Sie kamen nicht im Morgengrauen, sondern zur Mittagszeit. Ich
saß gerade im Speisesaal meiner Villa und ergötzte mich an einem Tandoori-Fasan
- einer Erfindung von mir, wie ich an dieser Stelle in aller Bescheidenheit anmerken darf -, als
mein treuer Kammerdiener eintrat.
„Verzeihen Sie die Störung, Meister Bonetti, aber zwei
Polizeibeamte haben ihren Besuch angemeldet. Ich habe sie in den kleinen Salon
geführt.“
„Recht so, Johann. Richten Sie den Herrn bitte aus, ich
wäre in zehn Minuten bei ihnen. Wir nehmen den Kaffee im Salon.“
Als ich wenig später das prächtige Barockzimmer betrat,
sprang einer der beiden Beamten sogleich auf und lief auf mich zu.
„Es tut mir sehr leid, Herr Bonetti. Aber der
Verfassungsschutz hat mich gebeten, sie zu besuchen. Es ist wegen dieser Sache
mit dem Antifa-Spaziergang.“
„Aber, aber, lieber Herr Polizeipräsident. Wir kennen uns
doch von der Jagd und den gemeinsamen Bridgeabenden mit unseren Frauen. Ich
nehme es nicht persönlich, glauben Sie mir.“
Nachdem wir den Kaffee getrunken hatten, verließen wir die Villa.
Vor dem Portal wartete schon Gustav, mein Chauffeur, mit dem Wagen. Ein
schwarzer Maybach mit meiner persönlichen Standarte auf dem Kühler und dem
Wappen der Familie Bonetti auf beiden Vordertüren. Wir folgten dem Polizeiwagen
zum nahegelegenen Flughafen, wo ein Learjet der Luftwaffe auf mich wartete.
Wir landeten eine halbe Stunde später auf Sylt, wo ich
erwartet wurde. Man brachte mich zum Gästehaus des Verfassungsschutzes. Die
Wärter hatten schmucke schwarze Uniformen und Schirmmützen, auf denen ein rotes
V prangte. Sie erinnerten mich auf angenehme Weise an die Waffen-SS. Ich wurde
in eine Suite geführt, die im Louis-Seize-Stil eingerichtet war. Ganz apart.
Ein Mann mit goldenen Schulterklappen eilte ins Zimmer. Er
trug ein Tablett mit einer Flasche Wein und einem Kristallglas.
„Der große Bonetti, welch seltener Glanz in unserer
bescheidenen Hütte“, sagte er und stellte das Tablett auf einen kleinen
Marmortisch am Fenster. „Darf ich mich vorstellen: Jonas Hunkemöller. Ich bin der Direktor des
Gästehauses. Wir möchten Ihnen Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich machen.
Das ist ein 1995 Chateau Petrus. Etwas Besseres habe ich in der Eile nicht
auftreiben können.“
„Vielen
Dank, Herr Hunkemöller“, antwortete ich, während ein Wärter den Wein
dekantierte.
„Es ist ja nur für vierzehn Tage. Sie dürfen sich auf der
ganzen Insel frei bewegen. Wenn Sie wünschen, können Sie Ihre Mahlzeiten bei
uns einnehmen, aber es ist keine Bedingung.“
Wie kann man dieses Land nicht lieben?
P.S.: An Weihnachten schrieb ich noch, dass ich mal Internet-Pause mache. So geht es mir mit allen Vorsätzen. Morgen kommen noch die Bilder des Jahres. Thema am 1. Januar: Brexit.
Daft
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