Montag, 27. August 2012
Mit den Clowns kamen die Tränen
Der 23. August hat vor allem eines gezeigt: Der Dialog zwischen der Bevölkerung und ihrer politischen Vertretung im Bezirk Mitte und im Senat ist gescheitert. Als die BVV an jenem Tag zur öffentlichen Debatte und zur Abstimmung über die Zukunft des Mauerparks einlud, ging es schon lange nicht mehr um Argumente. Zornige Gegner der Parkbebauung hatten Drohbriefe geschrieben, auf die man seitens der sogenannten Volksvertreter mit Angst und Repression reagierte. Der Sitzungssaal wurde auf Sprengstoff untersucht und ein hyperventilierender BVV-Vorsitzender forderte ein massives Polizeiaufgebot an. Es zeigt sich einmal mehr, dass die eiskalte Strategie der Herren Gaebler, Hanke und Spallek nicht aufgeht. Sie haben einseitig den Dialog mit den Bürgerinitiativen, den Anwohnern und selbst mit der von Bezirksseite installierten Bürgerwerkstatt aufgekündigt, um mit putinscher Härte ihre eigenen Interessen und die Verwertungsinteressen eines österreichischen Immobilienspekulanten durchzusetzen. Damit haben diese Männer den Raum für eine gütliche Verständigung mit dem Bürger verlassen. Der alte SPD-Stratege Herbert Wehner hat einmal gesagt: Wer raus geht, muss auch wieder rein kommen. Wenn die Betonfraktion um Gaebler, Hanke und Spallek wieder ins Gespräch mit dem Bürger kommen möchte, sollten sie lernen, sich für die Argumente ihrer Wähler und Steuerzahler zu öffnen. Diese drittklassige Politfarce letzte Woche hat der Mauerpark nicht verdient. Wenn es bei der nächsten BVV-Sitzung wieder so laufen sollte wie bisher, dann haben die Politiker auch den letzten Rest von Respekt verspielt. Und das bedeutet in letzter Konsequenz, dass viele Bürger die Entscheidungen nicht respektieren werden, die in Sachen Mauerpark getroffen werden. Respekt ist keine Einbahnstraße – und Bürgerbeteiligung ist kein Marketingspielzeug für Berliner Politclowns.
Donnerstag, 23. August 2012
Zum Ende der Hundstage
Las Vegas 1993: Tagsüber ist die Stadt staubig und heiß, ohne Farbe, ohne Trost. Nachts träumen wir von einem besseren Leben und erwachen völlig verschwitzt am nächsten Morgen. Berlin im Sommer 2012 ist genauso.
Neulich sogar mal wieder der alte Schriftstellertraum: Ich will einen Gedanken aufschreiben, finde aber weder Stift noch Papier. Während ich versuche, die Formulierungen im Gedächtnis zu behalten, suche ich immer ungeduldiger nach einer Möglichkeit der Niederschrift. Dann, als ich endlich zum Schreiben komme, wache ich auf und kann mich an den Text nicht mehr erinnern.
Frankfurt II
Scheiß Globalisierung! In Frankfurt heißt das Spießbratenbrötchen plötzlich nicht mehr Spießbratenbrötchen, sondern Krustenbratenbrötchen. Es ist aber nach wie vor der gleiche Schweinebraten und man wird gefragt, ob man es mit eingelegten Zwiebeln haben möchte oder ohne. Selbst auf meine ausdrückliche Bestellung eines Spießbratenbrötchens gab es keine Diskussion, sondern ein sogenanntes Krustenbratenbrötchen, dass sich geschmacklich und preislich nicht von den früheren Brötchen unterscheiden ließ. Damit hat man eine Spezialität des Rhein-Main-Gebiets (obwohl der Spießbraten ursprünglich in Idar-Oberstein in der Pfalz erfunden wurde, aber das ist eine andere Geschichte) zu einem Mainstream-Produkt herabgewürdigt. Dabei wurde es nicht einmal verenglischt oder eingedeutscht, nein: es wurde eingebayert. Als ob bayrische Küche und Kultur typisch für das ganze Land wären – quasi auf niedrigstem Niveau findet man eine gemeinsame Basis. Laufen jetzt die Frauen im Dirndl durch Sachsenhausen und auf der Kaiserstraße prahlen die Kerle mit ihren riesigen Gamsbärten? Ja, Kruzifix nochamaoi, Herrschaftzeiten, sind des Zuständ, ja mei!
Mordor und Mappus - Mops und Moneten
Wie soeben gemeldet wird, hat Mappus die Festplatte seines Arbeitscomputers im Amtssitz des BaWü-MiPrä zerstören lassen. Es heißt, man hätte den Datenspeicher im Höllenschlund des Schicksalsbergs von Mordor, im Herzen von Saurons Reich, entsorgt.
Die Kri-hise
Ich hätte gerne ein neues Problem. Irgendwas anderes, etwas frisches, das meine Aufmerksamkeit kitzelt. Vielleicht nicht so exotisch wie eine UFO-Landung in Weißensee, aber auch nicht so banal wie Schweinegrippe. Ich kann diese Euro-Scheiße nicht mehr hören. Krise hier, Krise da. Am liebsten würde ich vorspulen und gucken, wie es ausgeht. Was nach dieser Krise kommt, ist garantiert die nächste Krise. Und die ist noch größer als die aktuelle. Es kann nicht die zweitschwerste Krise aller Zeiten vor uns liegen, das entspricht nicht der Dramaturgie. In einem „guten“ Hollywoodfilm ist die letzte Explosion immer die größte, die vorletzte die zweitgrößte usw. Wir steigern uns von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Rudi Völler hat es 2003 in seinem legendären Interview mit „Drei-Weizen-Waldi“ Hartmann ja bereits visionär beschrieben: „Die Geschichte mit dem Tiefpunkt, und nochmal ein Tiefpunkt. Da gibt's nochmal einen niedrigen Tiefpunkt. (…) Aber ich kann diesen Käse nicht mehr hören nach jedem Spiel, in dem wir kein Tor geschossen haben, dann ist noch eine tieferer Tiefpunkt.“
Samstag, 18. August 2012
Franken
Abend auf dem Dorf. Ich gehe aus dem Gasthaus hinaus und durch die leeren stillen Gassen. Die sinnlose Virilität kleiner Jungen, die mit ihren Fahrrädern um die Ecke geschossen kommen und rätselhaften Zielen entgegen eilen, die sie vermutlich selbst nicht kennen. Um die Kirche herum die geduckten, vom Efeu sanft beherrschten Häuser aus Sandstein, jeder gehauene Steinblock ist ein Solitär. Aus den Gebäuden treten gelegentlich stumme Menschen, die mich mit einem Winken grüßen, obwohl sie mich nicht kennen. Ich grüße zurück und tauche in den Frieden dieses Dorfes ein, während die Sonne langsam hinter den Wiesen am Horizont versinkt.
Berufsbezeichnung auf meiner nächsten Visitenkarte: Universalexperte.
Der grün-weiß geringelte Mensch am Stammtisch: „Ich bin zwei Polo-Hemden.“
Man muss in fränkischen Gasthäusern gar kein Entertainment in Form von Radio, Fernsehen usw. anbieten. Hier kommt man zum Trinken her. Da sitzt ein Greis mit einer Zeitung, wir sind an diesem Vormittag die einzigen Gäste und bekommen von ihm unsere geregelte Bierinfusion. Aus der Küche hören wir die Würste in der Pfanne prasseln, der Geruch guter Butter dringt in den Gastraum. Es ist die Tochter, die uns das Essen zubereitet, der Sohn ist Metzger. Nicht nur das Bier, auch Brot und Wurst macht die Familie selbst. Dorfkinder kommen in Gruppen herein gerannt und kaufen Eis am Stiel. Die großen Weltthemen bleiben unangesprochen, kleine Themen wie Durst oder Wetter wandern ins Zentrum der Erörterungen.
„Genusswandern“ nennen es die Marketingstrategen, wenn man von Dorf zu Dorf unterwegs ist, um die vielen lokalen Bier- und Wurstspezialitäten zu verkosten. Konkret sieht das so aus: Um Punkt neun Uhr, nach einem ausgiebigen Frühstück, wartet der Kollege N. bereits vor dem Brauereigasthof in Aufseß. Er ist mit seinen Hochgebirgswanderstiefeln, dem Nordic Walking-Besteck, sowie einer hochpreisigen Wanderhose nebst Multifunktionsweste ausgerüstet, als ginge es auf den Nanga Parbat. Was in seinem Rucksack ist, bleibt sein ewiges Geheimnis. Dann marschieren wir tapfer und ohne auf halber Strecke biwakieren zu müssen die eineinhalb Kilometer zu Kathi-Bräu. In knapp dreißig Minuten überwinden wir – der Kollege hat selbstverständlich einen Höhenmesser dabei – etwa sechzig Höhenmeter. Aber nicht nur der Kampf mit der Steigung, sondern auch das Ringen mit der unmenschlichen Einsamkeit auf unserer Expedition erfordert höchste Konzentration und den bedingungslosen Einsatz aller Kräfte. Dafür belohnen wir uns nach der Zielankunft mit drei großen Bieren und einer Brotzeit. So etwas nenne ich: Sporturlaub in Franken.
Dienstag, 14. August 2012
Frankfurt
Die Bankzentralen in Frankfurt zeigen uns, wo der Zaster liegt. Wie Geldfontänen, die zu Glas geronnen sind, wirken diese riesigen Türme. Hier ist das Öl der Finanzmärkte nach oben geschossen, hier stehen die Fördertürme des Kapitalismus. Dagegen wirken die Anlagen auf den Ölfeldern in Texas oder Saudi-Arabien wie Spielzeug aus dem vergangenen Jahrhundert.