Mittwoch, 26. November 2014
Rocky Palermo
1
Rocky „Das Messer“ Palermo. Mehr muss ich eigentlich nicht sagen. Der härteste Mann in der Buchbranche. Zwei Zentner Muskeln aus Stahl und ein Blick, der selbst gestandene Polizisten zum Weinen bringen konnte.
Seinen ersten Schriftsteller hatte er mit sechzehn Jahren in Las Vegas umgelegt. Der alte Mo, wie man Mostrich Bickelbach in der Literaturszene nannte, hatte seinen monatlichen Groschenroman schon wieder nicht abgeliefert. Er hatte Schulden, soff wie ein Loch und er kriegte den Stift einfach nicht mehr hoch. Zwei Kugeln aus einer schallgedämpften Beretta 9mm Parabellum in den Hinterkopf. Er hatte die Leiche in einen Müllcontainer geworfen, sie mit Benzin übergossen und seine brennende Zigarette hineingeworfen.
So hatte alles angefangen. Jetzt stand er am Fenster des Verlagshauses von Lansky & Falcone und blickte auf den morgendlichen Berufsverkehr von New York City hinab. Chicago hatte ihn geschickt, um die Geschäfte zu übernehmen. Lucky Scarfati machte einen Angelausflug im Hudson River. Mit seinen nagelneuen Betonschuhen würde er nicht sehr weit kommen.
„Die Sache mit Bonetti erledige ich selbst“, sagte Rocky Palermo, ohne sich zu seinen Gesprächspartnern umzudrehen.
Lansky und Falcone kannten die Regeln des Spiels. Ein falsches Wort und Das Messer würde sie zwingen, ihre eigenen Genitalien zu verspeisen.
Das Abschneiden von Körperteilen war seine Spezialität. Daher der Spitzname. Er schneidet dir die Ohren ab, wenn du nicht hören willst. Er schneidet dir die Zunge ab, wenn du mit den falschen Leuten geredet hast. Er zerlegt dich wie ein Sushi-Koch in deine Einzelteile, wenn er richtig böse auf dich ist. Rocky wurde sehr leicht böse. Und im Augenblick war er unglaublich wütend.
Was bildete sich dieser Andy Bonetti eigentlich ein? Wusste er überhaupt, mit wem er sich angelegt hatte, oder war er völlig wahnsinnig geworden? Die Buchmafia hatte beschlossen, Bad Nauheim zu übernehmen. Man konnte es akzeptieren oder verschwinden. Aber man konnte es ganz sicher nicht verhindern. Oder hatte Bonetti Hintermänner? Die Russen? Die Chinesen? Rocky Palermo würde es herausfinden.
2
Nur die härtesten Männer schaffen es in diesem Business nach ganz oben. Und nur ganz oben ist der Erfolg. Wasser fließt von oben nach unten, Geld fließt von unten nach oben. Das ist das Gesetz des Marktes. Ein Prozent der Buchveröffentlichungen machen 99 Prozent des Umsatzes. Die restlichen 99 Prozent der Bücher schaffen es nicht in die Bestsellerlisten, die Medien und die Schaufenster der Buchhandlungen. Ein großer Teil der Einnahmen wird gebraucht, um die Leute zu schmieren, die die Bestsellerlisten veröffentlichen. Um Verleger und Chefredakteure zu bestechen, die ihre schleimigen Schreiberlinge drittklassige Jubelarien fabrizieren lassen, die man aus Gründen der Nostalgie immer noch „Rezensionen“ nennt. Etwa fünf Prozent der Einnahmen gehen an die kleinen Stricher, die tatsächlich die Romane und Sachbücher schreiben. Diese Dummköpfe werden das Geschäft nie begreifen und platzen in den gekauften Talkshows fast vor Eitelkeit.
Rocky Palermo verachtete die Autoren und mied den persönlichen Kontakt. Aber dieser Bonetti war anders. Er hatte die New Yorker Familie aus Bad Nauheim verjagt und eine ganze Crew eliminiert. Er hatte die Großen herausgefordert. Darum wollte ihn Das Messer persönlich kennenlernen. Entweder wir machen einen Deal zu meinen Bedingungen – oder ich mache Hackfleisch aus diesem Hurensohn, dachte er, als die Boeing 747 in Frankfurt landete.
3
Sie trafen sich in den Katakomben von Paris, umgeben von den Schädeln und Knochen von Millionen Toten. Ein angemessener Ort für diese Begegnung. In Kopenhagen und Budapest hatten sie sich knapp verpasst.
„Nehmen Sie die Hände hoch, Mister Bonetti!“ Rocky Palermo hatte seine Glock 24 gezogen und richtete ihren Lauf auf das Herz des berühmten Autors.
Bonetti hob langsam die Arme in die Höhe und lächelte. „Glauben Sie, dass Sie in der Position sind, um Anweisungen zu geben?“ Er drehte den Kopf und nickte in Richtung einer dunklen Nische, die sich im Rücken seines Gegenübers befand.
„Der älteste Trick der Welt. Mehr fällt Ihnen am Ende nicht ein? Ich bin enttäuscht. In der Branche heißt es, Sie hätten Phantasie.“
Bonetti zwinkerte kurz mit dem linken Auge und sein Kammerdiener Johann trat aus der Nische. Er hielt eine MP 7 von Heckler & Koch in der Hand, deren Lauf er Palermo in den Rücken drückte.
„Darf ich nun fragen, mit wem ich das Vergnügen habe?“ Bonetti ließ die Arme wieder sinken.
„Rocky Palermo. Ich vertrete seit dieser Woche die Interessen von Lansky & Falcone.“
„Es gibt zwei Möglichkeiten, Mister Palermo. Entweder wir sterben beide oder wir kommen ins Geschäft. Wie entscheiden Sie sich?“
Palermo zielte mit seiner Waffe weiter auf Bonetti. Wer als erster schießt, stirbt als zweiter. Regel Nummer 1 in einem Mexican standoff. Wer seine Waffe sinken ließ, starb alleine. Regel Nummer 2.
„Wir würden gerne mit Ihnen ins Geschäft kommen, Mister Bonetti. Wie Sie wissen, geht es um eine Krimi-Reihe.“
„Das ist ganz einfach. Ich verlange ein Drittel vom Gewinn und die gesamten Merchandising-Rechte.“
„Das komplette Merchandising? Sie sind wahnsinnig. Das Geschäft mit den T-Shirts und den Action-Figuren ist das Herzstück jeder Vereinbarung. Ich gebe Ihnen dreißig Prozent bei der Vermarktung und zwanzig Prozent bei den Büchern. Dabei verdienen Sie doppelt so viel wie andere Autoren.“
„Sie Blutsauger! Unter fünfzig Prozent beim Merchandising unterschreibe ich nicht. Nur über meine Leiche! Und bei den Büchern will ich dreißig Prozent. Das ist mein letztes Wort.“
Die Spannung war kaum noch zu ertragen.
Eine falsche Bewegung und es würde zu einem erbarmungslosen Blutbad kommen.
Fortsetzung folgt.
The B-52's - Party out of Bounds. http://www.youtube.com/watch?v=MNX1knUjZl4
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen