Samstag, 18. August 2012
Franken
Abend auf dem Dorf. Ich gehe aus dem Gasthaus hinaus und durch die leeren stillen Gassen. Die sinnlose Virilität kleiner Jungen, die mit ihren Fahrrädern um die Ecke geschossen kommen und rätselhaften Zielen entgegen eilen, die sie vermutlich selbst nicht kennen. Um die Kirche herum die geduckten, vom Efeu sanft beherrschten Häuser aus Sandstein, jeder gehauene Steinblock ist ein Solitär. Aus den Gebäuden treten gelegentlich stumme Menschen, die mich mit einem Winken grüßen, obwohl sie mich nicht kennen. Ich grüße zurück und tauche in den Frieden dieses Dorfes ein, während die Sonne langsam hinter den Wiesen am Horizont versinkt.
Berufsbezeichnung auf meiner nächsten Visitenkarte: Universalexperte.
Der grün-weiß geringelte Mensch am Stammtisch: „Ich bin zwei Polo-Hemden.“
Man muss in fränkischen Gasthäusern gar kein Entertainment in Form von Radio, Fernsehen usw. anbieten. Hier kommt man zum Trinken her. Da sitzt ein Greis mit einer Zeitung, wir sind an diesem Vormittag die einzigen Gäste und bekommen von ihm unsere geregelte Bierinfusion. Aus der Küche hören wir die Würste in der Pfanne prasseln, der Geruch guter Butter dringt in den Gastraum. Es ist die Tochter, die uns das Essen zubereitet, der Sohn ist Metzger. Nicht nur das Bier, auch Brot und Wurst macht die Familie selbst. Dorfkinder kommen in Gruppen herein gerannt und kaufen Eis am Stiel. Die großen Weltthemen bleiben unangesprochen, kleine Themen wie Durst oder Wetter wandern ins Zentrum der Erörterungen.
„Genusswandern“ nennen es die Marketingstrategen, wenn man von Dorf zu Dorf unterwegs ist, um die vielen lokalen Bier- und Wurstspezialitäten zu verkosten. Konkret sieht das so aus: Um Punkt neun Uhr, nach einem ausgiebigen Frühstück, wartet der Kollege N. bereits vor dem Brauereigasthof in Aufseß. Er ist mit seinen Hochgebirgswanderstiefeln, dem Nordic Walking-Besteck, sowie einer hochpreisigen Wanderhose nebst Multifunktionsweste ausgerüstet, als ginge es auf den Nanga Parbat. Was in seinem Rucksack ist, bleibt sein ewiges Geheimnis. Dann marschieren wir tapfer und ohne auf halber Strecke biwakieren zu müssen die eineinhalb Kilometer zu Kathi-Bräu. In knapp dreißig Minuten überwinden wir – der Kollege hat selbstverständlich einen Höhenmesser dabei – etwa sechzig Höhenmeter. Aber nicht nur der Kampf mit der Steigung, sondern auch das Ringen mit der unmenschlichen Einsamkeit auf unserer Expedition erfordert höchste Konzentration und den bedingungslosen Einsatz aller Kräfte. Dafür belohnen wir uns nach der Zielankunft mit drei großen Bieren und einer Brotzeit. So etwas nenne ich: Sporturlaub in Franken.
Sowie es Rheinhessen, Pfälzer, Hunsrücker gibt, so gibt es auch Unterfranken, Mittelfranken und Oberfranken :-)
AntwortenLöschenUnd das Genusswandern war doch wohl mehr ein Brauereiwandern oder ?
Dennoch : Chapeau
4 Brauereien auf 13km und bei wieviel Maß :-) ?
http://www.aufsess.de/brauereienweg.php