Donnerstag, 26. Juni 2014
Suchen und Finden – die Fortsetzung Reloaded
Endlich hatte ich die Briefmarken gefunden. Sie lagen in einer Schublade des Wohnzimmerschranks unter einer meterdicken Schicht Münzen, Büroklammern, roter Gummibänder, Streichholzbriefchen, kaputter Kugelschreiber – und einem Fotoalbum. In diesem Fotoalbum war eine Reise durch Nordindien dokumentiert, die ich vor langer Zeit unternommen hatte, um das Geheimnis um den berühmten Diamanten Koh-i-Noor zu lüften, dessen Besitzer – darunter der höchst ehrenwerte Lord Fleming und der ultrafiese Macheten-Velasquez – reihenweise unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen waren. Den Diamant hatte ich nie gefunden, aber jetzt hatte ich ja die Briefmarken. Ich schrieb, angeregt durch die Bilder und ein Glas Writer‘s Tears Irish Whiskey, meinem Freund Johnny Malta eine Ansichtskarte aus Brunei, auf der ich ihm tränenreich schilderte, ich säße dort im Gefängnis und der Sultan wolle mir die Freiheit nur im Tausch gegen den Koh-i-Noor geben, der in meinem Safe läge. Ich erfand nicht nur den Diamanten und den Safe, sondern auch gleich dessen angebliche Kombination und Lage innerhalb des Hauses.
Das Verhängnis nahm seinen Lauf, als ich die Karte in den Briefkasten warf. Unglücklicherweise war mir entgangen, dass die Post ihre Portogebühren erhöht hatte und sie daher unzureichend frankiert war. Der Nennwert der Marke lag zwei Cent unter der aktuellen Gebühr und so landete die Karte in der Abteilung für unzustellbares Zeug der Post Bad Nauheim. Dort fiel sie eines Morgens dem Angestellten Heinz Pralinski in die Hände, einem bis zu diesem Zeitpunkt unbescholtenen Mitbürger, der die Chance seines Lebens witterte. Er besorgte sich im örtlichen Baumarkt das nötige Einbruchswerkzeug und einen schwarzen Ninja-Kampfanzug beim Kostümverleih. Ich staunte nicht schlecht, als er in der darauffolgenden Nacht keuchend und verschwitzt vor meinem Bett stand. In einer einzigen flüssigen Bewegung, deren einzelne Elemente erst in der Zeitlupe erkennbar sind, machte ich das Nachttischlämpchen an, setzte meine Brille auf und zog meine doppelläufige Jagdflinte namens „Firesnake“ (langjährige Leser meiner Romane wissen, wovon die Rede ist) unter dem Kopfkissen hervor. Ich zwang den Einbrecher, auf einem Stuhl Platz zu nehmen und mir alles zu erzählen. Er begann mit seiner traurigen Kindheit in einer Hutschachtel kurz hinter Hannover, schilderte mir wortreich seine gescheiterte Ehe und seine Zeit bei der freiwilligen Feuerwehr, beschrieb kopfschüttend, wie er an meine Ansichtskarte gekommen war, und dass er sich mit dem Diebstahl und dem Verkauf des Diamanten seinen Lebenstraum erfüllen wollte: Einmal Helgoland sehen und dann sterben. Seine Erzählung rührte mich und so beschloss ich, von einer Anzeige abzusehen. Wir verabschiedeten uns an meiner Haustür und wenn ich mich recht entsinne, habe ich ihm zum Abschied sogar noch ein Eis am Stiel geschenkt.
Seine Lebensgeschichte habe ich wenig später unter dem Titel „Heinz Pralinski – Gentleman und Verbrecher“ veröffentlicht und bekam dafür 2001 den Literaturpreis der Stadt Bad Nauheim verliehen.
Bronski Beat – Smalltown Boy. http://www.youtube.com/watch?v=huavJMGUbiI
Den Writers Tears habe ich letztens hinter einer Theke gesehen, aber ihn nicht probiert. Der Name klingt interessant. Wenn du ihn tatsächlich mal getrunken hast: Wie ist der denn?
AntwortenLöschenVon den irischen Tröpfchen möchte ich dir den Bushmills Three Woods 16y ans Herz legen (in Bourbon-Fässern gereift, alter Jacky-Fan!). Der Writer's Tears ist obere Mittelklasse, aber nicht herausragend. Der Wirt meines Weddinger-Stammpubs aus Kiezschreiberzeiten (bis Frühling 2013 war ich ziemlich oft dort) hat ihn mir wegen meiner Tätigkeit einmal empfohlen. Schau mal auf die Whisky-Karte des OFFSIDE in der Jülicher Straße. Da geht dir das Herz auf. Sehr gemütlicher Laden.
AntwortenLöschenAlles was mit Wood im Namen hat, dürfte prinzipiell gut sein, glaub ich so langsam. Balvenie Doublewood und Bowmore Darkest sind gerade meine Favoriten, wobei ich gerade eine Literflasche (!) Glenlivet Master Distillers Reserve für 29 Euro am Flughafen geschossen habe. WTF, die steht sonst locker bei 50. Muss mein Glückstag gewesen sein. An der werde ich eine Weile zu nuckeln haben. :)
LöschenWerde mal Ausschau nach diesem Stoff halten. Mein Klassiker für lange Abende vor dem Kamin ist der Glenmorangie 10y. Schön mild und kann auch ohne Eis oder Wasser genossen werden.
AntwortenLöschenIch hab noch eine Entdeckung für dich: Glen Els. Aus dem Harz. Kein Witz. Im Maderiafass gelagert und mit Buchenrauch behandelt. Phänomenal. Wirst du aber bestellen müssen, den gibt es selbst hier im dicken B nur in zwei Geschäften.
LöschenDanke für den Tipp! "The Journey" klingt gut. Und dass ich die Butze nicht auf Whisky.de finde, gefällt mir. Du hast die Nase im Wind, Mike. Alter Finne!
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