Samstag, 31. Januar 2015
Mein schönstes Ferienerlebnis
Es war letzten Herbst und ich hatte bei einem Online-Preisausschreiben der „Bäckerblume“ ein Meet&Greet mit Andy Bonetti gewonnen. Also bin ich mit meiner Mutter nach Bad Nauheim gefahren, wo ich den berühmten Schriftsteller treffen sollte.
Um acht Uhr abends kamen wir an der Stadthalle an. Wir mussten uns nicht in die riesige Schlange vor der Halle stellen, denn wir hatten ja Backstage-Pässe. Wir kamen durch den Hintereingang in das Gebäude und wurden von einem großen Mann mit breiten Schultern, Sonnenbrille und Pferdeschwanz in einen Raum geführt, wo schwarze Ledersessel und ein Sofa standen. Wir bekamen jeder eine Cola und durften von den Chips essen, die in einer Glasschüssel auf dem Tisch standen.
Während wir warteten, hatte Mister Bonetti seinen Auftritt. Er las aus seinem neuen Buch „Ein langes Gespräch mit mir selbst“. Wir hörten abwechselnd helles Gelächter und tosenden Applaus. Mit den Zugaben dauerte es zwei Stunden. Dann kam Mister Bonetti hinter die Bühne und wir wurden in seine Garderobe gebeten.
Der große Künstler saß vor einem Spiegel, als wir zu ihm kamen. Um den Spiegel herum waren lauter Glühbirnen und alte Schwarz-Weiß-Fotos von verstorbenen Filmstars klebten an der Wand. Über seinem Stuhl hing eine bunte Federboa. Mister Bonetti sah ziemlich erschöpft aus.
Ein Mitarbeiter schminkte ihn gerade ab. Er trug einen schwarzen Frack, eine schwarze Stoffhose, eine hellgraue Weste, einen schwarzen Schlips und weiße Handschuhe. Der Dreiteiler wird ja bei uns in Offenbach anders definiert als in Frankfurt oder Bad Nauheim: Jogginghose, Basecap, Hoodie. Dann half der Mitarbeiter, Bonetti auszuziehen. Er zog ihm den schwarzen Rollkragenpullover über den Kopf und zog an den Hosenbeinen der engen Jeans.
Anschließend half er Bonetti, in einen Jumpsuit aus rotem Flanell zu schlüpfen, so einen kuscheligen Ganzkörperanzug oder Schlafanzugoverall. Als er angezogen war, ging er zu einem Sofa hinüber und legte sich hin. Sein schmales Gesicht war auffallend blass, auf seiner hohen Stirn schimmerten die Adern bläulich durch die Haut. Er war sehr erschöpft. „Johann“, flüsterte er. „Zum Diktat“. Sein Mitarbeiter setzte sich zu ihm und Mister Bonetti diktierte ihm einen Brief an den amerikanischen und an den russischen Präsidenten, dass sie endlich mit ihren Feindseligkeiten Schluss machen sollen. Das fand ich gut.
Als er fertig war, schloss er die Augen. Würde er jetzt einschlafen? Ich hatte Angst etwas zu sagen, aber dann räusperte sich meine Mutter geräuschvoll und sprach ihn an. „Das ist Manfred“, sagte sie. Mister Bonetti sah sie lange an. Meine Mutter hat ein melancholisches Mopsgesicht mit einer kleinen Stupsnase und großen Augen. Er lächelte und fragte, was wir wünschen. Meine Mutter erklärte es ihm.
Mister Bonetti ließ sich von seinem Mitarbeiter ein Exemplar seines neuen Buches reichen und signierte es für mich. Das fand ich richtig toll. Er sah mir sogar ins Gesicht, als er es mir gab, und sagte: „Viel Spaß noch“. Dann gingen meine Mutter und ich. Wir übernachteten in einem Hotel und fuhren am nächsten Tag zurück nach Hause. Das war mein schönstes Ferienerlebnis.
P.S.: Bonetti hat mal den Papst auf dem Flughafen in Rom gesehen. Aber der Papst hat ihn nicht erkannt.
The Stranglers – Golden Brown. https://www.youtube.com/watch?v=d7R7q1lSZfs&x-yt-ts=1422503916&x-yt-cl=85027636
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