin. Gab 50 Mark dafür, glaube ich.

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    3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Meine Herren, sehen Sie mich begeistert und beeindruckt.

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