Donnerstag, 12. Juni 2014
Jenseits der Grenze
"Isst du Haschisch, wird dein Verstand nicht vermehrt,/isst du es nicht, wird die Welt auch nicht besser.
Isst du wenig, wird Trauer in Lachen verkehrt,/aber zuviel wird ein glühendes Messer.
Ein jeder, der Haschisch zum Sklaven verfällt,/wird ein lebender Toter, vom Schlafe gefällt.
Während ein Korn den Verstand dir erweitert,/ist der Maßlose an seiner Dummheit zerschellt."
(persisches Gedicht aus dem zwölften Jahrhundert)
Damals gab es noch Grenzen. Und wir hatten einen ganz einfachen Trick, sie zu überwinden. Wir waren als zwei Handwerker verkleidet, die auf der anderen Seite der Grenze schwarz arbeiteten. Fleckige Latzhosen, verwaschene Sweatshirts, belanglose Halbschuhe. Dazu ein dunkelblauer Ford Kombi mit Werkzeug hinten drin (Tipp: Benutzen Sie für solche Aktionen niemals einen pfirsichfarbenen Cadillac Eldorado, auf dessen Rückbank ein Seehund einen korallenroten Gummiball jongliert!). Samstagmorgen rollten wir so bei Aachen über die Grenze nach Dopeland und die Grenzer dachten bei unserem Anblick: Die Jungs fahren nach Eindhoven oder Utrecht, um irgendwo eine Terrasse zu fließen oder ein Dach auszubessern. Natürlich ohne Rechnung. Die bescheißen das Finanzamt – Recht so. Mit einer kleinen Unregelmäßigkeit überdeckst du ein großes Verbrechen. Das ist besser, als wenn du wie der totale Saubermann unterwegs bist. Das mögen noch nicht mal die Bullen.
Dann fuhren wir zu Eddy nach Maastricht. Anfangs war Eddy in einer Wohnung in der Innenstadt. Alle Zimmer leer. Nur im Wohnzimmer eine gepolsterte Sitzgruppe mit Tisch, Fernseher und Stereoanlage. Und natürlich ein Kühlschrank in der leeren Küche. Shit-Platten und Marokk-Eier wiegen, ein bisschen plaudern. Einmal musste ich eine Zivilstreife in der Innenstadt abhängen, mit vier Platten, also einem Kilo für dreitausend Mark, in den Jackentaschen. Später hatte Eddy einen alten Lastkahn, der am Flussufer festgemacht war. Man denkt immer, so ein Schiffsbauch ist riesig, aber es sind enge dunkle Gänge, bis man dann wieder in einem Wohnzimmer sitzt und den Stoff inspiziert. Verpackt haben wir den Kram auf einem Waldweg. Wir haben Mörtel in einem Eimer angerührt, dann haben wir die in Plastik eingeschweißten Platten in den Mörtel gedrückt, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Wenn der Mörtel hart war, haben wir eine Kelle und anderes Werkzeug draufgeworfen und den Eimer zwischen den anderen Baustellenkram hinten in den Kombi gestellt. So sind wir dann wieder nach Hause gefahren. Maximal zwei Ki gingen mit der Nummer.
Damals gab es noch Grenzen. Wir sind nie direkt zurückgefahren, sondern über Belgien und Luxemburg. Zwischen Holland und Belgien ist eine Ampelanlage auf der Autobahn, die den Grenzverlauf anzeigt. Und eines Tages passierte es dann: Die Ampel war rot. Sie winken uns raus und bitten uns in die Wache. Mit einem Drogenhund wird unser Auto durchsucht, während wir – äußerlich entspannt – nebeneinander auf unseren Stühlen sitzen. Am Abend vorher hatten wir uns noch „Midnight Express“ auf Video reingezogen. Du-Duff Du-Duff Du-Duff. Ich kann hören, wie meine Pumpe geht. Hören es auch die Bullen? Neben uns sitzen zwei junge Typen aus Nordafrika und ich bin sicher, dass sie das gleiche fühlen und denken. Ein kurzer Blick genügt. Wir erkennen uns gegenseitig und wenden den Blick ab, ohne den Gesichtsausdruck zu ändern. Da fällt mir ein, dass ich ein bisschen Gras im Handschuhfach habe, nur für die Reise. Verdammt! War’s das? Oder haben wir es geraucht? Eine Viertelstunde später dürfen wir weiterfahren. Wir lachen wie Helden.
Ultravox – Astradyne. http://www.youtube.com/watch?v=G25MLVUrG3A
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