Donnerstag, 27. November 2014
Atemzüge eines Kartenhausbewohners 1
„Bescheidenheit ist eine Eigenschaft, für die der Mensch bewundert wird, falls die Leute je von ihm hören sollten.“ (Edgar Watson Howe)
„Keine Zeit“ – der Schlachtruf aller wichtigen Menschen. Wer Zeit hat, macht sich schon verdächtig.
Ab 1.1.2015 wird EU-weit ein Aufkleber mit der Aufschrift „Kann Reste von Verstand enthalten“ Pflicht, der auf der Stirn angebracht werden muss.
Wegen des abgelaufenen TÜV seiner Espressomaschine musste der Wirt seine Pizzeria schließen. Der neue Wirt stammt aus Kalabrien, hat schwarzglänzende, glatt zurückgekämmte Haare, ein Glasauge und seine beiden Gesichtshälften sind völlig unterschiedlich. Vermutlich ist er ein Mitglied der Mafia und lässt mich beseitigen, wenn er diesen Text liest.
Verleihe nicht das Gold deiner Jahre an irgendeinen Arbeitgeber, denn du siehst es nie wieder.
Dein Ideal ist nur das Zentralgestirn, unter dessen Licht du dein Feld bestellst. Willst du dieses Feuer wirklich auf die Erde holen, wird es dich als Ideologie verbrennen.
Nachmittagsgeräusche im Sommer wie das Brummen einer Propellermaschine am Himmel.
Katastrophen wie eine Flut sind die großen Momente der Obrigkeit: Gott schickt uns Wasser, aber die Regierung hat Sand!
Kulturjournalisten werfen jede Woche im Auftrag ihrer Vorgesetzten ihr Licht auf einen anderen Künstler. Eckermann hat Goethe ein Denkmal gesetzt, das Feuilletonistenvolk ist dagegen die Hure Eckermann, die sich immer wieder aufs Neue feilbieten muss, weil sich das Lob nun einmal vorteilhafter auf das Anzeigengeschäft ihres Unternehmens auswirkt als ein Verriss. Sie sind Sklaven des Neuen, das ist der Fluch ihres Berufs. Keine Bücher aus anderen Jahrhunderten, keine Musik und keine Kunst aus der Vergangenheit. Sie lesen nichts zwei- oder dreimal. Sie dürfen sich nicht verlieben, auch darin ähneln sie Prostituierten.
Was kennen die Leute wirklich? Ihre Wohnung, ihren Arbeitsplatz, ihren Supermarkt. Den Rest der Welt nehmen sie über die Medien wahr. Wir haben es uns in der Komfortzone des Planeten gemütlich gemacht und glauben, mehr zu wissen als unsere Vorfahren. Aber unser Wissen ist gleich geblieben, nur unsere Illusion von Wissen ist ins Unermessliche gewachsen.
„Die imperiale Impertinenz des rostroten russischen Riesenreichs“ träume ich bei einem Nachmittagsnickerchen und kann beim Erwachen die Formulierung dem eigentlichen Traum nicht zuordnen, in dem ich auf einem Fortbildungsseminar für Langzeitarbeitslose in irgendeinem Kaff gewesen bin. Wir gingen in einer Gruppe an einem Fluss entlang und ich habe einem Anzugträger ins Gesicht geschlagen, der sich über uns lustig gemacht hatte. Aber was hat Mütterchen Russland, diese moribunde Metze, damit zu tun?
Ähnlich rätselhaft: „Deine Zukunft bekommst du nie wieder“. Aphoristische Restbestände beim Erwachen. Und für eine deutsche Reisegruppe mitten im syrischen Bürgerkrieg, wir sind in einem Bus unterwegs und absolvieren gerade ein Abendessen bei einer „typisch syrischen Familie“, arbeite ich in der nächsten Traumnacht als „Oralmodulator“, der übersetzt und den Reisenden die Sitten und Gebräuche des Landes erklärt, beispielsweise den Genuss von Haschisch. Ergibt das alles irgendeinen Sinn?
Am Abend nimmt er sich vor, etwas in seinem Leben zu ändern, und am nächsten Tag fährt er zu IKEA und kauft neue Handtücher.
Berlin und seine Großprojekte, der unbeschreibliche, unerträgliche Dilettantismus eines unverschämten Bürgermeisters und seines unfähigen Senats. Bürokratien sterben nicht, aber sie verwildern und verlottern, wenn man sie nicht pflegt. So wie ein Gemüsegarten wieder zur Wildnis wird, wenn man ihn nicht fachgerecht bearbeitet und nutzt.
Ich bin jetzt 48 Jahre alt. Da fragt man sich beim Kauf einer Winterjacke: Lohnt sich die Anschaffung überhaupt noch?
Bush - Swallowed. http://www.youtube.com/watch?v=Q7RVp3DvX1o
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen