Sonntag, 8. Dezember 2013
Neuanfang: Der erste Text des Dorfschreibers von Schweppenhausen
An den Banken können wir exemplarisch erklären, wie Marktwirtschaft eigentlich funktioniert und wie deren Spielregeln aktuell manipuliert werden. Schon bei den alten Griechen, etwa in Platons „Staat“, können wir die Regeln des Marktes und deren Schutz nachlesen: Auf dem freien Markt kommen Käufer und Verkäufer ins Geschäft, in dem sie im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage die Preise von Gütern und Dienstleistungen ermitteln. Dem Staat, der sich nicht in diesen Markt einmischen darf und dessen Vertreter darum auch nicht gleichzeitig professionelle Marktteilnehmer sein dürfen, obliegt die Aufgabe, den Markt vor Gewalt zu schützen (so dass nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern über Marktpreise angstfrei verhandelt werden kann), die Einhaltung der Spielregeln zu gewährleisten und alle Maßeinheiten der Handelsgüter zu kontrollieren. Soviel zur theoretischen Grundlage, die seit tausenden von Jahren bekannt sein dürfte.
Nun zur Praxis: Jeder einfache Metzger weiß bis zum heutigen Tage, dass er seine Waage nicht selbst justieren darf, sondern sein Messinstrument von einem amtlich bestellten Eichmeister regelmäßig kontrolliert wird. Würden wir es den Metzgern selbst überlassen, die Waage einzustellen, würden wir sie einer Verlockung preisgeben, denen die charakterlich schwächsten unter ihnen nicht widerstehen könnten. Die „schwachen“ Händler würden die Waage und damit den Kaufpreis zu ihren Gunsten ändern und die Kunden um ihr Geld betrügen (und den ehrlichen Kollegen auf dem Markt schaden). Darum legt der Staat nicht nur fest, wie viel ein Kilogramm ist, sondern auch, wie es auf den Messinstrumenten der Marktteilnehmer exakt angezeigt werden kann. Hätten Käufer und Verkäufer ihre eigenen Waagen, würden die endlosen Debatten um das tatsächliche Gewicht einer Ware nur die Geschäfte stören.
Dieses Grundprinzip ist in der Finanzwirtschaft zerstört: Die Banken, also die Marktteilnehmer, legen inzwischen den Libor (Zinssatz im Geldgeschäft zwischen den Banken) und die Referenzwerte für Währungen und Gold fest, nicht mehr der neutrale Staat. Und offensichtlich sind die charakterlich schwächsten unter ihnen der Verlockung erlegen und haben diese Werte zu ihren eigenen Gunsten manipuliert. Die Deutsche Bank und andere Unternehmen der Branche sind gerade dabei erwischt worden. Ähnlich wie ein Metzger, der seinen Daumen auf der Waage hat und uns hundert Gramm Wurst für den Preis von zweihundert andrehen will, steht das Frankfurter Wettbüro nun am öffentlichen Pranger. Traurig ist in diesem Zusammenhang nicht die Dreistigkeit, mit dem die Oberbuchmacher wie Fitschen auf diese Enthüllungen reagieren, anstatt bußfertige Reue zu zeigen, sondern die Schwäche des Staates, der seiner elementaren Ordnungsfunktion für das Funktionieren der Marktwirtschaft nicht mehr nachzukommen vermag. Und darum regen sich die Menschen zurecht nicht nur über einzelne betrügerische Banken, sondern auch über unsere gewählten Volksvertreter auf, die ihre Pflichten nicht erfüllen wollen.
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