Sonntag, 31. Dezember 2023

Live from Earth

 

Blogstuff 904

„Der Humor ist der Regenschirm der Weisen.“ (Erich Kästner)

Der Meeresspiegel steigt und Noah ist 2023 schon wieder der beliebteste Name für neugeborene Jungs. Genau mein Humor.

2023 stieg der DAX um zwanzig Prozent, aber alle reden von Wirtschaftskrise.

Es gibt keine Arbeiter mehr, nur noch Mitarbeiter.

Der Sprit verteuert sich ab 1. Januar um vier Cent pro Liter. Wenn Sie fünfzig Liter tanken, macht das zwei Euro mehr. Da wird bei manchem Jammerlappen 2024 die Küche kalt bleiben.

Wenn ich früher durch die Straßen oder einen Supermarkt ging, wusste ich nie, von wie vielen Idioten ich umgeben war. Was denken die ganzen Leute eigentlich? Seit es das Internet gibt, weiß ich es.

Highlights 2023: Gewinn der Basketball-WM, Scholz mit Augenklappe und die Professorin, die von einer Markus-Lanz-Talkshow Intimherpes bekam. Außerdem sind Silvio Berlusconi, Henry Kissinger und Tony Marshall gestorben.

Am 8. Januar ist Generalstreik. Ich werde zuhause bleiben, einfach mal nichts machen – und die Sache notfalls bis Weihnachten durchziehen.

Zisch, Bumm, Geld weg. Ich habe das Konzept des Silvesterböllerns nie verstanden. Da investiere ich doch lieber in eine schöne Flasche Sekt oder Champagner. Vor ein paar Jahren war ich bei einem Französischlehrer zur Silvesterfeier eingeladen und hatte einen französischen Sekt mitgebracht, immerhin nach der Methode champenoise geklöppelt. Er las das Etikett und erklärte mir, der Sekt sei alkoholfrei. Wie bin ich eigentlich durchs Abitur gekommen?

In NYC gibt es seit 1909 ein Böllerverbot. An wenigen Orten gibt es ein professionelles Feuerwerk. Wäre doch auch bei uns eine schöne Sache. Leise, bunt und keine Verletzten.

Nicht vergessen: 2024 ist der 300. Geburtstag von Adalbert von Schnürsenkel, dem großen deutschen Philosophen.

Auch 2024: 100. Todestag von Lenin und Kafka, Wahl von Putin, Trump und Höcke.

Warum klatschen Menschen die Handinnenflächen gegeneinander, wenn sie etwas gut finden? Wo kommt das her? Wer hat damit angefangen?

Tier des Jahres 2024 in Wichtelbach: der fünfäugige Schlundrüssler.

Warum trägt in Afrika niemand einen Fahrradhelm?

Das war’s von mir 2023. Guten Rutsch ins neue Jahr!

 


Donnerstag, 28. Dezember 2023

Erinnerungen an Kapitän Mnemo

 

Blogstuff 903

„Wenn wir die Gründe für das Verhalten der anderen verstehen könnten, würde plötzlich alles einen Sinn ergeben.“ (Sigmund Freud)

Schäuble: Isch over.

Ich unterstütze die Bauernproteste und kaufe keine Paprika-Ampeln mehr.

Wir haben Fachkräftemangel und bekommen Analphabeten. Da Bildung bekanntlich nicht zu unseren Stärken zählt (lustigerweise wegen Fachkräftemangel), werden auf den lower decks der Arbeitsgesellschaft jetzt einfach die Standards gesenkt. Wissen wird ohnehin allgemein überschätzt. Mein Berliner Dönerverkäufer hat bei unserer letzten Unterhaltung im Herbst auch nicht gewusst, dass es einen Fluss namens Rhein gibt.

Söder droht, sich nicht an der nächsten Regierung zu beteiligen, wenn das Wahlrecht nicht geändert wird. Bekanntlich reduziert sich die Zahl der Abgeordneten auf 630. Aber wenn er die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft, ist er sowieso draußen. Dann gibt es auch keinen bayrischen Verkehrsminister mehr.

Deswegen gibt es so viele italienische Restaurants auf der Welt und keine mit Tiroler Spezialitäten: In Italien heißen die gefüllten Teigtaschen, die etwas größer als Ravioli sind, Mezzelune (Halbmonde), in Tirol Schlutzkrapfen. Dieses Wort nehme ich doch in einem Restaurant nicht in den Mund.

In Finnland wird donnerstags traditionell Erbsensuppe gegessen. Ein beliebtes Gericht ist „Vorschmack“, wobei Fisch, Fleisch und Zwiebeln gemeinsam durch den Wolf gedreht werden. „Der dabei entstehende Geruch ist etwas gewöhnungsbedürftig“ (Wikipedia).

Wo sind eigentlich die Rosenverkäufer geblieben, die in den neunziger Jahren in allen Berliner Restaurants unterwegs waren? Was ist aus ihnen geworden?

„Es war ein Tag wie jeder andere. Aber ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre.“ Für diesen sensationellen Anfang einer Kurzgeschichte wurde Bonetti jetzt mit der Goldenen Tulpe von Ansbach ausgezeichnet.

Nach Marx sollen die Arbeiter Eigentum an den Produktionsmitteln besitzen. Das Nähere regelt der Aktienmarkt. Gegen Monopolbildung haben wir das Kartellamt – es sei denn, es handelt sich um ein staatliches Monopol. Damit sind, glaube ich, sämtliche linken Theorien widerlegt.

Bonetti macht sich für die CDU/AfD-Regierung warm: „Mit Begabung und Fleiß kann es jeder in unserer Leistungs- und Wohlstandsgemeinschaft zu etwas bringen.“

„Bürgergeld“ ist ein genialer Begriff. Damit macht man die Armen zu Bürgern, sie gehören nicht mehr der Unterschicht, sondern dem Bürgertum an.

Der mit weitem Abstand erfolgreichste Blogpost des Jahres, hier noch einmal verlinkt: Kiezschreiber: Feedback – eine Herzensangelegenheit für Bonetti Media

 

Mittwoch, 27. Dezember 2023

Roh zu sein bedarf es wenig

 

Blogstuff 902

„Is this the real life? Is this just phantasy?” (Queen: Bohemian Rhapsody)

Wie Friedrich Merz die deutsche Leitkultur im Jahr 2000 definiert hat: Grundgesetz, europäische Integration, Gleichstellung der Frau, Sprache. Selbstverständlichkeiten, die uns in der Debatte um Zuwanderung nicht weiterbringen. Rechtsordnung und staatliche Ordnung sind für den Einzelnen sowieso nicht verhandelbar, ohne Sprache keine Teilhabe an der Gesellschaft und an der Gleichstellung arbeiten wir Deutsche heute noch. Einwanderung und Identität - WELT

P.S.: 2023 ist noch der Weihnachtsbaum dazugekommen. Offensichtlich hat der Mann endgültig seinen Verstand verloren. Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus und ich gehören nicht zu Deutschland.

Amerika ist ein großes und stolzes Land. Sie sagen immer noch Quarterpounder, wenn sie einen Quarterpounder meinen. Uns zwingt man hingegen seit Jahrzehnten, Royal zu sagen. Wie peinlich. Wer hat diesen Schwachsinn erfunden? Ich schäme mich, Deutscher zu sein.

Wenn ich kein Navi hätte, wüsste ich schon nach einer Minute nicht mehr, wo ich eigentlich hinwollte.

Die Paparazzi nennen mich jetzt „Silvershadow“, weil ich kein einziges braunes Haar mehr auf dem Kopf habe. Damit muss ich leben. Seien Sie froh, dass Sie nicht berühmt sind.

„Es ist drei Uhr nachmittags. Wisst ihr, was das bedeutet?“ Alle Kinder: „Nein.“ Ich: Gar nichts.“

Können Sie sich noch an Pat Benatar erinnern? Sie ist nur 1,52 groß.

Mir geht der Tod von N. nicht aus dem Kopf. Er war erst zwanzig. Ich habe ihn als Baby auf dem Arm gehalten, ich habe mit ihm gespielt, als er noch klein war. Bevor er seine Ausbildung als Altenpfleger angefangen hat, haben sein Vater und ich ihn regelmäßig von der Schule abgeholt und wir sind zusammen essen gegangen. Grieche, Italiener, Burger King – worauf er eben Lust hatte. Jetzt ist er weg. Eine Jugendfreundin, die im selben Haus wie ich aufgewachsen ist, hat ihren einzigen Sohn auch durch Selbstmord verloren. Sie erzählte mir, es würde jeden Tag so weh tun wie am Anfang. Die Zeit heilt nicht alle Wunden, manche bleiben für immer. Ein Schulkamerad verlor seinen Sohn an den Krebs, Leukämie. Er hat ihn jeden Tag besucht und wusste, dass sein Kind sterben wird. Das ist die Höchststrafe. Er hat nie wieder ins normale Leben zurückgefunden. Er hat seinen Job gekündigt, ich habe ihn seither nicht mehr gesehen. Das Leben kann dir so brutal in die Fresse hauen, dass du einfach liegen bleibst. Meine Oma hatte ein Bild von ihrem toten Kind in der Küche stehen. Mein Onkel starb vor seinem dritten Geburtstag an Blinddarmentzündung. Jeden Tag redete sie mit ihm und hat ihm von ihren Sorgen erzählt, auch vierzig Jahre nach seinem Tod. Deswegen wollte ich nie Kinder. Ich würde so ein Unglück nicht überleben.

Dienstag, 26. Dezember 2023

Der singende Schädel

 

Es ist Silvester, die Heizung ist ausgefallen und in meinem Haus sind es nur noch zwölf Grad. Ich greife zu drastischen Maßnahmen.

Ich klingele beim Nachbarn, einem Witwer und pensionierten Bettelmönch, der mit einem Gänseknochen auf Jahrmärkten interessierten Leuten das Horoskop auspendelt. Er bittet mich hinein. Die dumme Sau hat tatsächlich einen Baum und Plätzchen bis zum Abwinken.

Als er in die Küche gehen will, um Kaffee zu holen, erschlage ich ihn mit einem Lebkuchenherz, das ich zu diesem Zweck 1979 erworben habe.

Ich lege die Leiche in die Tiefkühltruhe und mache es mir im muckelig warmen Wohnzimmer bequem.

Einen Tag später klingelt es an der Haustür. Es ist ein Hausierer. Ich will die Tür schon schließen, da hält er mir einen Schädel vor die Nase.

„Dieser Schädel kann singen“, sagt er. Dann ruft er „Sing!“ und der Schädel beginnt: „Last Christmas I gave you my heart“.

“Was wollen Sie dafür?”

“Fünfzig Euro.”

Ich wittere ein gutes Geschäft und kaufe den singenden Schädel.

Im Wohnzimmer rufe ich „Sing!“ und tatsächlich fängt der Schädel an zu singen: „Wake me up before you go go.“

Wenig später gehe ich zum Kaufmann im Haus gegenüber. Der Schädel ist mindestens 20.000 Euro wert.

Ich zeige ihm den Schädel und er bittet mich hinein.

„Sing!“ rufe ich, aber der Schädel bleibt stumm. Immer wieder rufe ich dem Schädel in meiner Hand zu, er solle singen. Nichts passiert.

Da schlägt mich der Kaufmann in seinem Zorn tot.

Am nächsten Tag klingelt ein Hausierer an seiner Tür.

 

Montag, 25. Dezember 2023

Heiligabend

 

Sollte es tatsächlich einen Gott geben, kann er mich nicht leiden. Das ist amtlich. Am Morgen des 24. Dezembers fällt meine Heizung aus. Inzwischen sind es nur noch 18 Grad in der Wohnung. In meinem Schlafzimmer habe ich mich mit einem Heizofen und dem Fernseher verschanzt. Bekommt man zwischen den Jahren einen Handwerker? Ich habe keinen Weihnachtsbaum, keine Weihnachtsgans, keine Weihnachtsplätzchen, keine Weihnachtsgeschenke und die besinnliche Festtagsstimmung will auch nicht aufkommen. Ein Freund ruft an. Er schildert mir den Heiligabend in Hamburg. Die ganze Familie ist da. Aufgrund meiner depressiösen Situation schlägt er vor, die Familie ist per Handy zugeschaltet, gemeinsam ein Weihnachtslied zu singen. Die Tochter könne auch Blockflöte spielen. Ich täusche – krk, wtf, krk – eine Empfangsstörung vor und gebe mich ganz dem Weihnachtshass hin. Ein Stück Plombe ist an meinem rechten unteren Kiefer abgebrochen. Zum Glück schmerzt die Zunge nur, wenn ich schlucke. Mehr als eine Schüssel Haferflocken und eine Flasche Wein ist an Heiligabend nicht drin. Danke, Gott!  

Samstag, 23. Dezember 2023

Fröhliche Weihnachten


Weihnachten ist die Zeit, in der ich jungen Menschen gerne erzähle, wie das Fest in meiner Kindheit gewesen ist.

Am Nikolaustag ging es los. Zu uns kam nur Knecht Ruprecht. Er holte ein Buch hervor und konnte uns Kinder sehr genau erzählen, welche Missetaten wir das ganze Jahr über begangen hatten. Er sagte, wir wären bösartige und wertlose Menschen, die ein schlimmes Ende nehmen würden. Dann warf er uns ein paar Nüsse und Mandarinen an den Kopf und ging wieder.

An Heiligabend durften wir erst nach Sonnenuntergang ins Wohnzimmer. Da wir in einer Einzimmerwohnung lebten, standen wir den ganzen Nachmittag im Hausflur. Einen Baum gab es natürlich nicht. Meine Eltern hatten den Garderobenständer mit Lametta und einer Taschenlampe geschmückt.

Dann machten wir Bescherung. Wir packten die Geschenke vorsichtig aus, denn das Geschenkpapier wurde jedes Jahr wiederverwendet. Ich hatte mir einen Lego-Bausatz gewünscht und bekam einen kleinen Beutel mit Kieselsteinen. Meine Schwester hatte sich eine Puppe gewünscht und bekam eine Untertasse mit Sprung, auf der ein Gesicht aufgemalt war. Meine Mutter bekam ein Bündel Brennholz für den Ofen in der Küche, mein Vater einen Aschenbecher mit der Aufschrift „Binding Brauerei“, der offensichtlich in einem Wirtshaus gestohlen worden war.

Auf dem Tisch stand ein Teller mit Brotstücken in Stern- und Halbmondform, die unsere Mutter ausgestochen hatte. Zum Abendessen gab es Kartoffelsalat ohne Würstchen. Aber wir waren dankbar für alles – im Gegensatz zu den verwöhnten Rotzgören von heute.



 

Freitag, 22. Dezember 2023

Andy Bonetti – Glanz und Elend einer Blondine

 

Blogpost 901

Die Grünen sind bei Meinungsumfragen im Vergleich zur letzten Bundestagswahl erstaunlich stabil. Das muss diese berühmte Stammwählerschaft sein, oder wie ich es nenne: Leute, die jeden Scheiß mitmachen.

Bild-Online, nicht gerade als linkes Kampfblatt verschrien, schreibt, 17 Prozent der Einkünfte unserer Bauern seien Subventionen. #Gülle-RAF

Man sollte Kunst und Kultur nie verachten. Hätte man Hitler seine Bilder abgekauft, wäre er nie Politiker geworden.

Ochsenblut (Rotwein-Cola) und Amaretto mit Apfelsaft. Damit bin ich durch die ganze Pubertät gekommen.

Nach der Demokratie kommt nicht der Faschismus, sondern die Ochlokratie. Jetzt starren Sie nicht so bescheuert auf Ihren Bildschirm, ich musste es auch nachschlagen.

„Himmel, Arsch und Zwirn“ sagt auch niemand mehr.

Die Bundesregierung hat ein Programm gegen Einsamkeit beschlossen. Es gibt das „Kompetenznetz Einsamkeit“. Da habe ich einfach mal „Schweppenhausen“ und als Suchradius „10 km“ eingegeben. Herausgekommen ist nur ein Treffer, der Malteser Hilfsdienst in Bingen. Sie bieten, allerdings nur für Senioren, kostenpflichtige Besuche an. Vielen Dank!

Das einzige Angebot in der Nähe meiner Berliner Wohnung, das sich nicht an Senioren wendet, ist „we are village“ und ist für queere Menschen gedacht. Im Angebot: „Sexy Striptease – Tanzübung“ und „Heile dein Queeres inneres Kind“. Soll ich mich einfach mal tuntig anziehen und mich an diese Leute ranwanzen?

Im Alter weiß man: Es wird nicht besser. Hoffnung ist eine Droge der Jugend. 2023 war scheiße, 2024 wird noch beschissener.

Hätten Sie’s gewusst? Cenosillicaphobie ist die Angst vor leeren Gläsern. Zum Glück hat sich das aber nur jemand aus der Getränkeindustrie ausgedacht.

Viele Leser fragen mich, wie ein Blogpost aus der Villa Bonetti zur Redaktion und damit ins Internet kommt. Der Text wird in eine Schatulle gelegt und in einer Sänfte zur Redaktion getragen. Dazu sind zwanzig Sklaven, Verzeihung, wie sagt man heute, Mitarbeiter nötig. Sie kommen am Redaktionsgebäude an, die Tür wird geöffnet. Links und rechts vom Eingang wird ein Wächter in Uniform postiert. Dann bläst ein Trompeter die Fanfare des Konzerns. Ein Bannerträger betritt die Redaktion. Auf dem Banner der Familie Bonetti sind ein Korkenzieher, ein Flaschenöffner und Kugelschreiber auf rotem Grund abgebildet. Alle Redakteure legen sich auf den Boden und drücken die Stirn ins Laminat. Der Chefredakteur verbeugt sich dreimal und nimmt die Schatulle entgegen. Der Text wird selbstverständlich mit allen Rechtschreibfehlern veröffentlicht.

Donnerstag, 21. Dezember 2023

Blogstuff 900

 

Vielleicht habe ich im Leben nicht genug Ehrgeiz entwickelt, weil ich zu viel MAD gelesen habe. Na und?

Hand-Schuh.

9. Klasse. Mein Zettel mit der Frage „Willst du mit mir gehen? Ja – Nein – Vielleicht“ wurde auf dem Weg zu Sabine von jedem auseinandergefaltet und gelesen. Alle sahen mich an und schüttelten den Kopf.

Bier meldet sich nicht krank, Bier macht immer seinen Job.

Für alle, die es sich wieder nicht gemerkt haben: Nach Weihnachten wird die Waage um fünf Kilo zurückgestellt.

Ich hasse Partyspiele, weil ich mit diesem Begriff traumatische Erlebnisse verbinde. Eifel Ende der neunziger Jahre. Wir hatten mit sieben oder acht Leuten ein Haus gemietet. Abends entweder endlose Risiko-Runden mit Profilneurotikern, die die Sache etwas zu ernstgenommen haben, so dass die meisten Mitspieler durch Müdigkeit nach Mitternacht geschlagen wurden, oder eben Partyspiele. Ich erinnere mich an eine Aufgabe, bei der ich mit einem Mitspieler eine Socke tauschen musste. Wir zogen beide einen Schuh und einen Strumpf aus. Als ich seinen Strumpf anzog, merkte ich, dass er klatschnass war. Ich musste den Ekel überwinden, denn wer will schon die Details in der alkoholschwangeren Euphorie eines Spieleabends genau wissen. Seither umgehe ich solchen Situationen weitläufig und nehme nur noch an harmlosen Trinkspielen teil.

Weiße machen sich Dreadlocks = kulturelle Aneignung. Schwarze machen sich glattes Haar wie Europäer und Asiaten = keine kulturelle Aneignung. Vasteckichnich.

23. Dezember. Bonetti empfängt ausgewählte Besucher. „Was habe ich dir getan, dass du mich so respektlos behandelst? Du kommst in mein Haus, einen Tag vor Heiligabend, und bittest mich um einen Gefallen. Du weißt, dass man im Hunsrück an diesem Tag keine Bitte abschlagen kann. Irgendwann, möglicherweise aber auch nie, werde ich dich bitten, mir im Gegenzug eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.“

Der billigste Tesla kostet 45.000 Euro. Nackisch, wie man bei uns sagt. Also ohne Extras. Wer so viel Geld hat, braucht auch keine staatlichen Subventionen zum Kauf.

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Sein Stand mit Aphrodisiaka war auf dem Wichtelbacher Weihnachtsmarkt der große Renner.

Halbzeitbilanz: Das ist die schlechteste Bundesregierung seit Gründung der Bundesrepublik. Ich habe von Anfang an nichts von dieser Gurkentruppe erwartet und bin daher auch nicht enttäuscht. Wer jetzt enttäuscht ist, hatte offenbar Erwartungen oder einen Funken Hoffnung. Selbst schuld. Mit dieser Mannschaft kann man kein Spiel gewinnen, sie ist – mit Blick auf die Meinungsumfragen – stark abstiegsgefährdet. Leider wird es ab 2025 noch finsterer, wenn Merz oder Söder regieren.

Um 15 Uhr den ersten Glühwein trinken, ein paar Mal nachlegen und um 18 Uhr ins Bett gehen. Um zwei Uhr nachts wachst du auf und kannst nicht mehr schlafen. #Glühwein-Jetlag

 

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Die Nervensäge des Jahres

 

Ich dachte, solche Leute gäbe es nur in Kreuzberg und im Prenzlauer Berg. Toxische Empfindlichkeit, gepaart mit Logorrhö und einer Überdosis Selbstmitleid. Aber es war in Bingen. Dort habe ich die Nervensäge des Jahres getroffen.

Wir saßen in einem „gutbürgerlichen“ Restaurant mit Holztäfelung und anderen Elementen aus den sechziger und siebziger Jahren. Old School war auch die Speisekarte: Schnitzel, Rumpsteak, dazu ein obligatorisches Fischgericht und ein einziges vegetarisches Gericht. Die Nervensäge betritt den Gastraum. Sie hat nur ihren Hund dabei. Sie bestellt ein Glas Wasser und das vegetarische Gericht, Blumenkohltaler mit Rosenkohl.

Sie bekommt ihr Vegi-Gedöns und fängt an zu essen. Alles gut. Aber dann geht es los. Sie zitiert die Kellnerin zu sich. Ich denke, irgendetwas an ihrem Essen ist nicht in Ordnung, aber weit gefehlt. Sie beschwert sich, die Kellnerin habe beim Bedienen am übernächsten Tisch die Getränke von oben, also quasi wie mit einem Greifarm, vom Tablett genommen, und nicht seitlich.

Sie hat sich gar nicht mehr eingekriegt. Das ginge gar nicht. So was könne man in einem Restaurant nicht machen. Sie habe selbst über zwanzig Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Sie hat sich eine Viertelstunde lang in einen Monolog hineingesteigert, dass mir Hören und Sehen vergangen ist. Ihr sei nicht nur übel geworden, als sie gesehen habe, wie die Gläser gehalten worden seien, ihr ginge es körperlich schlecht. Sie merke, wie sie wieder Herpes bekäme.

Ans Weiteressen ist natürlich nicht zu denken. Sie schiebt den Teller von sich. Immerhin bezahlt sie ihre Bestellung und geht. Als ich wenig später selbst um die Rechnung bitte, versuche ich, die Kellnerin wieder aufzubauen. Es ist doch völlig egal, wie man beim Servieren das Glas hält. Ich benutze zur Erläuterung meiner Perspektive die in hiesigen Gefilden gängige Formulierung „Ferz mid Krigge“ (Fürze mit Krücken). Mein Wildgulasch mit Klößen und Rotkraut war übrigens ganz vorzüglich.    

Dienstag, 19. Dezember 2023

Das Schlechteste kommt noch

 

Blogstuff 899

„Der Ewige verheißt den Kindern Israels das Gelobte Land, wo »Milch und Honig« fließen, und zwar eines von beachtlicher Ausdehnung: vom Schilfmeer (Rotem Meer) bis zum Meer der Philister (Mittelmeer), von der Wüste bis zum Euphrat (Exodus 23,31). Die Engel protestieren: »Ist das nicht zu viel des Guten für dieses halsstarrige Volk?« Gott lächelt maliziös: »Wartet mal ab, welche Nachbarn ich ihnen dazugebe.«.“ (Juedischer Humor @ X)

Die Natur ist schon clever. Je älter man ist, desto weniger Lebenszeit also übrig ist, desto weniger Schlaf braucht man auch. Zwanzig Stunden wach statt sechzehn, das macht knapp 61 Tage extra pro Jahr. Das Jahr der Alten hat plötzlich 14 Monate.

Vielleicht überrascht uns Brandmauer-Fritze ja nach den drei Landtagswahlen im Osten 2024 mit einer CDU-AfD-Koalition in Sachsen, Brandenburg oder Thüringen? Als Versuchsballon für den Bund nach der Wahl 2025? Ansonsten bliebe ja in Berlin nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Da würde es mit dem Einkassieren der Ampelbeschlüsse ungleich schwieriger werden.

Ich würde mich im nächsten Wahlkampf konsequent auf Rentner fokussieren: „Die jungen Leute wollen nicht mehr arbeiten“, „Treppenlifter auf Rezept“, „Baden-Baden ist nur einmal im Jahr“, „Seniorenspur auf der Autobahn“, „Kostenlose Windeln ab 65“.

Die Bundesregierung sitzt größtenteils in Berlin, ein Teil ist aber immer noch am Rhein. Bei mir ist es umgekehrt.

Warum müssen Bauern eigentlich immer ihren Traktor zur Demo mitbringen? Ist das eine Zwangsneurose? Und warum müssen sie den kompletten Verkehr lahmlegen? Die Leute wollen zur Arbeit, nach Hause oder ihr Kind von der Kita abholen. Dafür wurden die Straßen gebaut – und nicht für den marodierenden Ackerpöbel. Wenn es die Klimadeppen machen, ist es kriminell, wenn es die Bauern machen, ist es ein heroischer Widerstandsakt. Das ist mir wirklich zu primitiv. Aber die Union kommt wie immer in der Öffentlichkeit damit durch.  

Hätten Sie’s gewusst? Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die Niederlande, Teile Niedersachsen, des Münsterlands und des Rheinlands in ihren Staat einzugliedern. Die Alliierten erlaubten nur die Annexion eines kleinen Gebiets, das 1963, nach Zahlung von 280 Millionen DM, an Deutschland zurückgegeben wurde.

 Im vergangenen Monat starb im Alter von 96 Jahren Ernesto Garzón Valdés, bei dem ich in Mainz studiert habe. Er wurde in Argentinien politisch verfolgt und lebte in Deutschland im Exil. Er forschte u.a. über den Schutz des Individuums gegenüber staatlicher Willkür und lehnte gruppenbezogene Rechte ab. In Zeiten identitärer Ideologien durchaus ein heute noch aktuelles Thema.  

Dieser Blogpost wurde teils mit maschineller Unterstützung erstellt und vor der Veröffentlichung von der Redaktion sorgfältig geprüft.

 

Montag, 18. Dezember 2023

The Flying Komareks

 

Es ist ein gemütlicher Mittwochnachmittag in Helga’s Pilsstübchen, der Nieselregen vor dem Fenster wird nie wieder aufhören. Gerhard Schrödinger sitzt am Tresen und überlegt gerade, ob er zu seinem zweiten Bier einen Korn bestellen soll, als sich die Tür öffnet. Verdammt, es ist Komarek.

„Na, Jerry, alte Arschmade. Was geht?“

Komarek setzt sich neben ihn und starrt ihn an. Schrödinger starrt das Regal mit den Schnapsflaschen an.

„Du schuldest mir immer noch Geld. Plus Zinsen.“

Schrödinger springt wie von der Tarantel gestochen auf und rennt zu seinem Wagen. Mit quietschenden Reifen geht es in Richtung Ortsausgang. Im nächsten Dorf steht sein Haus. Ruhige Seitenstraße. Hier ist er sicher. Er stellt den Wagen am Bürgersteig ab und geht zu seiner Haustür.

Als er gerade aufschließen will, öffnet sich die Tür. Komarek steht vor ihm.

„Ich will mein Geld, du mieses Stück Scheiße.“

Schrödinger sprintet zum Wagen zurück und fährt mit Vollgas zum Fluss hinunter. Zum Glück ist die Fähre gerade am Anleger. Auf der anderen Rheinseite ist er erstmal in Sicherheit.

Als er von der Fähre runterfährt, stellt sich ihm ein Auto in den Weg. Ein Mann steigt aus. Es ist Komarek.

„Mein Geld“, brüllt er. „Ich will mein Geld!“

Schrödinger stößt ein paar Meter zurück, schlägt das Lenkrad ein und fährt an Komarek vorbei. Kurze Zeit später ist er auf der Autobahn. Mit zweihundert brettert nach Frankfurt. Unterwegs wirft er sein Handy weg. Wahrscheinlich hat ihn Komarek geortet.

Den Wagen lässt er in einer Tiefgarage stehen und geht in die Innenstadt. Plötzlich steht Komarek vor ihm.

„Du kannst nicht weglaufen. Zahl endlich deine Schulden, du verpisste kleine Kanalratte.“

Schrödinger sprintet einfach los. Er muss zum Hauptbahnhof. Er steigt einfach in den nächsten ICE. Keine Ahnung, wohin er fährt. Hauptsache, er fährt. Schrödinger setzt sich in ein Abteil und bekommt langsam wieder Luft. Der Zug fährt los.

Eine Viertelstunde später wird die Abteiltür geöffnet. Es ist Komarek. Er setzt sich Schrödinger gegenüber und sagt nichts. Schrödinger holt seine Brieftasche raus, murmelt „Na gut, na gut“ und zahlt seine Schulden. Fünfzig Euro.

Die Komarek-Fünflinge können ganz schön nervig sein.

Sonntag, 17. Dezember 2023

Rückzug der Bundeswehr – Grippe auf dem Vormarsch

 

Blogstuff 898

„Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir.“ (Mark Twain)

Bei einer Demo an der FU Berlin rufen Studenten „Zionisten sind Faschisten“. Deutsche bezeichnen Juden als Nazis. Genau mein Humor.

Ich bin wirklich froh, dass ich nach meiner Zeit in Forschung und Beratung nicht als Dozent ans OSI gegangen bin. Da würden jetzt genau diese klimaklebrigen, genderbekloppten Linksfaschisten vor mir im Seminar sitzen.

Laut Forsa liegt die Wagenknecht-Partei in der aktuellen Umfrage unter einem Prozent. Bei der Europa-Wahl wird sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Tierschutzpartei liefern.

Was macht eigentlich Heinz Pralinski? Man kann ihn jetzt für Junggesellinnenabschiede im Internet buchen. Sehen Sie mal unter „Officer Sexy“ nach. In seiner amerikanischen Polizeiuniform sieht er richtig gut aus. Die Frauen werden reihenweise ohnmächtig, wenn er die Unterhose auszieht und wie eine Ikea-Tasche über dem Kopf kreisen lässt. Bange Frage: Trägt er unter der Fettschürze noch einen Tanga oder nicht?

Gäbe es einen Gott, hätte er schon längst die katholische Kirche ausgelöscht wie einst Sodom und Gomorrha. Jeder pädophile Priester ist ein Beweis, dass es Gott nicht gibt.

Einer der großen Mythen meiner Kindheit war das Bermuda-Dreieck, in dem angeblich viele Schiffe und Flugzeuge „spurlos verschwinden“ aka sinken. Je nach Definition hat das Gebiet eine Fläche, die der Größe Indiens entspricht. In den 70er Jahren gab es einen Bestseller voller Seemannsgarn. Die mysteriösen Ereignisse fanden zwischen 1945 und 1963 statt. Seither fehlt vom Bermuda-Dreieck jede Spur.

Ich träume, ich wäre ein Gangster in New York. Es sind die dreißiger oder vierziger Jahre, der Traum ist daher natürlich in schwarz-weiß. Unsere Gang besteht aus vier Männern und einer Frau. Wir haben eine Bank überfallen, dabei hat unser jüngstes Gangmitglied einen Wachmann erschossen. Er wurde als Einziger erkannt. Jetzt sitzen wir mit der Beute in einem Hotelzimmer. Das Hotel ist riesig, auf den Gängen wimmelt es vor Menschen wie in einem Einkaufszentrum. Wir wissen, dass die Polizei das Hotel umstellt hat und wir in der Falle sitzen. Wir beschließen, uns zu trennen. Als erstes geht die Frau. Sie kommt nicht wieder. Nach einer Weile gehen der junge Mann, der den Wachmann erschossen hat, und ich hinaus zu den Fahrstühlen. Ich stelle mich an einen Zeitungskiosk und warte, ob etwas passiert, wenn mein Kollege in den Aufzug steigt. Als sich die Aufzugstür öffnet, stürmen Polizeibeamte in Zivil hinaus und erschießen ihn. Ich vertiefe meinen Blick in die Zeitung und schlendere später zurück in den Gang mit den Zimmern. Dann wache ich auf.

 

Samstag, 16. Dezember 2023

Bürgergeld

 

Den ganzen Politiker und Stammtischexperten, die das Bürgergeld kritisieren und gegen eine Erhöhung sind, empfehle ich, mal einen Monat von diesem Geld zu leben. Eine Freundin aus Berliner Tagen war 2007 Hartz-IV-Empfängerin. Sie hat mir Jahre später von ihrem Alltag erzählt:

Die Freundin ruft an. Samstag Mädelsabend in einer schicken Bar. Kommst du mit? Damals lag der Tagessatz bei elf Euro. Für Essen, Trinken und alles andere. Soll man den ganzen Tag nichts essen, um abends zwei Gläser Wein trinken zu können? Geht nicht. Also hat sie abgesagt.

Sie geht an einem Modegeschäft vorbei und sieht im Schaufenster ein schickes Kleid oder eine Bluse, die ihr gefällt. Kann sie sich nicht leisten. Ein neues Paar Schuhe, weil die ganzen alten Schuhe schon abgelatscht sind? Vergiss es. Von einer Handtasche müssen wir hier gar nicht reden.

Der neueste Kinofilm? Ein Rockkonzert? Theater? Kultur streichst du als erstes. Sie wohnte damals in einer WG in Kreuzberg. Du gehst an deinem Lieblingsitaliener im Kiez vorbei, an deinem Lieblingsinder, deinem Lieblingsthailänder, an deiner Dönerbude. Kannst du alles vergessen.

Ein Toastbrot kostete damals bei Aldi sechzig Cent. Zwanzig Scheiben Billigbrot. Die billigste Flasche Wein bekommst du für 1,99. Ansonsten trinkt man sowieso nur Leitungswasser. Sie kennt diese Zahlen, über die sie sich vorher keine Gedanken gemacht hat. Sie hat das Gefühl, Sonderangebote werden nur für Menschen wie sie gemacht.

Ihre Freundinnen wollen am Wochenende an die Ostsee. Rügen oder Usedom. Kommst du mit? Absurd. Sie könnte sich noch nicht mal eine Nacht in der ranzigsten Pension in Binz leisten. Soll sie über ihre Armut sprechen? Sich von ihren Freundinnen einladen lassen, als wäre sie Aschenputtel? Bei jedem Bier ein schlechtes Gewissen haben? Also täuscht sie eine Erkältung vor.

2008 hat sie endlich einen neuen Job. In Ulm. Vom Nordosten Deutschlands in den Südwesten. Hinter Ulm kommt noch der Bodensee und dann ist die Welt zu Ende. Sie kennt niemanden in dieser Stadt, aber Hauptsache nicht mehr Hartz IV. Dann kommt 2009 die Bankenkrise, die Wirtschaft bricht ein – und sie wird wieder arbeitslos. Der Horror holt sie wieder ein. Diesmal jedoch in totaler Einsamkeit und nicht bei ihren Freundinnen und Freunden in Berlin.

Aber ihre Geschichte hat ein Happy End. Sie ergattert einen krisensicheren Job in Frankfurt, macht Karriere, findet Mr. Right und wohnt heute mit ihm in einer schicken Eigentumswohnung im Westend. Aber das Jahr in der Hölle hat sie nie vergessen. Diese Narbe bleibt.

Ich habe damals mal versucht, einen Monat wie sie zu leben. Habe mir 360 Euro ins Portemonnaie gepackt und auf alles verzichtet. Die erste Woche war ich noch tapfer. Was sie kann, kannst du auch, habe ich mir gedacht. In der zweiten Woche war ich nur noch wütend. Was für ein Scheißleben! Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich bin ins nächste Steakhaus. Gebt mir ein großes, blutiges Stück Fleisch! Nein, ich will nicht zur Salatbar! Danach habe ich mich an einen Tresen gekettet und ein Bier nach dem anderen getrunken. Am Ende der zweiten Woche war das Geld alle. Dieses Sozialexperiment empfehle ich allen Klugscheißern in den Talkshows und Parlamenten.

Freitag, 15. Dezember 2023

Gehört die Currywurst zur deutschen Leitkultur?

 

Blogstuff 897

„Du selbst zu sein, in einer Welt, die dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft.“ (Ralph Waldo Emerson)

Ich träume, ich hätte eine Schokoladenmanufaktur im Prenzlauer Berg, das Ladengeschäft in der Oderberger Straße heißt „Wilde Zeit“. Die Sorten Maracuja-Altpapier und Staubsaugerbeutel-Lakritze sind der Goldstandard der links-grün-versifften Schickeria. Der Renner ist die Transschokolade, die ich nach demselben Rezept wie Herrenschokolade herstelle. Weil ich gegen Rassismus und für Klimaschutz bin, werden alle Schokoladen grün eingefärbt. Lastenradfahrer und Schwangere ab dem fünften Monat bekommen zehn Prozent Rabatt ab einer Kaufsumme von hundert Euro. Der Kakao wird von rechtskräftig verurteilten Steuerhinterziehern und gescheiterten Influencern geerntet.

Jugendliche bezeichnen meinen Blog übrigens als slay.

Mit deutscher Leitkultur sind sicher nicht Tucholsky oder Kraftwerk gemeint, auch nicht Goethe und Beethoven. Vermutlich geht es um wirtschaftlich verwertbare Sekundärtugenden wie Fleiß und Gehorsam. Mit einer Leitkulturdebatte hatte sich Merz vor zwanzig Jahren aus der Politik verabschiedet, jetzt holt er sie wieder aus der Rumpelkammer.

Schuldenbremse bei 0,35 Prozent des BIP. Die drei Prozent im Maastricht-Vertrag galten schon als strenge Regel. Dazu die ollen Schauermärchen von der schwäbischen Hausfrau und den armen Kindern, die eines Tages unsere Schulden zurückzahlen müssen. Gar nichts wird zurückgezahlt, alte Staatsanleihen werden durch neue Staatsanleihen ersetzt. Das ist billigster Populismus, mit dem die Union sich einer Koalition mit der AfD 2025 annähern möchte. Dazu passt auch das gesamte Grundsatzprogramm, das nur aus aufgewärmtem Kaffee von vorgestern besteht.

Ich freue mich schon auf die Bescherung an Weihnachten, wenn ich wieder Bücher wie „Die beliebtesten Diäten für den kleinen Geldbeutel“ oder „Wie erkenne ich Prostatakrebs?“ geschenkt bekomme. Dazu wie üblich alkoholfreien Eierlikör.   

Vor einem Jahr war Selenskyj noch der gefeierte Star im amerikanischen Parlament, jetzt wird er wie ein lästiger Bettler abgefertigt. Putin hatte doch recht: Man muss nur warten, bis ein Thema aus dem Aufmerksamkeitscharts des Westens herausfällt. Dann ist Polen offen und Orban lässt die russischen Truppen kampflos einmarschieren. Vielleicht auch die Slowakei? Dann sind es nur noch wenige Kilometer bis Wien. 2024 wird offenbar das nächste Seuchenjahr.

Ich weiß nicht, was die Leute an KI so interessant finden. Vielleicht haben sie zu oft die Terminator-Filme gesehen. Kann KI kochen? Nein. Aber ein Thermomix kann. Schießt KI Tore? Nö. Und wer will KI als Freund haben?

Der Sohn eines Freundes hat Selbstmord begangen. Er war gerade mal Anfang zwanzig. Es ist furchtbar deprimierend.

Ingelheim – Home of the rich. ZDF-Doku: Deutschlands reichste Familie kommt offenbar aus Rheinhessen (merkurist.de)

Donnerstag, 14. Dezember 2023

Neulich in der Studentenkneipe

 

Sören: Diese ganzen Bilder vom Krieg in den Medien. Das ist alles so krank.

Holgi: Ja, diese Welt ist echt kaputt. Aber ohne mich. Ich bin Pazifist.

Sören: Ja, ich auch. Keine Gewalt.

Holgi: Richtig. Keine Gewalt, Brudi. Die Ballerspiele auf der Playstation sind natürlich was ganz anderes.

Sören: Ich zocke auch. Und steh total auf Schwarzenegger-Filme. Vor allem Terminator.

Holgi: Und Bruce Willis. Keanu Reeves als John Wick. Da kommst du beim Zählen der Toten gar nicht mehr mit. Es gibt schon eine Menge geiler Action-Filme.

Sören: Finde ich auch. Aber das ist ja keine echte Gewalt. Sowas kommt für mich nicht in Frage.

Holgi: Außer bei diesen Drecks-Nazis. Ich freue mich immer, wenn die aufs Maul kriegen.

Sören: Die haben’s ja auch verdient. Genau wie die Bullen.

Holgi: Ich hoffe, jemand erschießt Trump, wenn er nochmal Präsident wird.

Sören: Ja, aber ich würde es nicht selbst machen.

Holgi: Ich auch nicht. Ich habe sowieso keine Schusswaffe.

Sören: Ich habe eine Pistole zuhause.

Holgi: Echt?

Sören: Ja, aber ich würde sie nicht benutzen.

Holgi: Weil du ein Pazifist bist.

Sören: Genau. Wenn alle so denken würden wie wir, wäre die Welt ein besserer Ort.  

 

Mittwoch, 13. Dezember 2023

Heimlich hinter der Turnhalle rauchen

 

Blogstuff 895

“Modern World how I hate it.
Modern World you can take it.
Modern World your magic′s gone for me.
Where's the mystery that there used to be.“

(Fisher Z: Bathroom Scenario)

Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Die Jun, unverkennbar die Japaner, hatten die Weltherrschaft. Ihnen gegenüber standen die Dschun, ein Mischvolk aller anderen Kontinente. Manche hatten europäische Gesichtszüge, die Mischlinge aus Asiaten und Afrikanern nannten sich selbst „Kastanien“. Zum Teil waren die Dschun friedlich, ein Teil aber führte Bürgerkrieg gegen die Jun. Da beide Völker seit Jahrhunderten zusammenlebten, gab es keine reinen Dschun-Gebiete. Flugzeuge, Raketen und Panzer kamen also nicht zum Einsatz. Man tötete mit Messern und Pistolen. Ich wachte in der Nacht mehrmals auf und tauchte immer wieder in denselben Traum ein, aber in verschiedenen Rollen. Einmal gehörte ich zu einer Gruppe Jun, die in ein Haus der Dschun-Rebellen eindrang. Es gab ein fürchterliches Gemetzel. Einmal war ich in einem Zug mit anderen Dschun auf dem Weg zu einem Attentat. Einmal gehörte ich zu den „zehn Familien“, der Oberschicht der Jun, die von jedem Dschun gegrüßt werden musste. Man erkannte sie an besonderen Hoheitszeichen. Wenn ein Dschun vergaß zu grüßen, fragte man einen anderen Jun ironisch, wie man reagieren sollte. Der andere Jun antwortete dann: „Er möchte bestraft werden.“ Dann konnte man den Dschun auch töten. Einmal war ich ein Kind, das im Unterricht einen 3-D-Globus zusammenbauen musste. Japan war sehr groß dargestellt, die Inselgruppe entsprach der Größe Europas. Teile der chinesischen Küste und Südostasien gehörten dazu.

Die Parallelen zu den aktuellen Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten sind augenfällig. Ich bin in dieser Nacht erst um vier Uhr eingeschlafen und habe bis neun Uhr in wechselnden Rollen in dieser grauenhaften Welt gelebt.

Ein anderer Traum war eher skurril. Ich habe einen Freund besucht, der an einer Kunsthochschule studiert hat. Das Gebäude lag in einem Park, der voller Kunstwerke war. Wir gingen dort spazieren und er hat einen Kommilitonen mitgebracht. Jedes Mal, wenn dieser Kommilitone ein Kunstwerk betrachtete, eine Skulptur oder eine Installation, wurde er komplett blau. Kopf, Hände, Klamotten – alles in einem einheitlichen Blau. Wenn er weiterging, sah er wieder normal aus. Später ging ich allein zur Hochschule und klopfte an eine Glasschiebetür. Eine junge Frau öffnete mir und überschüttete mich mit Projektangeboten. Das Einzige, was ich verstand, war ihr Vorschlag, meine goldene Hochzeit zu organisieren. Ich willigte ein, sie war zufrieden und ging. Ich bin nicht verheiratet, habe also noch ein bisschen Zeit.

Derzeit hat mich die Gicht mal wieder fest im Griff. Seit Samstag liege ich auf dem Sofa und lese, zum dritten Mal in vierzig Jahren, Larry Nivens „Ringwelt“. Ein wunderbarer SF-Roman, ganz klassisch mit Außerirdischen, Raumschiffen und den Wundern des Universums.

 

Montag, 11. Dezember 2023

Mit dieser Methode nehmen Sie zwanzig Kilo ab

 

Blogstuff 894

„The dreams in which I’m dying are the best I ever had.” (Tears for Fears: Mad World)

Bonetti wird nicht an der Firmenweihnachtsfeier teilnehmen, weil er jedes Jahr von den Praktikantinnen begrabscht wird.

Mich erreichen traurige Berichte von Weihnachtsmärkten: Bratwurst mit Brötchen: 7 Euro, Currywurst mit Pommes: 10 Euro, fünf mit Schokolade überzogene Erdbeeren: 6 Euro, 400 gr gebrannte Mandeln: 10 Euro, Glühwein: 7,50 Euro.

Ein Mann steht auf, als eine alte Frau den Bus betritt. „Setzen Sie sich hier hin.“ – „Das ist nett, junger Mann. Ich beeil mich auch.“ – „Nur die Ruhe, wir haben Zeit. Da, wo wir hinwollen, ist es doch auch scheiße.“

Bonetti Future Food & Lifestyle hat jetzt Sättigungsbeilagen entwickelt, die genau wie Kartoffeln und Gemüse schmecken, aber zu hundert Prozent aus Schweinefleisch hergestellt sind.

57. Ich liege praktisch mit einem Bein auf dem Sterbebett. Oder heißt es „mit einer Arschbacke“?

Viele fragen sich, was die Abkürzung GT bedeutet. Bonetti hat sie 1984 eingeführt, als er seine Karriere als DJ angefangen hat und den Namen Grandmaster of the Turntables (GT) trug.

Stellen Sie sich mal vor, in zehn Jahren wird ein Mittel entwickelt, das den Alterungsprozesse aufhält. Menschen können zweihundert Jahre alt werden. Jedes zusätzliche Jahr kostet aber eine Million Euro. Das können sich also nur die Reichen leisten. Dann würden 2150 immer noch Leute wie Musk und Bezos die Welt beherrschen.

Natürlich ist die Klimakatastrophe nicht schön, aber die Sache mit den Autos und Flugzeugen war es wert.

“Ich werde es wie meinen Augapfel hüten.“ Hört man auch schon lange nicht mehr.

Drei Jahre habe ich für ein Quartiersmanagement im Wedding die Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Meine Chefin, eine sächsische Kampflesbe, hat mir verboten, die Begriffe Weihnachten und Advent zu benutzen, wegen multikulti und so. Ich hoffe, sie stirbt an Arschkrebs.

Diese Geschichte haben alle Kinder im Kiez vorgelesen bekommen, jeder hatte sie im Briefkasten, zusammen mit einem Jahreskalender, auf dem alle Feiertage aller Religionen verzeichnet waren: Kiezschreiber: Eine kleine Kinderwintergeschichte

„Lukas, du strengst dich nicht genug an.“ – „Aber ich gebe alles auf dem Platz.“ – Du hast während des Spiels Pommes gegessen!“

„Lukas, du hast während einer Messerstecherei Pommes gegessen.“ – „Jetzt reicht’s aber!“  

Samstag, 9. Dezember 2023

Entfremdung im Endstadium


Ich erwachte, als der Wecker klingelte. Der Wecker? Ich hatte überhaupt keinen Wecker. Im Dämmerlicht sah ich ein Nachttischchen und tastete nach dem Lichtschalter der kleinen Lampe. Es wurde hell und ich konnte endlich diesen schrecklichen Wecker ausschalten. Es war sieben Uhr morgens. So früh war ich noch nie wach gewesen.

Ich schaute mich im Zimmer um. Nichts kam mir bekannt vor. Wo war ich? Dann bewegte sich neben mir etwas und ich bekam einen Schreck. Da lag eine Frau! Sie sah mich an, dann gähnte sie. Ich beschloss, das Zimmer zu verlassen und das Bad zu suchen. Als ich es gefunden hatte, schloss ich die Tür hinter mir und betrachtete mich im Spiegel. Das war mein Gesicht. Kein Zweifel. War es ein Traum? War es ein Fluch?

Ich ging zurück ins Schlafzimmer. Die Frau war verschwunden. Ich zog die Sachen an, die über einem Stuhl und auf einem Bügel am Schrank hingen. Ein dunkler Anzug und ein blauer Schlips. Ich hatte überhaupt keine Anzüge. Aber ich beschloss, das Spiel mitzumachen, bis ich mehr Informationen über die Situation hatte. Also zog ich mich an und ging die Treppe hinunter. Aus einem Raum hörte ich Geräusche.

Es war die Küche. Am Tisch saßen die fremde Frau, die einen Bademantel trug, und zwei kleine Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Auch sie hatte ich noch nie gesehen. Ich trank, gegen meine Gewohnheit, eine Tasse Kaffee und sagte dann, ich müsse los. Im Hausflur lehnte eine Aktentasche an der Wand und auf der Kommode lag ein Autoschlüssel.

Ich verließ das Haus. Die Frau stand in der Tür und winkte mir zu, immer noch im Bademantel. Offenbar war sie nicht berufstätig. Mussten die Kinder in die Schule? Oder gingen sie noch in den Kindergarten? Ich hatte keine Ahnung. Also stieg ich einfach in den Wagen und fuhr los. Die Straßen dieser Stadt hatte ich noch nie gesehen. Wo sollte ich hinfahren? Sollte ich einfach die Stadt verlassen? Hatte ich denn überhaupt Geld?

Ich fuhr rechts ran und untersuchte den Inhalt meines Jacketts und der Aktentasche. In der Brieftasche hatte ich etwa hundert Euro in bar und eine Bankkarte, deren Geheimzahl ich allerdings nicht wusste. Dann fand ich einen kleinen Stapel Visitenkarten. Offenbar hieß ich Edgar Oswaldo, die Stadt hieß Bottrop und ich arbeitete bei einer Versicherung. Ich gab die Adresse in mein Navi ein und fuhr los. Spätestens im Büro musste der ganze Spuk doch auffliegen, oder?

Ich schaltete das Radio ein. Söder war Bundeskanzler. Es regierten die CDU/CSU und die AfD. Alice Weidel war Außenministerin, Höcke Verteidigungsminister. Wir befanden uns im Krieg mit Österreich. Aufgrund der mangelhaften Ausstattung beider Armeen beschränkten sich die Kriegshandlungen jedoch auf gelegentliche Schießereien an der bayrisch-österreichischen Grenze. Der österreichische Kanzler Kickl von der FPÖ bereitete mit dem ungarischen Diktator Orban eine Neuauflage des Habsburgerreichs vor. Es war Januar, fünfzehn Grad im Schatten. Immerhin gab es den Klimawandel noch.



Freitag, 8. Dezember 2023

Fisher Z – The Writer


The other side of the room an empty bottle lies broken.
Purple faces are sure, of snow white sheets to soak in.
His clothes are spread around, they smell of perspiration.
A half eaten meal attracts the flies attention.
[Chorus]
Do I Do I Do I Do I Hear the man's cries.
Do I Do I Do I Do I Look in his eyes.
Do I Do I Do I Do I Care if he dies
Do I Do I Do I Do I?
Take a paper towel and place it over his head.
Phone up reception and report him as dead.
Open up the window and expose him to light.
Push it all away from me...No that can't be right.
Ri High hight...
A continental breeze has set the blinds in motion.
Brings just a hint of change from the Atlantic Ocean.
The ancient church bell rings. Defies the march of progress.
The senoritas said you were too young to notice.
[Repeat Chorus]

Die höchste Form der Kunst

 

Volksbühne Berlin. Der Saal ist vollbesetzt. Gedämpftes Murmeln und Hüsteln ist zu hören. Dann ertönt der Gong.

Der Vorhang bleibt geschlossen. Wir werden Zeuge einer völlig neuen Form der Vorstellung.

Hinter dem Vorhang sitzt Bonetti und stellt sich ein Stück vor.

Das Publikum ist aufgefordert sich zu konzentrieren. Sie sollen sich vorstellen, was sich Bonetti vorstellt.

Nach neunzig Minuten ist die Vorstellung vorbei.

Natürlich sitzt Bonetti nicht hinter dem Vorhang. Das Publikum stellt sich nur vor, er säße dort.

In Wirklichkeit sitzt Bonetti zuhause auf dem Sofa und zählt die Einnahmen.

 

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Vielsagendes, Nichtssagendes

 

Blogstuff 893

„Was ohne Beweis behauptet wurde, kann auch ohne Beweis abgelehnt werden.“ (Euklid)

PISA-Studie? „Wallah, ich schwör, sind Ausländerkinder schuld! Die machen dem Niveau kaputt.“

Die Rübenbauern aus dem Voralpenland haben ja schon immer ein großes Gossenschlappmaul gehabt, aber das der erste Schnee die Hauptstadt München komplett lahmlegt, ist an Armseligkeit nicht mehr zu überbieten. Söder reagiert mit einem Verbot des Genderns. Nur Hasen schlagen Haken.

Niederlande: Hoffen wir mal, dass die Ekelschwelle aka Brandmauer gegen Wilders hält.

Sobald der erste Schnee fällt, macht der Klimawandel bekanntlich Pause.

Regionale Produkte kaufen, gut. Aber das Glas Wildgulasch von einer Manufaktur in Bad Kreuznach hat acht Euro gekostet und das Pfund Eierbandnudeln von Daniel’s Hühnerhof in Seibersbach vier Euro.  So wird das nix mit der Nachhaltigkeit, zumindest nicht für einen Großteil der Bevölkerung.

Er weiß es nicht. Er weiß auch nicht, warum er es nicht weiß.

Best-Case-Szenario: Die Rechten werden beim Marsch durch die Institutionen genauso aufgerieben wie die 68er in den siebziger Jahren. Sie passen sich dem bestehenden System an, um im System bestehen zu können. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Nur Deutschland hat im EU-Vergleich mehr Mieter als Eigentümer, meldet das ZDF. Das beobachte ich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Die Kinder von Mietern bleiben Mieter, die daher auch keine Immobilien vererben können, so dass deren Kinder auch wieder Mieter werden. Ich kenne Leute, die bezahlen in Großstädten zwei- bis dreitausend Euro Warmmiete im Monat, wenn es sich um Häuser oder große Wohnungen handelt. Das sind im Jahr dann 30.000 Euro, in zehn Jahren 300.000 Euro, die einfach so durch den Schornstein geblasen werden. Sie können keine Rücklagen für Immobilienkäufe bilden, selbst wenn sie gut verdienen. Wer eine Immobilie erbt, zahlt keine Miete, kann Rücklagen bilden und vielleicht sogar eines Tages eine weitere Wohnung kaufen, deren Miete ein schönes Zubrot im Alter ist. Der Herren und Knechte auf dem Wohnungsmarkt bleiben immer dieselben.

Wenn wir heute erfahren würden, dass in hundert Jahren ein riesiger Meteorit auf der Erde einschlagen wird, wäre es uns völlig egal und wir würden in den nächsten achtzig Jahren keine Gegenmaßnahmen ergreifen.

Der erste Adventssonntag heißt in Oberösterreich Bratwürstelsonntag. Ein alter Brauch, den ich in Deutschland vermisse. Einfach ein Tag, an dem Bratwurst gegessen wird, weil es Tradition ist.

 

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Wie Wichtelbach der Gentrifizierung entging

 

Künstler und junge Nonkonformisten, überhaupt alle, die keinen Bock auf ein Leben von der Stange haben, sind die Trüffelschweine der Immobilienwirtschaft. Sie finden die Orte, die noch bezahlbar sind und gründen neue Soziotope, die für Investoren – ob große Firmen oder einfach Leute, die eine Eigentumswohnung kaufen wollen – interessant werden. Am Ende ziehen die Trüffelschweine weiter, weil sie sich ihr Wohnquartier nicht mehr leisten können. Aber es ist ja auch ihr unbezahlter Job, neue Viertel mit Entwicklungspotenzial zu finden.

Das war natürlich in Wichtelbach nicht anders. Als Bonetti vor zehn Jahren hierherkam, war Wichtelbach ein ödes kleines Nest ohne Flair, ohne Glamour, ohne Attraktionen. Inzwischen gibt es hier eine Sushibar, ein Yogastudio, diverse Open-Air-Veranstaltungen, eine Szenekneipe und natürlich jede Menge Künstler und Freaks. Höhepunkt ist das jährliche Literaturfestival, bei dem Bonetti in einer Seidenrobe mit Zobelumhang, mit einer Krone und einem Zepter als König der Kunst auftritt.

Die Kacklappen von der Immobilienbranche haben bei uns im Dorf natürlich keine Chancen. Niemand verkauft sein Haus, es gibt nur wenige Baugrundstücke, die alle in Familienbesitz sind und neues Bauland wird nicht ausgewiesen. Der Gemeinderat schmettert jede noch so lukrative Anfrage von außen einfach ab. Deswegen müssen wir auch nicht weiterziehen. Wir bleiben.

Dienstag, 5. Dezember 2023

Nachts im Zug

 

Die Sonne ist längst untergegangen und ich sitze allein in einem Erste-Klasse-Abteil im ICE nach Berlin. Die ganzen emsigen Geschäftsleute, die ansonsten die Fernzüge bevölkern, sind sicher schon längst zuhause. Vor dem Fenster nichts als Finsternis, eine unbekannte Welt, ein feindlicher Planet, von dem ich durch die Geschwindigkeit des Zugs getrennt bin.

Ich denke an eine andere Fahrt zurück. In meinem Abteil saß ein Mädchen, vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt, mit ihren Eltern. Wir kamen ins Gespräch. Sie waren auf dem Weg in die Charité. Das Mädchen hatte einen Tumor im Kopf, der entfernt werden muss. Wenn man für diesen Eingriff bis nach Berlin fahren muss, ist es eine ernste Sache. Sie würde nur ihr Krankenzimmer sehen, keinen Ku’damm, kein Brandenburger Tor, kein Restaurant, keinen Club, keine Geschäfte. Sie fuhr nach Berlin, um dort um ihr Leben zu kämpfen. Ich kam mir wie ein Idiot vor. Meine Reise führte mich in ein unbeschwertes Vergnügen, während man ihr in den nächsten Tagen die Schädeldecke öffnen würden. Was sagt man in diesem Augenblick? Ich drücke dir die Daumen? Was sind die richtigen Worte?

Ich denke an eine weitere Fahrt zurück. Diesmal sitze ich in einem Regionalexpress an einem Tisch, mir gegenüber sitzt ein Kopfhörer mit angeschlossenem Jugendlichen, schräg gegenüber eine Mutter, neben mir ein etwa achtjähriges Kind, die ihre kleine Schwester auf dem Schoß hat. Die Kleine pikst mir vorsichtig in den Arm, um zu sehen, was passiert.

Ich drehe mich zu ihr um und lächle. „Na, du bist wohl ein Quatschmacher, oder?“

Sie kichert.

„Du bist das kleine Quatschmacherkind und deine Schwester ist das große Quatschmacherkind.“

Sie grinst und sagt leise: „Ja.“

„Und wer bin ich?“

„Du bist der Quatschmacherriese.“

„Da hast du recht. Und weißt du, warum ich ein Riese bin?“

„Warum?“

„Weil ich als Kind in einen großen Topf mit Zaubertrank gefallen bin. Ich wachse immer weiter. Jetzt bin ich auf der Suche nach einem Zaubertrank, der mich wieder kleiner macht.“

„Warum?“

„Weil es viel schöner ist, klein zu sein. Aber ich muss einen Zauberer finden, der den Trank hat. Weißt du, wie ein Zauberer aussieht?“

„Er hat einen spitzen Zaubererhut, einen Zauberstab und einen Umhang.“

„So war es früher. Aber heute erkennt man einen Zauberer nicht gleich. Jeder hier im Zug könnte ein Zauberer sein.“

Sie schaut sich im Zug um. Die Mutter lächelt mich dankbar an. Ich habe die Fahrt, die für Kinder immer langweilig ist, ein wenig verkürzt.

Das habe ich mir natürlich nur ausgedacht. In Wirklichkeit habe ich der Mutter gleich nach dem Pikser mit einer Strafanzeige und ruinösen Prozesskosten gedroht. Spaß. Tatsächlich habe ich das Kind nur angelächelt und geschwiegen.     

 

Montag, 4. Dezember 2023

Andy Bonetti – Nackt und verrückt in Paderborn

 


Blogstuff 892

„Unsere Ideologie heißt Wirklichkeit.“ (Robert Habeck)

Wir Boomer sind die letzte Generation der unbeschwerten Prasserei. Wir sind wie Jugendliche, die mit einer fetten Party das Haus verwüsten, wenn die Eltern übers Wochenende verreist sind. Aber jetzt ist alles umgekehrt. Die Jugend findet ein Trümmerfeld vor, das wir Alten hinterlassen haben.

Hätten Sie‘s gewusst? Die meisten Szenen von Star Wars wurden auf der Erde gedreht.

Der 1. Januar 2024 ist ein Montag. Lieber Gott! Es wird ein Montagsjahr!

Nächsten Samstag treffen wir uns alle gemeinsam zur Podiumsdiskussion „Die Zukunft der Spaltung“.

Man kann jetzt schon sagen: „Oil of Olaf“ Scholz ist unter den Bundeskanzlern das, was Erich Ribbeck unter den Bundestrainern ist.

Eine Geburt ist aus ökonomischer Sicht ein Spin-off. Man bringt einen Teil des Unternehmens an die Börse.

Merz sammelt als polternder Hausvater Gratisgummipunkte in der Boulevardpresse. Dann gibt es zwei Optionen: Entweder ist bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2025 alles vergessen (Motto: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich) oder die Union schickt einen konzilianteren Kandidaten wie Wüst ins Rennen. Söders Ambitionen? Kennt noch keiner. Aber die Union ist in den Umfragen 2021 im Frühling im Streit um die Kandidatur abgeschmiert, lange vor dem Ahrtal-Lachen. Da muss 2025 Klarheit herrschen. Januar 2021 war die Union bei 37 Prozent ...

Der Rimatararohrsänger ist ein bräunlich-weiß gefärbter Singvogel aus der Gattung der Rohrsänger innerhalb der Familie der Rohrsängerartigen. Wussten Sie das?

CO2 kann man weder sehen, riechen noch fühlen. Es macht auch nicht krank. Warum regen sich die Klimaschützer eigentlich so auf? Alles wird gut.

Gehören Sie auch zu den Superreichen? Werden Sie auch oft gefragt, woher Sie das viele Geld haben und nicht arbeiten müssen? Dann antworten Sie wie Bonetti mit Psalm 172,2: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“  

Es regnete in Strömen, als ich mich auf den langen Weg zum Podium machte, um dort die Trauerrede zu halten. Ich suchte in allen Taschen meines Mantels nach dem Manuskript. Als ich es endlich gefunden hatte, räusperte ich mich ausgiebig und putzte meine Brille. Dann versuchte ich, die nassen Blätter auf dem Pult zu sortieren. Als ich endlich anfing, waren die Trauergäste schon gegangen. Mach’s gut, Otto Holzinger.

Der Witz „Entschuldigung, kann ich mir mal ihren Rollstuhl leihen, ich muss mich einen Augenblick hinsetzen“ wurde als behindertenfeindlich abgelehnt. Scheiß Cancel Culture.

Sonntag, 3. Dezember 2023

Eine kleine Betrachtung

 

Ich beginne mit einer schlichten und sicherlich naiven These: Aufgabe des Staates ist es, eine gerechte Ordnung zu schaffen.

Beginnen wir mit der Ordnung. Wie viele Regeln braucht ein Gemeinwesen? Hunderte, Tausende, Zehntausende? In Deutschland haben wir einen politischen Apparat, der das Land unaufhörlich mit neuen Gesetzen und Verordnungen überschwemmt, die den bürokratischen Apparat, der zur Umsetzung geschaffen wurde, offensichtlich überfordert. Der Staat reagiert mit einer Ausweitung des öffentlichen Dienstes. Wird dadurch eine Ordnung geschaffen, der wir als Bürger vertrauen können? Den Eindruck habe ich nicht. Hat es jemals so viel Chaos, Ratlosigkeit und Unübersichtlichkeit gegeben wie in den letzten zwanzig Jahren? Wer hat noch den Überblick? Auch der Staat nicht mehr, die einzelnen Beamten, die ein winziges Karo beackern dürfen, ohnehin nicht. Wir haben uns durch Überregulierung selbst gefesselt und handlungsunfähig gemacht. Aus Bürgersicht ist das Ergebnis im besten Fall Verunsicherung, im schlimmsten Fall ohnmächtige Wut.

Das Thema Gerechtigkeit ist schnell geklärt. Es gibt sie nicht. Die Reaktionen der Gesellschaft sind die gleichen: Enttäuschung, Politikverdrossenheit, Wut, das Gefühl der Aussichtslosigkeit in der unteren Hälfte der Gesellschaft. Auch die Folgen dieser Entwicklung sind leicht zu erkennen: Die Menschen begeben sich auf die Suche nach einem anderen Staat. Ihr Heil suchen sie bei den Rechtspopulisten und Extremisten, die offen zum Sturz dieses Staates auffordern. Ich habe nicht den Eindruck, dass der alte Staat die Kraft aufbringt, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen.

Samstag, 2. Dezember 2023

Everything is hunky-dory

 

Lanz: Guten Abend, Herr Bonetti. Schön, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Sie sind ja ein vielbeschäftigter Mann.

Bonetti: Ja, zurzeit habe ich viele Sitzungen.

L: Können Sie uns mehr verraten?

B: Ich lasse gerade ein Porträt anfertigen, ein Ölgemälde, zweimal zwei Meter. Jeden Tag sitze ich drei Stunden vor dem Maler und darf mich nicht bewegen.

L: Was haben Sie mit dem Porträt vor?

B: Ich stelle es dem Louvre zur Verfügung. Es wird neben der Mona Lisa hängen.

L: Was motiviert Sie zum Schreiben. Ist es Ihre tiefe Zuneigung zu den Menschen?

B: Stellen Sie sich ein Mietshaus vor. Sie öffnen die erste Tür. Ein Flur mit Garderobe. Dann gibt es ein Zimmer mit einem Bett und einem Kleiderschrank. Ein Bad, eine Küche. Am Ende des Flurs gibt es ein Zimmer mit einem Sofa, einer offenen Schrankwand und einem Fernseher. Gehen Sie in die anderen Wohnungen. Sie sehen alle gleich aus. Es gibt nur marginale Abweichungen. Die einen haben eine Clownspuppe mit aufgemalter Träne, die anderen ein Poster mit den zerfließenden Uhren von Dali.

L: Was wollen Sie uns damit sagen?

B: Die Menschen leben alle gleich, wie Ameisen. Es sind geheimnislose Wesen. Im Grunde genommen ist es Zeitverschwendung, über Menschen zu schreiben.

L: Das klingt sehr misanthropisch.

B: Ein Zyniker ist ein enttäuschter Idealist. Ich glaube, ich habe das mal geschrieben. Früher dachte ich, hinter jedem Fenster gibt es ein Geheimnis, hinter jeder Tür eine Geschichte. Aber ich habe gelernt, dass es sich nicht lohnt anzuklopfen.

L: Was raten Sie Ihren Kindern Mandy und Sandy, Randy und Brandy? Sollen Sie ebenfalls den steinigen Weg der Hochkultur einschlagen wie ihr berühmter Vater?

B: Nein, ich hoffe, sie gehen einen anderen Weg. Hochfinanz, Hochseilartist oder einfach Hochnäsigkeit. Sie erben ein Vermögen. Eigentlich müssen sie nicht arbeiten. Und sie sollten es auch nicht, es lohnt sich nicht, wenn man genügend Geld hat.  

L: Was sind Ihre weiteren Pläne?

B: Silvester in New York und Karneval in Rio.

L: Herr Bonetti, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

B: Gerne.

L: Bleiben Sie doch noch einen Augenblick, mein nächster Gast ist Richard David Precht.

B: Nein, ich muss zum Flughafen. Ich habe einen Privatjet zu erreichen.