Sonntag, 27. Dezember 2015
Berliner Asche, Kapitel 3, Szene 7
„Warum kommen diese Idioten nicht in unser Restaurant? Wir haben alles da. Ich versteh das nicht.“ Mardo schüttelte den Kopf.
„Im Augenblick sind noch Ferien, da ist nicht soviel los. Außerdem muss sich das ganze doch erst noch herum sprechen.“
„Soll ich einen Facebook-Account anlegen?“
Julia lachte. „So schlimm ist es doch noch nicht, oder?“
Plötzlich drehte sich Mardo zu ihr um, seine Kinnlade hing herunter wie eine kaputte Schublade. „Ich hab’s!“
Julia starrte ihn an. „Du willst mich wieder verarschen, oder?“
„Nein! Nein, ich hab eine wahnsinnige Idee, ich meine, eine sensationelle Idee. Wir verkaufen was to go.“
„To go?“
„Ja, so wurde Ende der Sechziger Jahre der Döner in Kreuzberg erfunden. Wir machen was zum Mitnehmen, das die Leute auf der Straße oder drüben auf einer der Parkbänke essen können.“
„Und was genau?“
„Keine Ahnung. Du bist die Köchin. Lass dir was einfallen! Wir nennen es Mardo.“
„Ick gloob, ick spinne.“ Julia musste lachen. „Ich weiß zwar noch nicht, was es wird, aber ich werde es J-Pack nennen.“
„Dschäi-Päck?“
„Ja. Dschäi für Julia. Kapiert?!“
„Gibt’s doch bestimmt schon.“ Mardo drückte auf seinem Smartphone rum. „Da! Gibt’s als Rucksack, Rockband und Verpackungsmaschine.“
„Die sollen erstmal kommen. J-Pack heißt es und damit hat sich die Geschichte.“ Julia stemmte entschlossen die Arme in die Seite. „Ich stelle mir was Burrito-artiges vor. Aber was mache ich rein? Aubergine wäre mal ein Anfang. Vielleicht kommt noch ein nussiger Touch dazu, oder was Frisches wie Guacamole. “
Mardo lächelte schwach. „Na klar, wir werden total berühmt. George Clooney schlürft hier sein Thai-Süppchen, Christian Ulmen hat ein Jahres-Abo – und dann kommt raus, das wir Pinguinscheiße als Geschmacksverstärker benutzt haben.“
Da öffnete sich die Tür des Restaurants und Kommissar Leber stand vor ihnen.
„Herr Leber“, strahlte Mardo über das ganze Gesicht. „Schön, Sie auch unter unseren Gästen begrüßen zu können.“
„Hallo“, sagte der Kommissar und schüttelte Mardo und Julia die Hand. „Ich wollte doch mal sehen, was es hier Leckeres gibt.“
„Wie wäre es mit was Kühlem? Wir haben fränkisches Bier vom Fass.“
Julias Vorschlag wurde mit einem wohlwollenden Kopfnicken bedacht. „Und habt ihr noch was zu essen? Ich könnte noch einen kleinen Imbiss vertragen.“
„Da könnte ich Ihnen rheinhessischen Spundekäs anbieten. Ein pikanter Frischkäse, dazu eine Brezel. Passt alles wunderbar zum Bier.“
„Klingt hervorragend. Ich dachte, hier gibt’s nur handgebügelten Blattspinat und Kräutertee.“
„Nee, nee. Hier können Sie auch gerne mal mit den Kollegen vorbei kommen.“
Leber ging zu einem Tisch am anderen Ende des Lokals, setzte sich und bedeutete Mardo mit einem Kopfnicken, dass er ihn sprechen wollte.
Das Lokal war um diese Zeit bereits völlig leer und Mardo setzte auf den Stuhl gegenüber.
„Sie sind also nicht wegen der kulinarischen Genüsse im ‚Seven Heavens’?“
Leber schüttelte ernst den Kopf. „Ich muss mich mit der Brandserie in Berlin befassen.“
„Ich dachte, Sie kümmern sich um die richtigen Schwerverbrecher.“
Leber schüttelte noch einmal den Kopf. „Schwere Brandstiftung fällt auch in unsere Zuständigkeit. Wir haben eine Besondere Aufbauorganisation namens „Nero“ zur Verfolgung der Brandserie. Diese BAO koordiniert die Einsätze der beteiligten Abteilungen und Reviere. Letzte Nacht hat es einen Toten gegeben.“
„Davon habe ich gehört“, sagte Mardo. Und etwas leiser – obwohl sie alleine im Lokal waren: „Haben Sie schon eine Spur?“
Leber schüttelte zum dritten Mal den Kopf. Das sollte nicht zur Gewohnheit werden, wenn er den Fall lösen wollte. „Es gibt ein Bekennerschreiben von einem Kommando Wolfgang Grams. Schon mal davon gehört?“
„Grams war ein RAF-Mitglied. Er kam in Bad Kleinen bei einem GSG 9-Einsatz ums Leben. Die Polizei sagt, er hätte sich selbst erschossen, die Linksradikalen sagen, er wäre hingerichtet worden.“
Leber war erstaunt über die Sachkenntnis des Detektivs. „Was denken Sie?“
„Mir ist es, ehrlich gesagt, egal. Damals war ich noch ein Kind. Das sind die Gefechte einer anderen Generation.“ Mardo grinste. „Das gute alte Wechselspiel von Repression und Revolte: Je stärker die Bürger unterdrückt werden, desto schneller kommt der Aufstand. Also provoziere ich mit Anschlägen den Staat, der daraufhin die Gesetze verschärft und seine Truppen aufstockt. Das war mal die Strategie der RAF, aber sie ist nicht aufgegangen. Du findest in Deutschland vielleicht eine Mehrheit, die für irgendwas den ‚Gefällt mir’-Button drückt, aber eine Polizeistation angreifen oder ein Geschäft plündern und anzünden – das trauen sich nur sehr wenige. Und daran wird sich vermutlich auch nichts ändern.“
Julia brachte zwei große Krüge mit Bier, eine Schüssel Spundekäs und einen Teller mit kleinen Salzbrezeln. „Lasst es Euch schmecken. Wenn ich Eure ernsten Gesichter sehe, will ich gar nicht wissen, über was Ihr schon wieder redet.“
Der Kommissar lachte. „Männergespräche, kennen Sie ja. Fußball und Politik.“
Julia grinste Mardo wissend an. „Dann werde ich mal die Tür abschließen und die Küche in Ordnung bringen.“
Als Julia gegangen war, fragte Leber: „Was ist denn bloß los in der linken Szene? Warum machen die hier so einen Aufstand? Wir haben hier keine Großkonzerne, keine Banken, keine Unmengen an Millionären. Ich verstehe das gar nicht.“
„Hier in Berlin geht es den Leuten um die Gentrifizierung.“
„Was? Ist das wieder so ein Ding mit Gender? Stecken die Emanzen dahinter?“ Er blickte sicherheitshalber über Mardos Schulter in Richtung Küche.
„Nein, Herr Kommissar. Gentrifizierung ist der Fachausdruck für die Verdrängung von armen Leuten durch reiche Leute in den einzelnen Stadtvierteln. Nehmen Sie nur mal den Prenzlauer Berg. Früher Hausbesetzer und Arme, jetzt die Besserverdienenden. Schicke, teure Wohnungen statt Klo auf halber Treppe. Entscheidend ist das Verhältnis von Spielhallen und Biomärkten in einem Viertel: Gibt es mehr Biomärkte als Spielhallen, gilt der Kiez als gentrifiziert. So erkennen Sie das Phänomen. Schauen Sie sich meinen Kiez an! Hier im Brunnenviertel gibt es noch keine Gentrifizierung. Aber direkt nebenan im Prenzlauer Berg wurde in den letzten zwanzig Jahren praktisch die gesamte Bevölkerung ausgetauscht.“
„Und deswegen schreiben die Linken Sprüche wie ‚Tötet Schwaben’ und ‚Yuppies abschlachten’ an die Häuserwände. So wie damals, als die ganzen Bonner Beamten nach Berlin gekommen sind. Da hieß es ‚Ausländer rein, Rheinländer raus’.“ Leber mampfte wie mechanisch die kleine Brezel mit Frischkäse in sich hinein.
Mardo sah es mit Wohlgefallen und fuhr fort. „Genau. Und die Schwaben sind aufgrund ihres schrecklichen Dialekts und ihrer merkwürdigen Essgewohnheiten sehr leicht zu identifizieren. Der Schwabe gilt mit seinen angeblichen Eigenschaften als Prototyp des deutschen Spießers: geizig und ehrgeizig, ordnungsliebend und gesetzestreu. Er ist der Zugereiste, er ist der Neue, der Böse, der anderen ihre Wohnung wegnimmt, weil er sich als Westdeutscher eine höhere Miete leisten kann.“
„Versteh ich immer noch nicht“, sagte der Kommissar und nahm einen großen Schluck Bier.
„Dazu muss man wissen, wie die linke Szene tickt. Der typische Bewohner eines Szenekiezes kommt aus den westdeutschen Bundesländern, er hat bewusst die Provinz mit der Großstadt vertauscht und hat bestimmte Erwartungen an das Metropolenleben. Der Neuankömmling schleppt quasi den Dreck aus der Provinz in den edlen Salon der selbsternannten Bohème. Die Provinz, der man entflohen ist, rückt mit jedem neuen Möbelwagen, der seinen Ikea-Plunder auf den Bürgersteig ergießt, wieder näher. Dazu kommt, dass ein echter Linker sein repressives Milieu braucht, einen Gegner, an dem er sich als Opfer von Ausbeutung, Unterdrückung oder sozialer Ungerechtigkeit abarbeiten kann. Ein solches repressives Milieu lässt sich leicht schaffen, in dem man nicht nur den Staat und die Wirtschaft zum Feindbild erklärt, sondern auch eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. ‚Der Schwabe’ wurde zum Feind um die Ecke, wenn der große Satan mit seinen Wasserwerfern und Luxuslimousinen sich mal wieder nicht im Kiez blicken lässt.“ Mardo war vom vielen Reden durstig geworden und setzte den Bierkrug an.
„Ach so. New York hat eine Chinatown in Manhattan, wir haben Schwabentown im Prenzlauer Berg. Und deswegen zünden diese Leute Autos und Kinderwägen in Hauseingängen an? Jeden Tag passieren Dinge auf dieser Welt, die einen nicht mehr schlafen lassen, wenn man sie zu Ende denkt. Und da regen die sich über Mieterhöhungen auf? Aber ermorden die auch einen Immobilienspekulanten?“
Mardo zuckte mit den Schultern. „Das kann ja auch ein Versehen gewesen sein.“
Leber riss ungläubig die Augen auf. „Der Mann war gefesselt und geknebelt. Außerdem gibt es ja das Bekennerschreiben. Ich verstehe die ganze Sache nicht.“ Leber zog eine weitere Brezel durch den Käse und steckte ihn sich in den Mund. Beinahe hätte er wieder den Kopf geschüttelt.
„Es ist bei den Linken ja nicht nur die Gentrifizierung. Es ist die ganze Sache mit dem Kapitalismus.“
„Auweia“, stöhnte der Kommissar. „Jetzt wird es theoretisch. Bei Talkshows kann ich immer am besten einschlafen.“
„Wer hat denn schon den Sachverstand, diese ganze Wirtschaftskrise zu verstehen? Die Ökonomen, die eigentlich kompetent sein müssten, sind ideologisch auf Neoliberalismus dressiert worden. Mit denen kannst du so wenig über Veränderungen im Wirtschaftssystem sprechen wie mit einem Zeugen Jehovas über Gott oder mit einem SED-Funktionär über Sozialismus. Sie klammern sich an ihr Mantra von den heilenden Kräften des Marktes, von der unsichtbaren Hand, die alles steuert. Angebot und Nachfrage finden sich von alleine, der Staat und wir Normalos stören da nur. Die Ökonomen erinnern mich an die linken Theoretiker mit ihrem Marx und dem ganzen Scheiß. Viel Bücherwissen, keinerlei Erfahrungswissen. Die können mir erzählen, dass die Lösung der Krise auf Seite 358 mit der Grafik 23 erklärt wird, aber die haben noch nie selbst in einer Firma gearbeitet. Kennen nur ihre Hochschule und haben vielleicht noch nicht mal während eines Praktikums vor dreißig Jahren selbst einen Hammer in der Hand gehabt oder einem Greis die Windeln gewechselt.“
Leber runzelte die Stirn. „Ja, solche Dinge gehen mir auch manchmal durch den Kopf. Aber wir können es nicht ändern, wir müssen sehen, wie wir unsere Aufgabe erledigen. Ich habe keine Ahnung, ob ich noch meine Pension bekomme oder ob es bis dahin überhaupt noch die Bundesrepublik gibt. Ich weiß nur, dass wir diese verdammten Brandstifter finden müssen. Es hat einen Toten gegeben. Sie werden sehen, dass auch heute Nacht wieder Autos brennen. Wir müssen diese Leute aufhalten, die uns jede Nacht die Stadt anzünden. Darüber denke ich nach – den Rest meiner Sorgen hebe ich mir fürs Wochenende auf.“ Dann trank er sein Bier leer.
Mardo stand auf und ging mit den leeren Krügen zum Zapfhahn. „Ich werde uns noch mal die Luft aus den Gläsern lassen.“
„Ich bitte darum.“
„Schwabe“ stand tatsächlich in Berlin für typisch deutsch, für Fleiß, Ordnung und oberlehrerhaftes Verhalten, dachte Mardo. Da machte er selbst keine Ausnahme, das Vorurteil hatte er auch. Die Deutschen waren ein Volk von Pädagogen, sie belehrten sich permanent gegenseitig. Wenn es eine typische Geste für dieses Land gab, dann war es der erhobene Zeigefinger. Andere Bevölkerungsgruppen, die unaufhörlich in diese Stadt sickerten, waren wesentlich unauffälliger. Nehmen wir zum Beispiel die Pfälzer: Sie galten als dumm, faul und versoffen. Das schien in Berlin gar nicht groß aufzufallen, die Pfälzer galten als integriert und großstadtkompatibel, obwohl sie häufig noch viel provinzieller waren als die Schwaben.
Als Mardo mit gefüllten Krügen zurückgekehrt war, fragte ihn der Kommissar: „Sie kennen doch die Szene sicher ein bisschen. Meinen Sie, es kommt hier irgendwann zu richtigen Straßenschlachten wie in London?“
„Die nächtlichen Plünderorgien in englischen Städten hatten eigentlich nichts mit Politik zu tun, zumindest waren die Jugendlichen nicht politisch motiviert“, antwortete Mardo. „Da haben enttäuschte Konsumenten, die vom Rest der Gesellschaft abgehängt wurden und in den schäbigsten Vierteln wohnen, ihre ganze aufgestaute Wut rausgelassen. Den ganzen Tag gaukeln ihnen die Medien die verführerischsten Konsumgüter vor, sie sehen die vielen schönen Dinge, die jeder unbedingt haben sollte und irgendwann auch jeder haben will – nur können sie sich diese Dinge nie leisten. Im kurzen Augenblick der Revolte haben sie dann eben keine Plakate gemalt und ihre Wut in Protestmärschen kanalisiert, sondern sie haben ihre aufgestauten Konsumwünsche hemmungslos ausgelebt, sich den erträumten Computer oder Fernseher einfach geklaut und gleich noch das Geschäft angezündet. Wer keine Hoffnung hat und keinen Respekt erwarten darf, ist dann im Zweifelsfalle genauso respektlos gegenüber der Gesellschaft. Das ist die dunkle Kehrseite des neoliberalen Egoismus: Nicht nur Manager denken so, sondern auch Straßenräuber. Dann schlägt man in seinem unpolitischen Zorn, der keine klare Zielrichtung findet, eben auch das eigene Stadtviertel kurz und klein.“
„Menschenskind, Mardo. Wusste gar nicht, dass Sie sich in solchen Dingen so gut auskennen.“
Mardo lächelte. „Als Jugendlicher war ich natürlich auch mal gegen das System. Wer in der Jugend nicht protestiert, hat doch irgendwas falsch gemacht, oder?“
„Na, sicher. Ob Rock’n Roll oder Occupy“.
Dann stießen die beiden miteinander an.
Der Kommissar wurde plötzlich ernst und beugte sich etwas nach vorne.
„Ich brauche Ihre Hilfe. Wir kommen an die linke Szene nicht ran. Könnten Sie sich da mal unauffällig für uns umhören?“ Mardo hatte dem Kommissar schon mehr als einmal bei der Lösung eines Falles geholfen.
„Als Bullenspitzel bin ich schnell erledigt. Wenn die Sache rauskommt, schmeißen die mir jede Nacht die Scheiben vom Lokal ein. Das kann ich mir nicht leisten.“
„Das wäre eine Sache nur zwischen uns beiden. Keine Akten, kein offizielles Treffen. Bitte, Mardo.“
Der Privatdetektiv überlegte lange, seine dunklen Augenbrauen waren dicht zusammengezogen, während er in seinen Bierkrug blickte und den Schaumbläschen beim Platzen zusah. Die Polizei, die Linke. Mardo erinnerte sich an einen Besuch in der norditalienischen Stadt Bergamo vor einigen Jahren. Nachdem er im Hotel eingecheckt und sich ein wenig ausgeruht hatte, wollte er zu einem Spaziergang in Richtung Altstadt aufbrechen und begab sich zu diesem Zweck in die Lobby. Als er durch die Drehtür auf den Vorplatz getreten war, sah er sich zu seiner Überraschung mit einer politischen Demonstration konfrontiert. Zu seiner Linken stand nach Art römischer Legionäre eine Hundertschaft der Polizei mit Helm und Schild. Zu seiner Rechten skandierten etwa tausend junge Menschen mit roten Flaggen und anderen Kennzeichen der allgemeinen Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen Sprechchöre und bedienten sich ausgiebig ihrer Trillerpfeifen. Dazwischen etwa fünfzig Meter nichts und in der Mitte dieses Nichts: Mardo, unschlüssig und trotz des nagenden Hungers einen Rückzug erwägend. Er spürte die Blicke auf sich, sah erneut einmal nach links und einmal nach rechts – dann entschloss er sich für den Weg zu den roten Fahnen. Am Rande der Straße öffneten die Demonstranten eine kleine Gasse, durch die er in die abendliche Stadt verduften konnte.
„Kommen Sie, Mardo. Morgen früh bekomme ich den Fall womöglich vom Staatsschutz abgenommen, dann sind mir die Hände gebunden. An jedem Kiosk wird morgen früh das Wort ‚Terrorismus’ in Großbuchstaben zu lesen sein. Selbstverständlich winkt eine fette Belohnung.“ Der Kommissar hatte längst aufgehört, Brezel zu essen, und blickte konzentriert auf Mardos gesenkten Kopf.
Der Detektiv hob den Kopf und sagte: „Also gut. Aber ich liefere Ihnen nur den Täter, sonst nichts. Keine weiteren Informationen, Namen, Hintergründe.“ Das Geld konnte er für das Restaurant gut gebrauchen und er war nicht in der Position, berufliche Angebote als Privatdetektiv ablehnen zu können. Außerdem machten sich auch in seinem Freundeskreis und in seiner Familie viele Menschen Gedanken über die mysteriöse Serie von Brandstiftungen, bei der es schon früher beinahe Tote durch Hausbrände gegeben hatte.
Leber strahlte. „Danke, Mardo! Wir spielen nach Ihren Regeln.“ Er hob seinen Krug und stieß mit seinem neuen Partner an. „Wenn wir zusammen arbeiten, können wir nicht einfach telefonieren. Es kann sein, dass am Tatort oder wo auch immer ich gerade bin der gesamte Funk aufgezeichnet wird. Wenn es um was Politisches geht, werden jede Menge Daten gesammelt, die Kollegen sind da sehr fleißig. Ich schlage vor, wir treffen uns bei Mungo Jerry.“
„Mungo Jerry. Wann und wo?“ antwortete Mardo ruhig.
Mungo Jerry war eigentlich eine Rockband aus den Siebzigern, deren Sänger rabenschwarze Koteletten in Flokatigröße hatte. Mardo und Leber hatten sich vor ein paar Monaten zufällig im Zoologischen Garten am Raubtierhaus getroffen. Mardo stand gerade vor dem bescheidenen Reich eines Mungos, als Leber vorbei gekommen war.
„Sie im Zoo?“ hatte Leber gefragt.
„Klar. Wieso nicht? Hab sogar eine Jahreskarte.“
„Ich auch. Das ist ja ein Ding.“
„Wissen Sie, was das für ein Mungo ist?“ hatte Mardo gefragt.
„Mungo Jerry“, hatte Leber geantwortet und gelacht. Als Mardo nicht mitlachte, hatte er ihm vom der Band erzählt. Mardo hatte „In the Summertime“ noch nie gehört, er war mit Techno und Hip-Hop aufgewachsen.
Aber es war ein guter Ort, um sich zu treffen und ein wenig miteinander spazieren zu gehen. „Mungo Jerry“ war der Ringelschwanzmungo, den man im Raubtierhaus gegenüber den Erdmännchen antreffen konnte. Mardos Lieblingstier war der gemächliche knuddelige Plumplori, der mit den anderen Nachttieren im Keller des Raubtierhauses lebte. Leber hatten es die Eisbären und die Flusspferde angetan.
„Das Raubtierhaus ist von neun bis achtzehn Uhr geöffnet, außerhalb der Öffnungszeiten treffen wir uns am Elefantentor“, sagte Leber. Natürlich würde er sein Handy zu Hause oder im Büro lassen, um nicht abgehört oder geortet zu werden. Wenn BKA und der Polizeiliche Staatsschutz vom LKA 5 im Spiel waren, musste Leber mit der Wahl seiner Methoden sehr vorsichtig sein. Es waren genau solche Fälle, denen verdiente Kollegen eine frühzeitige Pensionierung zu verdanken hatten. „Wenn Sie was haben, sagen Sie einfach ‚Mungo Jerry’ am Telefon und legen dann auf. Ich komme dann so schnell wie möglich an den vereinbarten Treffpunkt. Nehmen Sie nichts mit, womit man Sie orten könnte.“
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