Freitag, 27. Juni 2014
Suchen und Finden – die Fortsetzung Reloaded, Teil 2
Der Gedanke an den Koh-i-Noor ließ mich nicht mehr los. Rätselhafter, geheimnisumwaberter Diamant. Wo bist du? Eine kurze Internetrecherche brachte mich auf die Spur. Eine gewisse Elisabeth war die aktuelle Besitzerin. Sie wohnte in einem Palast in London, der nicht weniger prachtvoll war als die Casa Bonetti in Bad Nauheim. Wusste sie von dem Fluch, der auf dem Edelstein lag? Der Maharadscha von Jaipur hatte ihn einst dem Kalifen von Bagdad beim Kartenspiel abgeluchst und wurde nur eine Woche später unter nie geklärten Umständen von seinem Lieblingselefanten Kalle zu Tode getrampelt. Die Witwe des Maharadschas hatte bei ihrer Verbrennung jeden Menschen und dessen Familie bis ins siebte Glied verflucht, der sich je des kostbaren Steins bemächtigen sollte. Sollte ich Mrs. Elisabeth Windsor warnen, deren Telefonnummer und E-Mail-Adresse nicht im Netz zu finden waren und die auch keinen Facebook-Account besaß (vermutlich war sie dort unter Pseudonym unterwegs)?
Kurz darauf schiffte ich mich in Cuxhaven ein und begab mich auf die Seereise ins ferne England. Der raue unbarmherzige Ozean schüttelte und rüttelte das kleine Schiff sieben Tage lang, ich lag in meiner Koje sowie in meinem Erbrochenen und hatte bereits mit meinem Leben abgeschlossen. Am nächsten Morgen bei acht Glasen zu Beginn der Vormittagswache meldete der Matrose im Ausguck endlich: „Land in Sicht“. Ich tat einen heiligen Schwur, die Rückreise mit dem Flugzeug anzutreten. Eine prachtvolle Kalesche, gezogen von vier nicht weniger prachtvollen Pferden, brachte mich zum Palast von Frau Windsor. Ich war nicht wenig erschrocken, als ich die hohen Gitter und die Wachen mit ihren riesigen Bärenfellmützen sah. Dennoch blieb ich unverzagt. Andy Bonetti, Träger des rosa Gürtels in Origami, der Held zahlloser Legenden und Literaturpreisträger der Stadt Bad Nauheim, würde schon einen Weg finden. Im Schutz der Nacht überwand ich katzengleich den Zaun und fand tatsächlich im Erdgeschoss ein Fenster, dessen Flügel nur angelehnt waren. Ich schlich durch die Gänge des Palastes – als plötzlich das Licht anging. Vor mir stand eine kleine Frau im Nachthemd mit rosa Pantoffeln und einer rüschenverzierten Haube auf dem Kopf. In ihrer Hand hielt sie eine doppelläufige Jagdflinte namens „Widowmaker“ (auch „Orkspalter“ genannt), deren Mündung zweifelsohne auf meine Brust zielte. Sie bat mich in ihr Besuchszimmer und hörte sich geduldig meine Erzählung an. Um einen Skandal zu vermeiden, brachte sie mich zum Hinterausgang und schenkte mir zum Abschied noch eine Eintrittskarte für den Londoner Tower, wo man den berühmten Diamanten gefahrlos besichtigen konnte.
Die ganze Geschichte habe ich wenig später unter dem Titel „Helgoland sehen und sterben“ veröffentlicht und dafür den Literaturnobelpreis bekommen. Das weltberühmte Zitat „So ist Helgoland, die Schöne, schmeichelnd und verdächtig, Legende und Falle für die Fremden“ stammt aus diesem Roman und ich verdiene jedes Mal einen Euro, wenn es in den Medien verwendet wird.
Eurythmics – There Must Be An Angel. http://www.youtube.com/watch?v=Q_L-40gbhNU
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