Montag, 31. Dezember 2018

Der letzte Traum des Jahres

Gibt es etwas Schöneres, als von Literatur zu träumen? Ja. Es ist der Traum, im Mittelpunkt eines handfesten Literaturskandals zu stehen. Mir ist es in der vergangenen Nacht gelungen.
Ich bin, zusammen mit etwa zehn anderen Kolleginnen und Kollegen, auf Einladung eines Brüderpaars in einer fremden Kleinstadt. Die beiden Brüder, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe, haben einen kleinen Literaturverlag. Vielleicht ist es eine Weihnachtsfeier, vielleicht ein Jubiläum. Jedenfalls sind wir in einem Gasthaus versammelt. Weite Teile des Traums handeln vom Verzehr und vom Trinkgenuss. Es gibt verschiedene Biere vom Fass, Schnäpse, Schweinebraten und Würste – kurz, alle Dinge, auf die ich wegen meiner Gicht verzichten muss und die genau darum umso hartnäckiger in meinen Träumen auftauchen.
In unserer Runde ist auch ein russischer Dissident, ein Regimekrititker, der eine regimekritische Veröffentlichung im Verlag der Brüder plant. Am späten Abend, ich bin bereits satt und müde, bekommen wir mitgeteilt, dass der russische Geheimdienst Agenten in diesem Lokal hatte. Es sind Fotos, unter anderem auch von mir, im Netz oder sonstwo aufgetaucht. Auch habe man einen Mann beobachtet, der mich gezeichnet hätte. Ich kann mich an den blassen, glatzköpfigen Mittvierziger erinnern, der immer zu mir hinübergeschaut hat. Ich hatte gedacht, er schriebe etwas auf. Schließlich waren ja Literaten anwesend.
Der russische Dissident wird ab jetzt von riesigen ukrainischen Muskelmännern beschützt, die mit ihm in einem schwarzen SUV davonfahren. Ich stelle mir vor, wie ich die Geschichte zu Papier bringe und sie mindestens der ZEIT, vielleicht auch dem New Yorker oder so anbiete und damit schlagartig weltberühmt werde, weil in der Kleinverlagsszene schließlich nur selten etwas Aufregendes passiert.

Freitag, 28. Dezember 2018

Armut mal anders gedacht

Kinder, was war der Kapitalismus noch schön in meiner Kindheit. Nehmen wir nur mal den Versicherungsvertreter. Das war ein lustiger Geselle mit einer ordentlichen Portion Pomade im Haar, einer, der Geschichten erzählen konnte und den jeder mochte. Der Cousin meines Vaters. Wenn er sonntags zu Besuch kam, wurde Kaffee gekocht und Kuchen aufgetischt. Ich mochte ihn sehr, so witzig und beliebt wollte ich auch mal sein, wenn ich erwachsen war. Selbst habe ich ja kaum geredet als Kind, aber ich habe immer gerne zugehört. Er sah aus wie die Leute in den Nachkriegsfilmen. Solche Gesichter gibt es heute gar nicht mehr. Irgendwann nach der zweiten Tasse Kaffee hat er dann mal die Unterlagen aus seiner Aktenmappe geholt. Ob noch alles in Ordnung ist. Er hat uns nie neue Versicherungen aufgeschwatzt. Gelegentlich hat mein Opa umständlich etwas unterschrieben. Ich habe ihn sonst niemals schreiben sehen. War nicht sein Ding. Grubenarbeiter, später Maurer. Damals war dieser Mann für die Versicherungen in einigen Dörfern zuständig, aber es ging noch nicht um Abzocke. Man kannte sich. Hätte er jemand übers Ohr gehauen, hätte er sich nirgendwo mehr blicken lassen können. Heute würde ich keinen Versicherungsfritzen mehr ins Haus lassen. Aber es kommt ja sowieso niemand mehr. Typen wie er sind ausgestorben. Geht alles nur noch übers Netz. Kohle für irgendeinen anonymen Konzernboss in einer Steueroase, Vertrauen Fehlanzeige. Ich kann die Sentimentalität der Menschen heutzutage gut verstehen. Wir sind heute in gewisser Hinsicht reicher und ärmer zugleich.

Samstag, 15. Dezember 2018

Der feine Unterschied

Sie sind ein muslimischer Ex-Knacki und schießen ein paar Leute über den Haufen. Vorher rufen Sie „Allahu akbar“. Sofort kennt alle Welt Ihren Namen und Ihren Lebenslauf. ARD-Brennpunkt + AfD mit Schaum vor dem ungewaschenen Maul. Staatschefs legen Blumen nieder, ganze Völker sind traumatisiert. Im Umkreis von tausend Kilometern haben alle Besucher der Weihnachtsmärkte die Hosen voll, wenn sie sich den ersten Glühwein einpfeifen. Lustlos bekennt sich der IS erst Tage später zur Tat.
Sie sind ein österreichischer Graf und schießen ein paar Leute über den Haufen. Für diese Meldung interessiert sich bestenfalls die Rinnsteinpresse. Kann passieren, ist ja auch irgendwie menschlich so kurz vor Weihnachten. Wir sind doch alle im Stress.
Graf Tono Goess, der als höflich und hilfsbereit bekannt ist, erschießt stilgerecht im Schloss der Familie seinen 92jährigen Vater. Weil er von ihm seit der Kindheit gegängelt wurde. Und vermutlich weil er ihm den bescheuerten Vornamen zu verdanken hat. Warum wartet er, bis der Alte 92 ist?
Dann erschießt er seinen kleinen Bruder. Es geht um die Erbschaft, also um viel Geld.
Anschließend muss die böse Stiefmutter namens Margherita dran glauben.
Sie liegt jetzt in einem Kühlfach des Leichenhauses und ist – Achtung! – eine
FROZEN MARGHERITA
https://www.youtube.com/watch?v=1vfSk-6tIvo

Freitag, 14. Dezember 2018

Steine, Spuren

Am 24. November wurden vor dem Haus, in dem ich in Berlin wohne, sechzehn „Stolpersteine“ verlegt. Seit 1992 verlegt Gunter Demnig diese Betonwürfel, die auf einer Messingplatte die Namen der Opfer des NS-Terrors tragen. Etwa 70.000 gibt es in ganz Deutschland und in anderen europäischen Ländern.
Sechzehn Menschen in diesem Haus. Vierzehn wurden ermordet, ein Ehepaar konnte 1939 noch über Genua nach Shanghai fliehen. Zu diesem Ehepaar habe ich im Anhang die Biographien angefügt, sie waren damals bekannte Musiker. Deswegen kamen zu der Zeremonie, bei der etwa dreißig Leute anwesend waren, auch der Direktor der nahen Musikhochschule und eine Geigerin, die einige klassische Stücke spielte.
Der Künstler hat leider kein einziges Wort gesagt. Er kam wie ein Handwerker, verlegte die Steine und fuhr vor Ablauf der Zeremonie wieder davon. Ein engagierter Bewohner unseres Hauses, der die Verlegung der Stolpersteine initiiert hatte, hielt eine Rede und stellte uns die einzelnen ehemaligen Bewohner unseres Hauses vor.
Besonders perfide war ein Briefwechsel, den er recherchieren konnte. Eine Versicherungsgesellschaft schrieb mehrfach an die Gestapo und fragte, ob die Versicherungskunden schon verstorben seien, damit man die fällige Lebensversicherung an die Reichskasse auszahlen könne. Das Wissen über den Holocaust war also weiter verbreitet als mancher vermutet. Die Geldgier der Nazis war ein weiterer Grund für die Ermordung vieler Juden und anderer Opfer.
Leider waren einzelne Mitglieder unserer Eigentümergemeinschaft dagegen, die Kosten von 120 Euro pro Stein aus der Gemeinschaftskasse zu bezahlen, aber es fanden sich Paten für alle sechzehn Steine. Während der Zeremonie legte eine Passantin spontan den ersten kleinen Stein auf einen der Namen. Der einzige jüdische Bewohner des Hauses konnte nicht anwesend sein, da er aus beruflichen Gründen in Asien unterwegs war. Allein in Wilmersdorf gab es 13.200 Opfer des Nazi-Regimes.
Mein herzlicher Dank geht an alle, die sich für das Gedenken an den Holocaust engagiert haben.
Henry Margolinski: https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002053
Irene Margolinski: https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00005297

Sonntag, 9. Dezember 2018

Berlin, wie es einmal war

Was waren das für schöne Zeiten, als ich 1991 nach Kreuzberg gezogen bin. Die Straßen waren sauber, die Bürgersteige nicht minder, und die Menschen konnten einander vertrauen.
Dennoch begab es sich zu dieser Zeit, dass mein Fahrrad gestohlen wurde. Ich ging also zur nächsten Polizeiwache und meldete die Straftat. Der zuständige Beamte war entsetzt, als er von dem Diebstahl hörte, und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann sah er mir tief in die Augen und drückte mich fest an seine uniformierte Brust.
Sofort nahm er eine Beschreibung zu Protokoll und faxte sie an sämtliche Berliner Dienststellen. Die Mannschaftswagen rückten mit Blaulicht aus und alsbald durchkämmte eine Hundertschaft den Wrangelkiez. Fernbahnhöfe, Flughäfen und der Autobahnring wurden überwacht, Hubschrauber kreisten über der Stadt und sicherheitshalber wurde die Grenze zu Polen geschlossen. Radio- und Fernsehsender unterbrachen das laufende Programm für Sondersendungen.
Und heute? Der Beamte fragt Sie höchstens, was Sie bei der Polizei verloren haben, und erklärt Ihnen, dass Sie das Fahrrad für hundert Euro am Maybachufer zurück kaufen können.
Queen - Bicycle Race. https://www.youtube.com/watch?v=GugsCdLHm-Q

Mittwoch, 14. November 2018

Kapitalismus und Rassismus, Episode 624

War die erste Weltausstellung, die 1851 im Londoner Crystal Palace stattfand, noch eine reine Leistungsschau der industriellen Bourgeoisie, bei der es für die Arbeiterschaft spezielle Führungen und ermäßigten Eintritt gab, um sie von den Errungenschaften des Fortschritts zu überzeugen, wurden ab der Weltausstellung 1867 in Paris ebenso die Errungenschaften des Imperialismus und des Kolonialismus präsentiert. Es gab Pavillons, in denen Menschen aus nicht-europäischen Ländern zu besichtigen waren. 1893 wurden in Chicago alle „Rassen“ nach ihrer „Fortschrittlichkeit“ geordnet vorgestellt. Es gab zum Beispiel ein „Schweizerdorf“ und ein „Negerdorf“. In St. Louis wurde 1904 ein komplettes philippinisches Dorf auf zwanzig Hektar aufgebaut, das von 1200 Darstellern bewohnt war. Im Rahmen dieser Weltausstellung fanden auch die Olympischen Sommerspiele statt, an denen allerdings nur Weiße teilnehmen durften. Für die Angehörigen der „wilden und primitiven Stämme“ wurden gesonderte „Anthropologischen Spiele“ organisiert, in denen sie zur Belustigung des weißen Publikums gegeneinander antraten.

Dienstag, 13. November 2018

Ihre Bonetti-Mediathek empfiehlt: Ein Unding der Liebe

"Lass mich einschläfern und bestell die Müllabfuhr!"
Vor dreißig Jahren wurde der sehr empfehlenswerte Roman "Ein Unding der Liebe" von Ludwig Fels fürs Fernsehen verfilmt. Genau das Richtige für einen Novemberabend, zieht einen extrem runter, ist aber der Hammer. Hier die Links für drei Stunden mit meinem Lieblings-Underdog der Achtziger:
https://www.youtube.com/watch?v=FDnQ3auQVKU
https://www.youtube.com/watch?v=hUjsb_XI_0U
P:S.: Leider ist die Bildqualität prähistorisch.

Samstag, 27. Oktober 2018

Am „Info-Stand“

Ein Sonnenschirm, ein Tisch mit Prospekten, junge Leute. Gabor Knöll geht vorbei und wird angesprochen.
„Mögen Sie Tiere?“
„Machen wir es kurz. Sie interessieren sich nicht für meine Meinung, Sie wollen Geld.“
„Wir sind Tierschützer. Die gequälten Kreaturen sind dringend auf Ihre Hilfe angewiesen.“
„Ich bin arbeitslos. Wissen Sie, wie viel Geld ich im Monat zur Verfügung habe?“
„Schon ein Euro würde helfen.“
„Sie hören mir gar nicht zu. Ich würde gerne mal wieder ins Kino gehen. Können Sie mir nicht etwas Geld geben?“
„Was?“
„Ich sehe schon, ich verschwende Ihre Zeit.“
Knöll geht weiter, der junge Mann mit Vollbart spricht den nächsten Passanten an.

Dienstag, 9. Oktober 2018

Und täglich grüßt das Hakenkreuz

Neulich habe ich in den uferlosen Weiten meiner Bibliothek nach neuem Lesestoff gestöbert und bin auf ein Buch gestoßen, das ich mir vor einem Vierteljahrhundert angeschafft habe: „Un-Heil über Deutschland – Fremdenhass und Neofaschismus nach der Wiedervereinigung“. Ein STERN-Buch mit Beiträgen diverser Autoren. Nach der Lektüre ist mir klar geworden, dass sich eigentlich seit meiner Zeit als Student nix geändert hat. Gar nix.

Die Ausgangslage
1992 wurden 17 Menschen von Rechtsextremisten ermordet. Es gab hunderte Verletzte, 701 Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylantenheime und Häuser von Migranten. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl rechter Gewalttaten um 54 Prozent. Jeder kennt noch die Namen der Orte: Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Hoyerswerda, Hünxe. Westdeutschland, Ostdeutschland. Überall lodert der rechtsradikale Hass.
„Bonn war nicht Weimar, aber die ehemalige DDR ist dabei, es zu werden, mit allen Voraussetzungen, die dazu gehören: Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen, soziale Deklassierung von Millionen, Gefühl der Erniedrigung, Verlust der Identität, desolate Zukunftsaussichten. (…) Der Hass sucht sein Ventil und findet es beim Asylantenproblem.“ (S.10)

Politische Folgen
Die Politik reagiert. Nicht mit der Bekämpfung rechtsradikaler Ideen und Organisationen, sondern mit Verständnis für den besorgten Bürger. Schließlich lenkt der Hass die Menschen von den eigentlichen Ursachen für Massenarbeitslosigkeit und Zukunftsangst ab. „Es ist billig und bequem, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem neonazistischen Terror und dem Asylantenproblem. So wie es nach dem letzten Krieg populär war, einen Zusammenhang herzustellen zwischen Versailles und Auschwitz.“ (S. 9)
Ende 1992 wird das Asylrecht drastisch eingeschränkt. „Was war geschehen? 438.191 Flüchtlinge haben 1992 in Deutschland Asyl beantragt. Ein Grund, dass in einem der reichsten Länder der Welt Hysterie ausbricht? Dass Politiker aller Parteien monatelang kaum noch ein anderes Thema kennen als die ‚Asylantenflut‘ und den ‚Asylmissbrauch‘?“ (S. 200)
Die Grenzen werden dichtgemacht. „An der deutschen Ostgrenze drohen Zustände wie an jener berüchtigten Grenze zwischen reicher und armer Welt: zwischen den USA und Mexiko.“ (S. 208)
Schließlich könnten die wütenden Wähler zu den rechten Parteien überlaufen. „Der SPD-Politiker Gerhard Schröder beschreibt den Mechanismus für seine Partei so: ‚An den Stammtischen rumort es, und die oberste Heeresleitung will das Thema wegbekommen. Von daher gibt es da einen Zusammenhang.‘ Allerdings haben die Politiker durch ihre jahrelange Asyl-Rhetorik den Ausländerhass selbst geschürt.“ (S. 210)

Rechtsextremistische Wahlerfolge
Asylanten klauen wie die Raben und haben alle ein Messer dabei. Was jeder weiß, muss niemand gesehen haben. Muslime werden sich nie „integrieren“, also werden wie wir Deutsche, und produzieren immer neue Kopftuchmädchen. Wer diese Meinung teilt, findet im Parteienspektrum ein vielfältiges Angebot. Für echte Nazis die NPD, für Nazis light die Republikaner und die DVU.
Die Republikaner ziehen 1992 mit 10,9 Prozent in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Sie blieben bis 2001. In den Bundestag wurden sie nicht gewählt, hatten durch Parteiübertritte von CSU- und CDU-Abgeordneten aber drei Vertreter im Parlament. Hochburg in Ostdeutschland war Chemnitz, aus den dortigen Republikanern im Stadtrat ging die Bewegung „Pro Chemnitz“ hervor, die wiederum gute Verbindungen zur NPD Sachsen pflegt.
Die DVU wird 1991 in die Bremer Bürgerschaft gewählt (6,2 Prozent). 1992 kommt die Partei in den Landtag von Schleswig-Holstein (6,3 Prozent), 1998 in den Landtag von Sachsen-Anhalt (12,9 Prozent) und 1999 in den Landtag von Brandenburg (5,3 Prozent), wo 2004 der erneute Einzug ins Parlament gelingt (6,1 Prozent). 2011 folgt die Fusion mit der NPD zu „NPD – die Volksunion“.

Wirtschaft und Gesellschaft
Gott schütze unsere Exportindustrie. Die Gier ist mächtiger als der Hass, für die Leitkultur wird der Profit nicht geopfert. Hans-Peter Stihl, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, erklärt: „In Deutschland hängen Millionen Arbeitsplätze vom Verkauf unserer Waren und Dienstleistungen ans Ausland ab (…). Wir brauchen ein positives Bild im Ausland.“ (S. 183) Der BDI-Präsident Tyll Necker ergänzt: „Die Ausländerfeindlichkeit macht uns hässlich und unsere Produkte schwer verkäuflich.“ (S. 186).
Liebe Nazis, liebe Politiker! Bitte lenkt die Bevölkerung von den eigentlichen Problemen ab, aber übertreibt es nicht. Kommt nur mir diese Schallplatte bekannt vor? Helmut Kohl hat es begriffen: „Die Wertigkeit eines Menschenlebens hängt in Deutschland nicht unwesentlich davon ab, ob der Mensch Steuern und Rentenbeiträge zahlt. Nach den Morden an Türkinnen in Mölln wird Kanzler Kohl nicht müde, die wirtschaftliche Bedeutung der ausländischen Arbeitnehmer zu unterstreichen.“ (S. 209)
Die Bevölkerung reagiert mit Lichterketten. Es gab noch kein Internet und damit auch keine Online-Petitionen, aber wir hatten damals wenigstens Kerzen. Über eine Million Menschen demonstrieren im Dezember 1992 in München, Berlin, Essen und Hamburg, dazu viele hunderttausend Menschen in anderen Städten. Die böse taz schreibt von einer „Betroffenheitsgala“, von „versammelten Spätzündern“ und „Wunderkerzenhaltern“. (S. 163)

Fazit
Genutzt hat es bekanntlich nichts. Mit dem NSU ging es weiter. Inzwischen haben sich die Nazis mit der AfD einen erfolgreichen parlamentarischen Arm geschaffen. Rechtsradikale Gewalt, rechtsradikale Umzüge gehören längst zu unserem Alltag. Fortsetzung folgt.
„Der Neonazismus muss als Neonazismus bekämpft werden und nicht als Folge von irgendetwas. (…) Wir dürfen der Konfrontation nicht mehr ausweichen. Die Weimarer Republik ist weniger an den Schlägerkolonnen der NSDAP zugrunde gegangen als an der Komplizenschaft der Konservativen mit Hitler und der Hilfslosigkeit der Demokraten.“ (S. 11).
Diese Sätze haben auch nach 25 Jahren nichts an ihrer Aktualität verloren.

Freitag, 5. Oktober 2018

Literaturnobelpreis 2018




Vielen Dank, hochgeschätztes Nobelpreiskomitee. Herzlichen Dank, liebe Fans. Ich weiß, dass Ihr immer an mich geglaubt habt.

Dienstag, 2. Oktober 2018

Rocky

„Ick hab den Rocky ja schon jekannt, da war er noch so kleen“. Bonettis Hand schwebt auf Tischhhöhe. „Der war praktisch jané vorhanden, so kleen war der. Hatte aber schon ne jroße Schnauze. Hat jewusst, wat er wollte, wa. Hier im Kiez hatta die Pasta jeliefert. Immer morjens inn Briefkasten. Später ooch die Pizza. Kannte der jannüscht. Immer anjepackt, vastehste? Alsa jroß wurde, ha’ck ihm paar Tricks beijebracht. Linker Haken, rechte Jrade, wa. Dit janze Repertoar. Un imma schön in Bewejung bleiben. Nüsch irjendeene Trefferfläsche anbieten, wa. Dit hat der Kleene ooch kapiert. Dann hatta ja rüschtisch Karrijere jemacht. War üm Fernsehn unn so. Kam janz jroß raus. Ha’ ick mir allet anjekieckt. Jibt’s janüscht. Wa supa jewesn. Aba dann die krummn Dinga. Kohle wech, Hartz fia. Weeste, ey! Unn jetze? Jetze hammse den Rocky mim Smart dodjefahrn. Mim Smart. Lach ick mir doch een Ast. Wie kann det sein? Den Rocky mim Smart dodjefahrn? Aba so isset jewesen, so stehtet ünne Bild, wa. Ick kannet no jané rüschte fassen, dit janze. Rocky, wa. Der war doch aus meem Kiez.“

Freitag, 28. September 2018

Die schlechte Nachricht

Am 18. September bin ich in den Himmel gekommen und sicher war niemand mehr darüber verwundert als ich selbst. Nachdem ich die Todesanzeige in unserem Amtsblatt mehrere Male gelesen hatte, um jeden Irrtum auszuschließen, begab ich mich unverzüglich zu unserem Dorfbürgermeister.
Der winzige alte Mann, der die Herrschaft in unserem Dorf repräsentiert, seit ich denken kann, öffnete mir bereitwillig die Tür und bat mich in seine Amtsstube, die freilich nichts weiter war als die Wohnküche seiner windschiefen Behausung, in der ein dicker Kater auf der Ofenbank döste.
Schulz, so hieß der Mann, räumte einen Stapel Zeitungen beiseite und bot mir einen Platz an seinem Tisch an. Dann erzählte ich meine Geschichte und er hörte mir geduldig zu. Es müsse sich, so führte ich aus, doch ganz offensichtlich um einen Fehler der Verwaltung handeln. Ich fragte ihn, ob er in meiner Sache im Amt der Kreisstadt vorstellig werden könne.
Er schüttelte nur den Kopf. Nein, sagte er, da könne man leider gar nichts mehr machen. Er könne gegen eine übergeordnete Behörde nichts unternehmen, die gerade in den wichtigen Fragen von Leben und Tod keinen Widerspruch dulde. Weder gegen das Geborenwerden noch gegen das Sterben sei der Einspruch eines Betroffenen möglich. Das müsse ich doch verstehen.
Und so fügte ich mich in mein Schicksal.

Donnerstag, 27. September 2018

Meanwhile in Ingelheim: Kifferplage wie zu meinen besten Zeiten

"MAINZ - Da staunt die Polizei nicht schlecht: Im wahrsten Sinne des Wortes auf der Überholspur unterwegs ist ein Skateboarder am frühen Donnerstagmorgen auf der A60. Ein Autofahrer ruft in der Nacht die Polizei, als er den Skateboarder gegen 1.30 Uhr auf der Autobahn in Richtung Darmstadt entdeckt. Die Autobahnpolizei Heidesheim holt den 23-Jährigen von der Straße, als er gerade auf der Überholspur zwischen Ingelheim-West und -Ost unterwegs ist – hier gilt übrigens die Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern.
Der junge Mann ist laut Polizei betrunken, steht unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln und soll geistig abwesend gewirkt haben. Außerdem habe er sich gegen die Beamten gewehrt und sie beleidigt. Er sei auf dem Weg von Bingen nach Wiesbaden, erzählt der Skateboarder den Beamten. Die Autobahn sei der kürzeste Weg, wo um diese Uhrzeit kein Zug mehr fahre. Die Beamten nehmen den jungen Mann mit auf die Wache, er wird jetzt unter anderem wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt."
https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/nachrichten-mainz/auf-der-uberholspur-betrunkener-skateboarder-auf-der-a60_19085873

Mittwoch, 26. September 2018

Ihr macht mir Angst

1. Die Medien machen mir Angst

Ich kann Ihnen genau sagen, warum die Leute diese maßlose Angst vor Kriminalität haben. Jeden Tag kommen Dutzende von Krimis im Fernsehen. Eigentlich senden die großen Anbieter nur Angstmacher. Ein vierundzwanzigstündiges Bedrohungsszenario – das ist das Angebot des Fernsehens. Und da habe ich noch nicht mal die Nachrichten eingeschaltet.

2. Die Polizei macht mir Angst

Es ist nicht die Arbeit der Polizei, die mir Angst macht, sondern ihre Untätigkeit. Die systematische Arbeitsverweigerung ist das politische Mittel des Sicherheitsapparats aus Polizei und Geheimdiensten, die Angst in der Bevölkerung zu schüren. Silvester in Köln 2015: Warum ist die Polizei nicht mit ein paar hundert Grabschern fertig geworden, wenn sie jedes Wochenende mit ein paar hundert Fußballhooligans fertig wird? Terroranschlag in Berlin 2016: Warum observiert man den Attentäter monatelang und verhindert nicht den Anschlag? G 20-Gipfel in Hamburg 2017: Warum werden über zwanzigtausend Polizisten nicht mit tausend Randalierern fertig? Chemnitz 2018: Warum sieht die Polizei den faschistischen Ausschreitungen tatenlos zu? Die Antwort ist immer dieselbe: Wir sollen Angst bekommen. Bei der Räumung von einigen Baumhäusern im Hambacher Forst sehen wir, wie die Polizei arbeiten kann, wenn sie es will.

3. Die Politik macht mir Angst

Seit Jahren ist die Politik vom Thema Migration besessen. Jeder Neuankömmling ist eine Bedrohung für unsere Kultur und für unser nacktes Überleben, sagen die Rechten. Wir haben uns Mörder, Terroristen und Vergewaltiger ins Land geholt. Die Mitte und die Linken diskutieren nur noch darüber, wie wir diese Menschen wieder loswerden können. Ein Klima der Angst wird erzeugt, das wie ein Schleier wirkt, hinter dem man die wahren Probleme verbirgt: Pflegenotstand, Bildungsmisere, Klimakatastrophe, Kinder- und Altersarmut. Diese Angst mästet eine dunkle Bedrohung: die AfD.

4. Die Wirtschaft macht mir Angst

Angst ist der Treibstoff der Ökonomie. Ich kann meinen Arbeitsplatz verlieren. Ich kann meine Wohnung verlieren. Ich kann meine Existenz verlieren. Ich muss funktionieren funktionieren funktionieren. Wenn ich zusammenklappe, lande ich in der Hartz-Hölle oder unter der Brücke. Unsere Arbeitswelt ist eine Angstmaschine. Wird es meine Firma in Zukunft noch geben? Wird es meinen Job in Zukunft noch geben? Wird meine Ausbildung wertlos, weil Computer besser und billiger sind als ich? Wird ein Chinese meine Arbeit machen? Was wird morgen? Morgen habe ich noch mehr Angst.

5. Die Angst macht mir Angst

Die Angst macht mich krank. Ich will weit weg. Danke, Alkohol, alter Freund. Danke, Drogen. Die Angst macht mich wütend. Schwarzenegger im Fernsehen. Geil. Mit der Pumpgun voll in die Fresse. Nimm das, Fremder! Ein Arschloch weniger. Wo ist mein Feind? Bonze – Bulle – Flüchtling – Nazi. Wenn ich abtreten muss, nehme ich noch ein paar von euch mit. Angst erschöpft. Angst macht gleichgültig. Angst macht blind. Nicht nur meine Angst macht mir Angst. Die Angst der Anderen macht mir Angst. Die wachsende Angst auf dieser Welt macht mir Angst. Wird die Angst jemals aufhören oder kann uns erst der Tod von dieser Angst erlösen?

UB40 - Higher Ground. https://www.youtube.com/watch?v=zj6jgvYNnYI&index=4&list=RDoLoXFmJBvlk

Sammler

Ich sage es Ihnen ganz offen: Sie bekommen heute für ein Merkel-Autogramm weniger als vor zwei Jahren. Aber wenn sie schon ein Merkel-Autogramm haben, sollten sie es schnell verkaufen. Ich habe Autogramme aus den siebziger Jahren von Leichtathletikolympiasiegern und späteren Fußballbundestrainern wie Erich Ribbeck. Was soll ich Ihnen sagen? Ich habe den Zeitpunkt verpasst, sie zu verkaufen. Wenn ich meinen Bernd Hölzenbein oder den Chris Roberts vor dreißig oder vierzig Jahren an den Mann gebracht hätte. Da würde ich jetzt ganz anders dastehen. Aber heute? Kauder können sie komplett vergessen. Seehofer geht noch zwei Wochen. Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie Autogrammjäger sind, sollten Sie rechtzeitig ihr Portfolio checken. Andrea Nahles und Mario Götze gehen auch nicht mehr lang. Rechtzeitig verkaufen und immer nach den Aufsteigern schauen. Gauland, Höcke. Das bringt vielleicht einmal richtig Geld.

Samstag, 22. September 2018

Im Land der Verlorenen

Er kommt am Flughafen Hahn an, möchte aber nach Frankfurt. Gespräch mit einem Busfahrer, auf dessen Bus groß „Frankfurt“ steht.
„Entschuldigung. Fahren Sie nach Frankfurt?“
„Ja.“
„Ich möchte gerne ein Ticket kaufen.“
„Die Fahrt ist umsonst.“
„Nichts ist umsonst.“
„Ich fahre Sie nach Frankfurt, wenn Sie wollen.“
„Der Preis?“
„Kein Preis.“
„Das glaube ich Ihnen nicht. Das ist ein Trick.“
„Kein Trick. Sie müssen nicht bezahlen.“
„Wie kann das sein? Sind Sie von den Zeugen Jehovas?“
„Nein.“
„Werden Sie von den Hotels bezahlt, die Sie ansteuern?“
„Nein.“
„Was soll das?“
„Ich fahre nach Frankfurt. Das ist alles.“
„Ich glaube Ihnen nicht.“
„Das ist Ihre Sache.“
„Ich will nach Frankfurt.“
„Dann steigen Sie ein.“
„Sagen Sie mir den Preis.“
„Es ist umsonst.“
„Das ist verrückt.“
Der Reisende dreht sich um und geht. Wie kann er einem anderen Menschen vertrauen, wenn kein Geld im Spiel ist?

Donnerstag, 20. September 2018

Nahles, Seehofer, Maaßen – das sagen die Sterne

Nahles, Zwillinge:

Alles was lange dauert, langweilt ihn. So wechselt der Zwilling seine Überzeugungen, seine Theorien und vielleicht auch seinen Beruf öfter einmal.
Zwillinge-Frauen lieben es, stundenlang mit lieben Menschen über Gott und die Welt zu plaudern. Sie reden dabei sprichwörtlich wie ein Buch, was eher ruhigen Zeitgenossen manchmal ganz gehörig auf den Wecker gehen kann. (…) Zwillinge sind nämlich ziemlich flatterhafte Wesen. Es fehlt ihnen ein wenig an der emotionalen Tiefe. (…) Man sollte von ihr deshalb nicht unbedingt erwarten, dass sie ein Versprechen auch hält. Denn es kann ihr leicht etwas dazwischenkommen, sodass sie es in der Eile ganz vergisst.
Der typische Zwilling könnte der Held einer Slapstick-Komödie sein, denn seine Hektik und Schusseligkeit suchen ihresgleichen.
Schwächen: beeinflussbar, distanziert, flatterhaft, leichtfertig, nervös, oberflächlich, ruhelos, selbstgefällig, stressanfällig, unehrlich, ungeduldig, unzuverlässig, weitschweifig und zerstreut.

Seehofer, Krebs:

Er ist empfindlich wie ein Kind und zieht sich bei Problemen schnell in sein Schneckenhaus zurück. Dabei neigt er dazu, überempfindlich zu reagieren und sich viele Sorgen zu machen, oftmals auch gänzlich unnötig.
Die große Gefahr bei einem Krebs ist sein Pessimismus. Er kann es nicht glauben, dass alles glattgehen soll, und sucht geradezu nach einem Stolperstein.
Sie können deshalb sehr schnell ihre Stimmung wechseln. Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt reicht ihr Barometer und viele Mitmenschen fühlen sich von dieser Launenhaftigkeit genervt. Dabei will so mancher polternde Krebs eigentlich nur ein liebes Wort hören.
Wie kein anderer Mann benötigt der Krebs ein Gefühl von Sicherheit. Am liebsten wäre es ihm, wenn alles immer so bleibt, wie es ist. Auf äußerliche Veränderungen reagiert er meist, indem er sich in seine Traumwelt zurückzieht. Seine Antriebslosigkeit kann energische Charaktere schon mal zur Weißglut treiben.
Schwächen: ängstlich, beeinflussbar, empfindlich, labil, launenhaft, passiv, sentimental, stimmungsabhängig, unselbständig, überbeschützend, übersensibel und verletzlich.

Maaßen, Schütze (sic! => Verfassungschützer):

Der Schütze ist wahrheitsliebend. Er ist ein offener Typ, der sagt, was er denkt, häufig auch ohne Rücksicht auf Verluste. So mancher Schütze verwechselt dabei aber leider Offenheit mit Taktlosigkeit.
Die Damenwelt ist ganz verrückt nach diesem Abenteurer. Er hat einfach das gewisse Etwas und weiß, was die Frauen wollen.
Er hat viel Glück, aber so schnell, wie er es findet, verliert er es auch wieder. Manchmal ist er geradezu kindlich naiv, will an das Gute glauben, um im Gegenzug anderen ungeschönt und impulsiv die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.
Schwächen: angeberisch, belehrend, egoistisch, eigensinnig, fanatisch, großspurig, hochstaplerisch, maßlos, missionarisch, realitätsfremd, reizbar und scheinheilig.
Quelle: https://www.horoskop-paradies.ch

Montag, 10. September 2018

Berlin – eine dahingestolperte Liebeserklärung

In Peking und in Lima
Da gibt’s keene Berlina
Vergiss den Nil und die Themsé
Alles nix gegen unsere Spree


Ob Präsident, ob Mandarin
Wer hat schon eine Kanzlerin
Was sind denn Hollywoods Knüller
Gegen BER und Michel Müller


Berliner Nachtigall. https://www.youtube.com/watch?v=QCGj0qQIXJY

Freitag, 7. September 2018

Easy Money

Wozu noch investieren, wenn ein Unternehmen mit seinem Geld einfach noch mehr Geld machen kann? Das Zauberwort heißt „Aktienrückkauf“ oder „Buyback“. Allein in den USA werden in diesem Jahr im Bereich der großen Unternehmen (S&P 500) schätzungsweise 800 Milliarden Dollar eingesetzt, um die eigenen Anteilsscheine zu erwerben.
Apple ist mit 300 Milliarden Dollar seit 2012 Spitzenreiter. Im Schnitt steigt der Aktienkurs im ersten Jahr elf Prozent stärker als der Markt. Adidas hat seit Beginn des Rückkaufprogramms 2014 seinen Börsenwert verdreifacht. Die Konzerne erfreuen sich am steigenden Unternehmenswert, die Aktionäre erfreuen sich am steigenden Vermögenswert, die Führungskräfte erfreuen sich an wachsenden Boni und dem steigenden Wert ihrer Aktienoptionen.
So macht man aus Geld mehr Geld. Vati Staat unterstützt mit der Nullzinspolitik seiner „unabhängigen“ Notenbanken noch diesen Trend, denn notfalls verdient man an dem Spiel auch über einen Kredit. Ohne lästige Produkte, Arbeitnehmer, Finanzämter oder Innovationen. Geil! Kapitalist müsste man sein.

Donnerstag, 30. August 2018

Weimar II?

Wenn man sich die Forderungen der Rechten, der Wutbürger und dem ganzen braunen Sumpf im Osten, aber auch im Westen, anschaut, geht es nicht nur um Ausländerfeindlichkeit, sondern auch um den Kampf gegen die Eliten in Politik und Wirtschaft, gegen die systemtreuen Massenmedien und um soziale Ungleichheit.
Lässt man die Ausländerfeindlichkeit weg, sind es exakt die Dinge, um die es auch den Linken geht. Die Verteidiger des im Wortsinne herrschenden Systems geraten also von zwei Seiten unter Druck. Das war in Weimar auch so.
Sehen wir uns die Quantität der linken und rechten Kritiker an. 34 Prozent können sich vorstellen, die Bewegung „Aufstehen!“ zu wählen. AfD, CSU, NPD und andere Rechte (z.B. Nazis, die gar nicht wählen, weil sie gegen Demokratie sind) kommen zusammen sicher auch auf etwa ein Drittel der Bevölkerung. Eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen ist also durchaus vorhanden.
Bei der letzten Reichstagswahl im November 1932 kam die NSDAP auf 33 Prozent der Stimmen, die KPD auf 17 Prozent. Die Zahl der Feinde der Weimarer Republik addierte sich also auf 50 Prozent. Plus viele andere Unzufriedene.
Vielleicht ist die Berliner Republik nicht so nahe an einem kompletten Systemwechsel wie damals, aber sie ist womöglich näher an einem Politikwechsel als wir glauben. Es ist die Frage, welche Seite das Rennen macht. Für Migranten ist es eine lebenswichtige Frage.

Dienstag, 28. August 2018

28.8.88

Heute vor dreißig Jahren kam es auf der Ramstein Air Base der amerikanischen Luftstreitkräfte in Rheinland-Pfalz zu einem Unfall, bei dem ein abstürzendes Flugzeug siebzig Menschen in den Tod riss.
Es ist eines der Ereignisse, an die ich immer noch sehr genaue Erinnerungen habe. Ich weiß ganz genau, was ich zum Zeitpunkt des Unglücks getan habe und wo ich war.
Am 27. August, einem Samstag, fuhr ich mit meinem inzwischen verstorbenen Freund Bernulf nach Maastricht in Holland, wo wir uns mit exzellentem Dope eingedeckt haben. Dann ging es nach Belgien, genauer gesagt nach Spa-Francorchamps zur Formel 1-Rennstrecke, wo wir unser Zelt aufschlugen. Am nächsten Tag nahmen wir, gut eingeraucht und überhaupt guter Dinge, unsere Plätze an der Eau Rouge ein, der berühmten Kurve, in der die Monoposti den Berg hinauf direkt auf dich zugeschossen kommen. Senna, mein Lieblingsfahrer, gewann den Grand Prix. Piquet, Bernulfs Fahrer, wurde Vierter.
Auf der Rückfahrt nach Rheinland-Pfalz wurden wir an der Grenze, die damals noch ganz regulär mit Zollbeamten besetzt war, rausgewinkt. So, wie wir damals aussahen - und vor allem mit diesen knallroten Augen nebst idiotischem Grinsen – begannen die Grenzer sofort mit einer intensiven Durchsuchung unseres Autos.
Wir wurden in ein Zimmer geführt und verhört. „Jungs, machen wir es uns doch ganz einfach. Wo habt ihr es versteckt?“ An diesen Satz eines nach einer halben Stunde einfach genervten Beamten kann ich mich noch ganz genau erinnern. Aber sie haben nichts gefunden. Weder in unserem Auto noch in unseren Taschen. Als ich nach einer Stunde mal pinkeln musste, führte man mich in eine Arrestzelle, wo mir ein Zollmensch dabei zusah, wie ich mein Gemächt auspackte, weil sie dachten, ich wollte Beweismittel verschwinden lassen.
Und dann kam die Meldung über Funk. Das Unglück von Ramstein. Die Bullen waren wie paralysiert. Aufregung. Großeinsatz. Obwohl Ramstein von der belgischen Grenze weit weg war, hatten sie das Interesse an uns verloren. Wir durften weiterfahren. Sie haben sich noch nicht mal von uns verabschiedet.
P.S.: Das Dope hatten wir im Ghettoblaster. Bernulf, gelernter Elektriker, hatte das Ding aufgeschraubt, und das sorgfältig in Frischhaltefolie verpackte Piece in einem Hohlraum verstaut.

Montag, 27. August 2018

Der Besuch der jungen Dame

Eines Tages stand sie einfach vor der Tür und fragte nach Amanda.
„Sie ist für ein Semester nach Madrid gegangen“, antwortete er.
Dann hatte er sie eine Weile unschlüssig angeschaut. Sie trug einen Minirock aus kirschrotem Leder, was im Deutschland des Neo-Biedermeier inzwischen völlig aus der Mode gekommen war. Dazu ein schwarzes Top und eine Perlenkette.
„Ich war eine Weile nicht in Berlin“, sagte sie schließlich. „Aber Amanda hat noch ein paar Bücher von mir, die ich gerne wieder hätte.“
Er war ratlos. „Weiß Amanda, dass du kommst?“
Sie lachte. „Keine Sorge. In den Büchern steht mein Name. Ich heiße Lea Kahlenberg.“
Er trat zur Seite und ließ sie in die Wohnung.
Sie ging zielsicher den Flur entlang ins Wohnzimmer.
„Hier hat sich ja gar nichts verändert. Hast du die Bude möbliert übernommen?“
Er hatte Mühe, ihr zu folgen.
„Ja, ich bin nur ein Semester in Berlin. Ich habe die Wohnung über eine Mitwohnzentrale für vier Monate gemietet.“
„Woher kommst du?“
„Montabaur. Das ist im Westerwald.“
Sie lächelte ihn an und musterte ihn von oben bis unten. „Süß“.
Er ging zum Bücherschrank. „Was für Bücher suchst du denn?“
„Simone de Beauvoir, Virginia Woolf und Hannah Arendt.“
Sie stellte sich neben ihn und sah sich schweigend die Buchrücken an. Nach einer Minute hatte sie die drei Bücher und zeigte ihm ihren Namen auf dem Vorblatt.
„Willst du was trinken?“ fragte er sie.
„Kaffee wäre gut“, antwortete sie.
Als er kurze Zeit später mit zwei Kaffeetassen aus der Küche zurückkam, hatte sie es sich schon auf dem Sofa bequem gemacht. Ihre Flip-Flops standen unter dem flachen Holztisch, auf den sie ihre langen Beine gelegt hatte.
Er setzte sich zu ihr und sie nahm die Kaffeetasse.
„Mhm, gut“, sagte sie nur.
„Was studierst du?“ fragte er und deutete auf die Bücher auf dem Tisch.
„Ich weiß es nicht so genau. Ist im Moment alles ein bisschen schwierig“, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.
Ihm fiel nichts ein, also schwieg er einfach und trank Kaffee.
Sie holte ihren Tabakbeutel heraus und baute einen zweiblättrigen Grasjoint.
Sie zündete ihn an, nahm zwei tiefe Züge und reichte ihn weiter.
Er grinste und ließ die Glut aufleuchten.
Sie sagten die ganze Zeit kein Wort.
Dann küssten sie sich plötzlich und der Kuss hörte gar nicht mehr auf, weil sie beide nicht wussten, was nach dem Kuss kommen sollte.
Beck – Nitemare Hippy Girl. https://www.youtube.com/watch?v=AxzjTnWQeOU

Sonntag, 26. August 2018

breaking news: Abschiedsspiel für Özil

Am 28. September um 20:30 Uhr wird in Gelsenkirchen, dem Geburtsort von Mezut Özil, das Abschiedsspiel für den verdienten Nationalspieler und Weltmeister von 2014 stattfinden. Gegner der deutschen Mannschaft ist die Türkei. Özil wird, als Zeichen der Versöhnung, die erste Halbzeit für Deutschland und die zweite Halbzeit für die Türkei spielen. Erdogan, der zu diesem Zeitpunkt auf Staatsbesuch in der Bundesrepublik ist, wird, neben Steinmeier und Merkel, unter den Zuschauern sein. Karten für die Begegnung in der Veltins-Arena sind ab sofort in allen bekannten Vorverkaufsstellen und im Internet erhältlich.

Montag, 20. August 2018

Berliner Anekdoten

Der Politikbetrieb macht Urlaub und ich möchte zwei kleine Geschichten aus der abgelaufenen Saison 2017/2018 zum Besten geben. Beide Histörchen sind verbürgt, meine Quellen sind absolut zuverlässig (d.h. weder Journalisten noch Politiker).
Die erste Geschichte spielt in einem italienischen Restaurant in Berlin, das seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt für Spitzenpolitiker der SPD ist. Eines Abends kommt Martin Schulz, damals noch Parteivorsitzender, mit seiner Entourage ins Lokal. Der Wirt erkennt den hohen Gast sogleich und begrüßt ihn mit aller gebotenen Herzlichkeit. Seinem Sohn – der hoffnungsvolle Spross soll eines Tages das Geschäft übernehmen – überlässt er die Ehre, die Politiker zu bedienen. Alles läuft perfekt, es geht ans Bezahlen. Da stellt der junge Mann, der erst seit zwei Jahren in Deutschland lebt und offenbar die Vita des Kanzlerkandidaten nicht kennt, als Scheidebecher auf Kosten des Hauses einen Grappa vor Herrn Schulz auf den Tisch. Der trockene Alkoholiker aus Würselen bleibt ganz gelassen, hebt das Glas und schnuppert genießerisch am Tresterschnaps. Dann stellt er ihn wieder zurück und sagt: „Danke, aber ich muss noch fahren.“
Die zweite Geschichte spielt am Tag vor der Vereidigung der neuen Bundesregierung in den Iden des März. Frau Klöckner, die designierte Landwirtschaftsministerin, reist aus Frankfurt kommend mit der Lufthansa in die Hauptstadt. Dort angekommen stellt sie fest, dass die Airline das Gepäck verschlampt hat. Mit ihrem Kleid, das sie bei der Zeremonie im Bundestag tragen möchte. Soll sie darauf warten, dass ihr Gepäck später ins Hotel kommt? Sie geht auf Nummer sicher und kauft sich ein neues Kleid. Bei Peek & Cloppenburg an der Tauentzienstraße. Sie entscheidet sich für ein blaues Kleid und die Verkäuferin beglückwünscht sie zur ihrer Wahl. Vor einer Stunde habe sie das gleiche Kleid schon einmal verkauft. Frau Klöckner denkt sich nichts dabei. Berlin ist groß und bei P&C gibt es nun mal keine Einzelstücke. Am nächsten Tag tritt sie mit den neuen Kolleginnen und Kollegen vor die Weltpresse. Und siehe da: Frau Giffey von der SPD trägt genau das gleiche Kleid wie sie. Natürlich sprechen die beiden Frauen über diesen Zufall. Es stellt sich heraus, dass es Frau Giffey war, die kurz vor Frau Klöckner im selben Geschäft die gleiche Entscheidung getroffen hat. So klein ist Berlin.
Kraftwerk – Ohm Sweet Ohm. https://www.youtube.com/watch?v=QLwEG3cdeRw

Montag, 13. August 2018

Die erste gute Meldung nach dem Urlaub

Wir sind immer noch amtierender Confed-Cup-Sieger! #La Mannschaft

Montag, 9. Juli 2018

Ist der Krieg in Syrien bald beendet?

Folgende Mail erreichte mich heute:
"Greetings!!
Hello, how are you today? My name is Mr Faiez Ashi Farah, Finance Director of Syrian Petroleum Company (SPG). I am looking for a corporation or individual in your country,that will be of assistance to me to make investments in your country.
Given the number of risks facing the Syrian economy since the civil war, investors are well advised to avoid the region and look elsewhere for investment opportunities,hence my reason for making this contact with you. I want to relocate myself and business interest to your country and require your assistance as partners since outcome of war is not predictable at this moment. Any sector you think is viable will be considered.
Your reply will be appreciated.
Regards.
Faiez Ashi Farah"

Sie warten nur darauf, endlich an den Start gehen zu können. Die Hedgefondsmanager und Investmentbanker, die Möbelhäuser und Baumärkte, die ganzen Geier, die sich auf ein fettes Geschäft freuen.

Sonntag, 8. Juli 2018

Dating-Strategie

Meine Dating-Strategie war immer ganz einfach: Stürz dich nicht einfach drauf, um die Frauen nicht zu verschrecken. Mach langsam. So wie an einem Buffet bei vornehmen Leuten. Du gehst erst einmal extrem entspannt an den vielen Köstlichkeiten vorbei und sagst: „Sieht ja ganz gut aus“. Du lässt ganz lässig anderen Gästen den Vortritt, dann nimmst du dir einen Teller und genehmigst dir ein paar ausgewählte Häppchen. Nicht zu gierig erscheinen.
Bei Meike ist das voll in die Hose gegangen. Nach unserem dritten Treffen, die Amerikaner nennen es „Date“ und es klingt inzwischen für mich sehr bedrohlich, wollte sie mir einfach nur noch die Snickers-Verpackung von den Hüften reißen. Sie packte mich in ihr Auto - ich selbst war zu diesem Zeitpunkt leider nicht motorisiert, sonst wäre die Sache anders verlaufen - und bugsierte mich in ein „Motel One“ am Berliner Autobahnring, wo wir am helllichten Nachmittag eincheckten. Ich schnappte mir noch ein Automagazin an der Rezeption und schaltete im Zimmer geistesgegenwärtig die „Sportschau“ ein – aber es war schon zu spät.
Noch beschissener lief es eigentlich nur noch in den achtziger Jahren. Meine Strategie war damals wesentlich einfacher: Geh Samstagnacht spät in eine Disco und wirf einen Blick auf den Restbestand der Herde. Unter den Schwachen, Hässlichen, Besoffenen und Alten wirst du ein Opfer finden. Was für ein Elend aus den umliegenden Dörfern war dort versammelt. Selbst das hat so gut wie nie geklappt.
The Beatles - Day Tripper. https://www.youtube.com/watch?v=1C9Ps5OLHG0

Freitag, 6. Juli 2018

Auf hoher See

„Küstenredakteur Pralinski meldet sich an Bord.“
Der Kapitän sah mich lange an und lächelte dann väterlich. „Willkommen auf der AIDA.“
Dann drehte er sich wieder um und nahm das riesige Steuerrad in seine Pranken.
Der Medienoffizier führte mich durch das Schiff. Ein paar ältere Damen sahen mich erwartungsvoll an. Ich sah einfach gut aus in meiner schneeweißen Reporteruniform.
Auf dem Schiff gab es ausgedehnte Speisesäle, Kinos, Schwimmbäder und einen Spa-Bereich. In einem winzigen Kabuff saß Funker Krause, der ständig die neuesten Nachrichten in Morsezeichen zugesandt bekam. Von ihm würde ich regelmäßig Material für die täglich erscheinende Bordzeitung bekommen, die unter meiner Leitung stand.
Meine Kabine war relativ klein, aber ich musste sie mit niemandem teilen.
***
„Rudi Malotzke bricht Kegelrekord der AIDA“. Das war die Schlagzeile der ersten Ausgabe, als wir den Hamburger Hafen verlassen hatten. Der Medienoffizier erteilte mir einen milden Tadel. Das Wort „brechen“ sollte man auf Kreuzfahrten tunlichst vermeiden. Viele der älteren Herrschaften hätten einen empfindlichen Magen. Der Aufmacher von Seite 2 war: „Deutschland erklärt Russland den Krieg“. Krause hatte mich mit den neuesten Nachrichten versorgt, aber wir wollten nicht, dass sich die Urlauber unnötig Sorgen machten.
Den Nachmittag verbrachte ich auf dem Sonnendeck. Schon jetzt nervte mich meine Uniform, denn jeder zweite Rentner wollte einen Martini bei mir bestellen.
***
Nach einer Woche hatte ich das Gefühl, ich würde die Bordzeitung schon seit zwanzig Jahren machen. Die Basisinformationen wie Wettervorhersage, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und das aktuelle Bordprogramm holte ich mir per Copy und Paste aus der Datenbank. Informationen zum nächsten Zielhafen fand ich dort auch. Schließlich lief das Schiff seit langer Zeit immer die gleichen Häfen an. Was ändert sich schon an den Sehenswürdigkeiten von Barcelona?
Nach einigen Longdrinks verfasste ich noch einige schmissige Texte zum Bordleben oder zu den Ländern, die wir ansteuerten. Themen wie Schiffskatastrophen, Kriminalität oder Krankheit waren natürlich tabu. An Bord ist das Leben immer schön. Wir liegen nicht vor Madagaskar und wir haben auch nicht die Pest an Bord. Ein Besuch der Bordbäckerei oder ein Interview mit unserem Bordentertainer Gonzo fiel schon fast unter die Rubrik investigativer Journalismus.
Einmal sah ich in weiter Ferne ein Schlauchboot voller Flüchtlinge. Ich machte den Kapitän auf das Boot aufmerksam und er änderte den Kurs. Diesen Anblick können wir unseren Passagieren wirklich nicht zumuten.
***
So hätte es ewig weitergehen können. Für die tägliche Zeitung benötigte ich nicht einmal zwei Stunden. Ich bekam, nach Jahrzehnten am Schreibtisch, die gesunde Bräune des Erfolgsmenschen. Ich lernte Squash und Bridge, ich besuchte die Häfen dieser Welt. New York, Yokohama, Nairobi.
Aber dann traf ich Gisela. Die relativ gutaussehende Witwe aus Wuppertal. Ihr Mann hatte mit Hosenträgern ein Vermögen gemacht und war dankenswerterweise vor einem Jahr bei einem Hot Dog-Wettessen in San Diego abgetreten. Ich heuerte ab und folgte ihr nach Baden-Baden.
Es ist ein wunderbares Leben. Ich lese ihr meine Geschichten vor und sie hört einfach nur zu.
Frank Zappa - Camarillo Brillo. https://www.youtube.com/watch?v=nllWDc8_9lw

Mittwoch, 4. Juli 2018

Die Beton-Chroniken

Er sah aus wie ein vorbestrafter Tätowierer auf St. Pauli. Jedes Mal, wenn ich an dem leeren Grundstück vorbeikam, auf dem das Gras und die Wildblumen kniehoch wuchsen, saß er auf dem roten Ledersofa und trank Dosenbier.
Immer dasselbe schwimmbadkachelblaue T-Shirt und dieselbe weiße Jeans. Wahrscheinlich saß er auch nachts und im Regen hier. Keine Ahnung. Bei Dunkelheit und schlechtem Wetter bleibe ich zu Hause.
Und immer derselbe Spruch: „Ich muss hier weg, ich halte es nicht mehr aus“. Dann grinste er mich an und trank einen Schluck aus seiner Dose. Jedes Mal, wenn ich mich zu ihm setzte.
Am nächsten Tag saß er immer noch da. Oder schon wieder. Es war ein Sommer, der kein Ende nahm.
The Tornados – Telstar. https://www.youtube.com/watch?v=WPDvsLSnUGc&feature=share

Dienstag, 3. Juli 2018

Tausche Nahles gegen Mbapeé

Was unterscheidet die CSU von der AfD? Nichts.
Was unterscheidet die SPD von der CSU, wenn sie deren Vorschlag für „Transitzentren“ zustimmt, also für Gefängnisse mit exterritorialem Status, wie wir sie aus Guantanamo kennen? Nichts.
Wozu brauche ich noch die SPD, wenn sie dieselbe Politik wie AfD und CSU macht?
Es ist wie mit den Panini-Sammelbildchen. Habe ich doppelt. Kann ich tauschen oder wegschmeißen.
Die SPD schafft sich gerade selbst ab.

Montag, 2. Juli 2018

Neues aus Watutinki

„Özil ist der Sündenbock. Der traurige kleine Junge mit den Glupschaugen, der die ganze Zeit geschwiegen hat. Kreuzigt ihn!“ (Johnny Malta)
„Vom Schmetterling zur Raupe in drei Entpuppungen.“ (Heinz Pralinski)
Es ist ein Gefühl der Befreiung, ich bin erleichtert. „Die Mannschaft“, die in alter deutscher Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit mit den Slogans „Best never rest“ und „Zusammen. Geschichte schreiben“ bei der WM angetreten ist, durfte zeitgleich mit Panama und Saudi-Arabien die Heimreise antreten.
„Die Nationalelf ist quasi die vierte Macht im Staat", hatte Team-Manager Bierhoff bereits 2013 in einem Interview mit dem "kicker" verkündet. Da war die deutsche Nationalmannschaft noch nicht mal Weltmeister. Elf Millionäre mit dem Mercedes-Stern auf der Brust als Markenzeichen und Aushängeschild der Republik. Schönen Dank auch! Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Je größer die Klappe, desto tiefer der Absturz.
Aber die Arroganz war nicht die Ursache für das Ausscheiden der deutschen Mannschaft. Da die Medien und die sogenannten Experten offenbar unfähig sind, eine klare Analyse zu liefern, erkläre ich es Ihnen kurz:
Die DFB-Auswahl spielte in allen drei Begegnungen gegen extrem defensive Gegner. Sie versuchte, deren Abwehr durch Kurzpassspiel zu überwinden und durch Dominanz („Ballbesitz“ als Mantra des kapitalistischen Kickers) zu zermürben. Es gibt aber nur zwei Wege, den Stacheldrahtverhau von zehn Gegenspielern in und um den Strafraum zu knacken: Fernschüsse und Dribblings. Einzelaktionen. Jeder C-Jugend-Spieler weiß das. Neuer & Co., Jogi, ARD und ZDF wissen es bis heute nicht.
Solche Spiele wie gegen Südkorea haben wir früher gewonnen, weil das dümmste Rübenschwein auf dem Platz – ich sage mal Matthäus, Basler oder Hrubesch – einfach mal aus zwanzig Metern den Ball unter die Latte gezimmert hat. Schließlich haben die Fußballzwerge ja keine Welttorhüter zwischen den Pfosten. Leute wie Häßler und Littbarski oder wie noch vor kurzem Draxler und Müller sind losgedribbelt und haben Breschen in die Abwehrmauer geschlagen.
Das hat man in meiner Jugend Rumpelfußball genannt, aber es war oft erfolgreich. Bring mir drei Punkte und erspar mir die schmutzigen Details! Ich will gar nicht wissen, wie ihr das gemacht habt. B-Noten gibt’s nur beim Eiskunstlauf und in der BILD. So dachte man früher, bevor man begann, das spanische Tiki-Taka zu kopieren, das gestern übrigens auch im Original an spielerisch ebenso limitierten Russen gescheitert ist.
P.S.: Als Sportminister sollte Horst Seehofer die Verantwortung für das Debakel in Russland übernehmen und sofort zurücktreten.
La Luz – Mean Dream. https://www.youtube.com/watch?v=oETEFW1g-hs

Sonntag, 1. Juli 2018

Kunst, Koks und Kartoffeln

Heimat ist ein Kartoffelkeller. Wir liegen nebeneinander im Dunkeln und kennen uns nicht. Ich bin mit einer Freundin in einer Bar. Wir sitzen an der Theke und trinken. Nur wenige Straßen weiter läuft ein sogenannter Independent-Film und wir beschließen, die Spätvorstellung zu besuchen. Nach dem Film stehe ich am Pissoir des schäbigen kleinen Kinos. Am Waschbecken komme ich mit Georg ins Gespräch. Er hat diesen Filmabend organisiert. Das Drehbuch stammt von ihm und einem Kollegen. Ich erzähle ihm, dass ich auch schreibe. Er lädt mich in seine Wohnung ein. Dort hat er Koks und Whisky. Die Freundin ist verschwunden und ich rufe uns ein Taxi. Ich habe nur noch zwanzig Euro und ich frage den Fahrer, ob das Geld für die Fahrt reicht. Er lächelt in den Rückspiegel und nickt. Wir fahren los. Der Taxifahrer erzählt uns, er sei Musiker und kenne die langen Nächte ohne Geld. Wir sind alle Künstler in dieser großen Stadt. (Traum, 27.6.2018)

Donnerstag, 28. Juni 2018

Seehofer verweigert "Mannschaft" die Einreise!

Skandal! Auf Anweisung des Innenheimatbauministers verweigert der Bundesgrenzschutz der DFB-Auswahl am Frankfurter Flughafen die Einreise. Dreht der Alpen-Ayatollah endgültig durch? Tausende Fans, die mit Fackeln und Mistgabeln angereist waren, sind enttäuscht.
Jetzt wird fieberhaft nach einem Drittstaat gesucht, der die Deutschen aufnimmt. Russland wird sie nicht zurücknehmen, dass hat Putin bereits angekündigt. #Katastrophe von Kasan #schssmnnschft #kimchi-tsunami
Christian Anders - Darauf tanzt ganz Deutschland (Fußballsong WM 2018). https://www.youtube.com/watch?v=ouF9HniepO4&feature=youtu.be

Montag, 25. Juni 2018

Sempre Claudia Neumann

Die Frau kommentiert großartig, ich verstehe den Hass der ganzen Chauvis und Nazis überhaut nicht. Wie oft habe ich mich über Arschkrampen wie Marcel Reif aufregen müssen. Wenn es wenigstens um die Qualität ihrer Reportagen gehen würde. Aber bemängelt wird von den Vollidioten immer nur der fehlende Penis - als seien wir nicht im Jahr 2018 und als seien wir gerade in Saudi-Arabien und nicht in Europa.
Mit folgendem Kommentar aus dem Spiel Iran-Portugal ist sie in die Ewigkeit eingegangen, das gehört wirklich zu den ganz großen Zitaten der Fußballgeschichte: "Jetzt nochmal ein strammer, langer Einwurf." Mehr geht nicht.

Samstag, 23. Juni 2018

Nazi-General besucht Nationalmannschaft

„Da kommt Krankl in den Strafraum – Schuss…Tooor, Toor, Tooor, Toor, Toor!. I wear narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich. Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals, der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch – wir busseln uns ab…“ (Edi Finger)
Was ist schon Watutinki, wenn du Ascochinga kennst. Auf diesem argentinischen Luftwaffenstützpunkt, dessen Name übersetzt „toter Hund“ bedeutet, waren die DFB-Kicker 1978 fünf Wochen eingesperrt. Aus Angst vor Entführungen durfte niemand das Camp verlassen, Lagerkoller war die Folge. Schließlich gab es damals noch keine Gameboys und Smartphones, auch das Internet und das Kabelfernsehen waren noch nicht erfunden. Für die gesamte Mannschaft, die auf dem Gelände von der GSG 9 bewacht wurde, stand nur ein einziges Telefon zur Verfügung. Pro Spieler gab es drei Freiminuten in der Woche, wer länger telefonieren wollte, musste zahlen.
Vor vierzig Jahren war eine Fußball-WM, die von einer Militärdiktatur organisiert wurde, kein Problem. So wie der Mannschaftskapitän von 1974, Franz Beckenbauer, auf den Baustellen in Katar keinen Sklavenarbeiter gesehen hat, so hat auch sein Nachfolger von 1978, Berti Vogts, nichts erkennen können: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“
„Höhepunkt“ dieser WM-Teilnahme, die bekanntlich mit der „Schande von Cordoba“ und dem Ausscheiden nach der Niederlage gegen Österreich endete (inklusive einem Vogts-Eigentor), war der Besuch des Nazi-Generals Hans-Ulrich Rudel bei den DFB-Funktionären und der Mannschaft. Rudel war ein erklärter Liebling Hitlers und der am höchsten dekorierte deutsche Soldat im Zweiten Weltkrieg (nachdem Göring eine Woche vor Hitlers Selbstmord sein Lametta wieder abgegeben hatte).
Nach dem Krieg setzte er sich nach Argentinien ab und gründete dort das „Kameradenwerk“, das untergetauchte Nazis versorgte. Unter anderem brachte er Josef Mengele in Sicherheit. Er arbeitete für den Hitlerversteher Juan Perón, der nach seinem Militärputsch zum argentinischen Präsidenten gewählt worden war, und für die Diktatoren Pinochet in Chile und Stroessner in Paraguay. Außerdem war er Auslandsvertreter für deutsche Firmen, unter anderem auch für Siemens.
In Deutschland vertrat er offen rechtsradikale Positionen. Er unterstützte die 1952 verbotene Sozialistische Reichspartei, war 1953 Spitzenkandidat der Deutschen Reichspartei und trat noch in den siebziger Jahren als Redner für die DVU auf. Er nahm an Traditionstreffen der Bundeswehr teil und wurde 1982 mit allen Ehren im Freistaat Bayern beerdigt.
Der damalige DFB-Präsident Neuberger verstieg sich zu dem Satz, eine Kritik an Rudels Erscheinen käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich“.
P.S.: Zum fröhlichen Abschluss eines traurigen Rückblicks möchte ich noch auf den österreichischen Spieler Eduard Krieger hinweisen, dem ein Hund im Training in den Hintern gebissen hat, und auf die schottische Mannschaft, die sich in ihrem Hotel jeden Abend besoffen hat. Lassen wir den Hoteldirektor Jesus Garcia zu Wort kommen: „Dass Weltstars sich im betrunkenen Zustand zum Teil splitternackt ausziehen und im Whisky-Delirium den Korridor mit der Toilette verwechseln, hat uns alle sehr geschockt“.
P.P.S.: Ein Wort noch zur heutigen Partie Deutschland-Schweden. Was haben wir gelacht, als wir hörten, dass Italien und Holland nicht die Qualifikation zur Fußball-WM geschafft haben. Heute spielt die DFB-Auswahl gegen das Team, dass die beiden Traditionsmannschaften aus der Quali gekegelt hat. Wenn wir verlieren, habe ich es schon immer gewusst. Wenn wir gewinnen, habe ich nie gezweifelt.
Udo Jürgens & die deutsche Fußballnationalmannschaft - Buenos Dias Argentina. https://www.youtube.com/watch?v=r8x8MstDwpg

Donnerstag, 21. Juni 2018

Blogger 3000

„Wer nichts wird und wer nichts kann, der geht zu Post und Eisenbahn.
Ist auch dies dir nicht gelungen, machst du in Versicherungen.
Bist du einfach blöd geboren, gehst du unter die Autoren.“
(unbekannt)

Es war auf der großen internationalen Messe in Hannover. Jeder kennt die „Blogger 3000“. Hier treffen sich Autoren, Fotografen, Designer, Verleger und Start-Up-Investoren. Wir hatten gerade Andy Bonettis phantastischen Vortrag „In sieben einfachen Schritten zum Welterfolg“ gehört und waren euphorisch.
Ich saß mit ein paar jungen Kollegen in einer Bar und wir unterhielten uns über unsere Zukunftsaussichten in der Branche. Neben mir saß ein Bursche von etwa zwanzig Jahren, der sich Strawberry High nannte. In Wirklichkeit hieß er Kuno Grindberg. Die anderen waren von den Poetry Ultras Neukölln.
„Ich will Schriftsteller werden“, sagte er und sog an seinem Cuba Libre.
„Wieviel verdienst du im Augenblick mit dem Schreiben?“ fragte ich ihn.
„Ich habe ein Werbebanner auf meiner Seite. Ein paar Euro im Monat.“
Ich blickte in die Thekenrunde. „Irgendjemand mehr?“
Alle schüttelten die Köpfe.
„Wenn ich genügend Kurzgeschichten zusammen habe, biete ich sie einem Verlag an“, sagte Strawberry High und sah mich tapfer an.
„Verlage veröffentlichen nur in Ausnahmefällen Kurzgeschichten. Sie wollen Romane. Das predigen ihnen ihre Marketing-Abteilungen seit Jahrzehnten.“
„Warum?“
„Weil sich Romane besser verkaufen“, antwortete ich ihm. „Um als Autor vom Schreiben leben zu können, musst du mindestens 20.000 Exemplare im Jahr an die Leser bringen.“
„Das verstehe ich nicht.“
Die anderen hörten aufmerksam zu, als ich ihnen die Rechnung erklärte.
„Nehmen wir an, dein Buch kostet zehn Euro im Laden. Im Regelfall bekommst du zehn Prozent Honorar vom Verkaufspreis und die Sache mit der Mehrwertsteuer lasse ich jetzt mal weg, sonst wird es zu kompliziert. Wenn du 20.000 Bücher im Jahr verkaufst, verdienst du also 20.000 Euro. Davon holt sich der Staat mindestens 2.500 über die Steuer und die Krankenkasse kostet dich nochmal dasselbe. Bleiben dir 15.000 im Jahr, also 1.250 Euro im Monat. Davon kann man leben, aber es nicht viel.“
Ich ließ es eine Weile sacken und nahm einen tiefen Zug aus dem Weizenbierglas.
„Aber 20.000 Leser im Jahr ist doch kein Ding“, sagte Strawberry High schließlich. „Ich habe mehr als 20.000 Seitenzugriffe auf meinem Blog im Monat.“
„Das sind immer die gleichen paar tausend Leute, die deine Texte umsonst lesen. Das heißt noch nicht, dass sie deine Bücher kaufen. Was glaubst du wie viele Autoren – Sachbücher und Promi-Autobiographien mal ausgenommen – 20.000 und mehr Bücher im Jahr verkaufen?“
„Keine Ahnung.“
„Ich war mal mit Sten Nadolny auf einer Tagung eingeladen. Es ging um das Thema Zeit. Auf dem Rückweg haben wir im Speisewagen gesessen und ein wenig geplaudert. Damals war ich so alt wie ihr. Ich habe ihn gefragt, wie viele Leute in Deutschland so wie er von Literatur leben können. Er fragte mich nach meiner Schätzung. Ich war so naiv und habe zweihundert gesagt. Er hat nur gelacht. Weniger als hundert und etliche davon haben einen reichen Ehepartner, eine Erbschaft, einen Redakteursposten oder eine Professur im Hintergrund.“
Die jungen Leute schwiegen betreten.
„Jetzt seit ihr deprimiert, oder?“
Keine Antwort. Schließlich sagte Strawberry High: „Soll ich mit dem Schreiben aufhören?“
„Nein“, sagte ich. „Du willst auch gar nicht mit dem Schreiben aufhören. Du bist Künstler, du kannst gar nicht anders. Aber such‘ dir einen Job, mit dem du die Miete zahlen kannst und krankenversichert bist. Ein Job, der dir genug Zeit zum Schreiben lässt. Wenn du dir jeden Tag um die Miete oder um die nächste Mahlzeit Sorgen machen musst, hast du den Kopf nicht frei. Es geht dir dann so wie einem Krebskranken, der sich auch nicht mehr auf seine Arbeit am Text konzentrieren kann. Bonetti ist eine Ausnahme. Er hat es doch selbst erklärt: ein Prozent der Autoren verdienen 99 Prozent des Geldes und 99 Prozent der Autoren verdienen ein Prozent des Geldes. Das ist die Wahrheit.“
Kraftwerk - Der Telefonanruf. https://www.youtube.com/watch?v=15UQO9j5aFw

Montag, 18. Juni 2018

Russen und Deutsche

Ich habe am Ingelheimer Gymnasium fünf Jahre lang Russisch gelernt. 1980 bis 1985. In einer Zeit des Russenhasses, die der jetzigen Epoche in nichts nachsteht. 1984 haben wir mit dem Russisch-Kurs eine Reise nach Moskau und Leningrad unternommen. Die russische Reiseführerin zeigte uns im heutigen Petersburg die Massengräber ihrer Vorfahren, ohne uns junge Menschen zu beschuldigen. Sie zeigte einfach nur die Opfer der Nazi-Belagerung - ohne Pathos, ohne Anklage. Mehr als eine Million Menschen verloren damals ihr Leben – fünfzigmal mehr als beim Luftangriff auf Dresden.
Die Russen hätten auch 2018 viele Gründe, nachtragend zu sein. #Sanktionen. Aber sie sind es nicht. Deutsche Länderspiele wurden nicht in Petersburg oder Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, angesetzt. So primitiv würden die Russen niemals sein. Aber die deutschen Medien begeben sich auf ein Niveau der Berichterstattung herab, als würde es sich bei einem Staat wie Russland nicht um eine Kulturnation ersten Ranges handeln, sondern um ein gigantisches Konzentrationslager. Soviel Kritik hätte ich mir vor einigen Tagen gegenüber Nordkorea und Trump gewünscht.

Fußballweltmeisterschaft 1982

Fünf Mark hat das Sonderheft der Zeitschrift „Sport“, die es schon lange nicht mehr gibt (der Herausgeber „Deutscher Sportverlag“ existiert allerdings noch und befasst sich mit Galopprennen), damals gekostet. 1982. Die Mittelstufe des Gymnasiums lag gerade hinter mir. Nach dem Endspiel der WM habe ich meinen sechzehnten Geburtstag gefeiert. Das Heft habe ich natürlich aufgehoben.
Was für eine Mannschaft, die mit Trainer Josef „Jupp“ Derwall aus Würselen (kein Witz) nach Spanien fährt. Sturmgiganten wie Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Fischer und Horst Hrubesch werden für die Tore sorgen. Im Mittelfeld zaubern Paul Breitner und Felix Magath. In der Abwehr warten das Bollwerk Stielike – Kaltz – Briegel und die Förster-Buben. Harald „Toni“ Schumacher steht im Tor. Junge Talente wie Lothar Matthäus, Hans Peter „Hansi“ Müller oder Pierre Littbarski ergänzen die Truppe; verletzungsbedingt fehlt Bernd Schuster.
Wer wird Weltmeister? Im Heft geben die Experten ihre Tipps ab. Günter Netzer sagt: Deutschland. Helmut Kohl und Karl Dall auch. Bernie Ecclestone tippt auf Brasilien. Thomas Gottschalk auf Brasilien oder Deutschland. Frank Elstner sieht es genauso. Bekanntlich hat Italien damals das Endspiel im Bernabeu-Stadion in Madrid gewonnen.
Diego Maradona ist mit sechs Millionen Mark pro Jahr der Spieler, der am meisten verdient. Zwei Drittel des Geldes kommen von Konzernen, für die er Werbung macht. Davon können deutsche Spieler nur träumen. Im Interview sagt der Kölner Torwart Schumacher: „500.000,- netto oder 600.000. Ja, da würde ich sofort gehen, auch nach Saudi-Arabien.“ Deutschlands Kapitän Rummenigge verdient beim FC Bayern 40.000 Mark im Monat, ohne Nebeneinkünfte. Peanuts aus heutiger Sicht. Für die Übertragungsrechte müssen ARD und ZDF unglaubliche sechs Millionen Mark hinblättern!
Ich habe mich damals auf das Turnier gefreut, das Sonderheft war jeden Pfennig wert. Und dann das! Auftaktniederlage gegen Algerien. Der Nichtangriffspakt gegen Österreich im letzten Gruppenspiel, so dass beide Mannschaften in die nächste Runde kamen. Seither finden die letzten Gruppenspiele immer parallel statt, um Schummeleien wie die „Schande von Gijón“ zu verhindern. Das Halbfinale gegen Frankreich, die legendäre „Nacht von Sevilla“ mit dem ersten Elfmeterschießen der WM-Geschichte, war das spannendste Spiel, das ich je gesehen habe. Schließlich die unrühmliche 3:1-Schlappe gegen Italien im Endspiel.
P.S.: Zu Weihnachten bekam ich damals den Bildband „Fußball-WM 1982“ von Frank Beckenbauer. Der „Kaiser“ war zu diesem Zeitpunkt noch Spieler für den HSV (zu diesem Zeitpunkt in der 1. Bundesliga), aber nicht mehr für die Nationalelf. Er hat trotzdem auf seine Weise Geld mit der WM verdient und für den Bertelsmann-Verlag  seinen Namen verkauft  ein Buch gemacht. Im Vorwort schrieb er: „Die WM hat mir Spaß gemacht. Ich habe mit Freude für dieses Buch gearbeitet. (…) Und ich habe dabei eines festgestellt: Zum Trainer würde ich nicht taugen.“ Zwei Jahre später war er Nachfolger von Derwall.
P.P.S.: Die WM 1982 war das erste Turnier mit 24 Mannschaften, vorher waren es immer sechzehn gewesen. Viele Fans fanden das damals nicht gut. 2026 wird mit 48 Mannschaften in drei Ländern gespielt. Tendenz: irgendwann sind alle etwa zweihundert Verbände dabei, die WM ist immer und überall.
Jenny Rock - Douliou Douliou St-Tropez. https://www.youtube.com/watch?v=bWYWWrnXzsc

WM-Schlagzeilen 2018



Heißer als Chili: Showdown gegen Mexiko.


Maradona nach 0:5 gegen Schweden: Schlechteste deutsche Mannschaft seit 1978.


Zieht den Koreanern die landestypischen Hosen aus!


Zweites Müller-Eigentor – Wird Lewandowski zwangsarisiert?


Weißes Pulver in kolumbianischem Quartier! Wirklich nur Puderzucker?


Morgen in BILD: Franz Beckenbauers Höschenblitzer!


WM-Aus: Heynckes, Jauch oder Dobrindt – Wer wird neuer Bundestrainer?


1:0 für Putinho! Geheime Kreml-Absprache vor Endspiel?


B. Scheuert: Bayern 2022 mit eigener Nationalmannschaft.


Javansinn! Indonesien WM-Gastgeber 2030.


Mittwoch, 13. Juni 2018

Zeichnungen aus der alten Republik 1

Früher habe ich nicht nur geschrieben, sondern auch gezeichnet. In den nächsten Tagen werde ich ein paar Seiten aus den Jahren 1987 bis 1990 präsentieren.