Mittwoch, 27. Juni 2012
Frischer Unsinn
„Wir haben keine Zeit für Erklärungen! Wir haben ganz grundsätzlich keine Zeit!“ (Paragraph 1 einer neuen Bewegung)
Manche Menschen sind wie Mörtel, der die Steine zusammen hält. Manche Menschen sind wie Schimmel, der die Wände zersetzt.
A: Wieso steht dort „Sie starb glücklich“? B: Warum sollte man ausgerechnet bei einem Grabstein ehrlich sein?
Man sollte die Menschen des Mittelalters nicht geringschätzen, nur weil sie nicht unsere Bildung besaßen. Sie wussten – im Gegensatz zu uns – noch sehr genau, wofür sie lebten und wofür sie starben.
Dienstag, 26. Juni 2012
Eine teuflische Begegnung
Neulich habe ich den Teufel getroffen. Er sah gar nicht gut aus. Es war schon später Abend, als ich ihn auf einer Parkbank in meinem Viertel getroffen habe. Der Volkspark hatte sich längst geleert, das Kinderlachen war verstummt und ein hartnäckiger Nieselregen kitzelte mich im Gesicht. Als ich gerade an ihm vorüber ging, blickte er zu mir auf. Ein trauriger Blick traf mich. Offenbar war er ein Obdachloser, der sich in die Einsamkeit zwischen den hell erleuchteten Häusern zurück gezogen hatte.
„Abend“, sagte ich automatisch.
„Abend“, murmelte er zurück und sah mich weiter an.
Seine Augen schienen in der Dämmerung zu glühen. Ich blieb stehen. Das war sicher ein Fehler, weil man sich in der großen Stadt nie um fremde Menschen kümmern darf. Aber ich konnte nicht anders.
„Alles klar?“ fragte ich unbeholfen.
„Nein“, antwortete er. "Es geht mir schlecht.“
Ich hielt ihm wortlos meine Flasche hin, aber er schüttelte nur den Kopf. Das war es also nicht.
„Darf ich mich einen Augenblick zu Ihnen setzen?“ fragte ich übertrieben höflich.
„Ja, das ist nett. Es reden so wenige Menschen mit mir.“
Ich setzte mich und betrachtete den Mann zum ersten Mal aus der Nähe. Er hatte eine ungesunde rote Gesichtsfarbe, die auf Bluthochdruck schließen ließ, und pechschwarzes Haar, das trotz des schwachen Lichts wie frischer Asphalt glänzte. Er trug einen löchrigen Lodenmantel und abgewetzte Lederstiefel.
„Warum sind Sie denn allein?“ fragte ich naiv und lehnte mich ein wenig zurück.
„Die Menschen hören mir einfach nicht mehr zu. Früher war es meine Aufgabe, Menschen zu verführen. Ich war ein großer Künstler der Verführung. Klugen Menschen habe ich meinen Willen aufgezwungen, selbst dem großen Doktor Faust …“
„Die Romanfigur?“ Offensichtlich war der Mann nicht ganz bei Trost.
„Nein, den echten Faust. Ich bin der Teufel.“
„Sie? Der Teufel?“ Verblüfft schüttelte ich den Kopf.
Er lächelte und sprach weiter: „Früher haben die Menschen auf mich gehört, wenn ich Ihnen Reichtümer versprochen habe. Sie haben mir ihre Seele verkauft, ich konnte mit ihnen spielen. Und jetzt? Bin ich arbeitslos.“
„Aber warum denn?“ Ich glaubte dem Mann kein Wort, war aber doch zu neugierig, um zu gehen.
„Die Menschen brauchen den Teufel nicht mehr, um schlecht zu sein“ fuhr er fort. „Warum soll ich noch jemanden zum Diebstahl verführen, wenn die Banker legal Millionen stehlen? Wie soll ich einem Politiker Macht verschaffen, der seine Seele längst an jemand anderen verkauft hat? Welche Motivation brauchen die Generäle und anderen Massenmörder noch, die sie selbst nicht längst schon hätten?“
Der Mann hatte recht. Schlechte Zeiten für den Teufel.
Mittwoch, 20. Juni 2012
Ein Lehrstück in Sachen Globalisierung
Vor ein paar Tagen rief ein Herr X aus Madrid an und fragte, ob ich für eine Kette von namhaften deutschen Autohäusern als Texter arbeiten wolle. Ich war natürlich sehr überrascht, woher ein spanischer Autohändler den Kiezschreiber aus Berlin kennt. Er sagte, er habe mein Blog gelesen. Ich solle bitte eine europaweite Kette von Händlern mit Contents für ihre Seiten beliefern und ihre Auftritte in den Social Medias pflegen. Konzeptpapiere und Kostenvoranschläge wurden hin und her geschickt … - und dann stellte sich bei einem weiteren Telefonat heraus, das er einen Auto-Journalisten im Karrierenetzwerk Xing gesucht und mich mit jemand anderem verwechselt hatte. Ich habe ja noch nicht mal ein Auto und bin erklärter Gegner jeglicher Beschleunigungstechnologie (außer Rotwein). Statt mit dem von mir vorgeschlagenen Kollegen in Berlin sollte ich mit einer peruanischen Programmiererin zusammenarbeiten, der man 300 Dollar im Monat für einen Vollzeitjob angeboten hat. Das ist Globalisierung live, meine Damen und Herren …
Hier mein Brief an Herrn X aus Madrid:
Lieber Herr X,
Ihnen dürfte es bei unserem gestrigen Telefonat aufgefallen sein, mir ist es nach einer kurzen Recherche klar geworden: Sie haben auf Xing nach einem Auto-Journalisten gesucht und einen "Mathias Ebeling" gefunden, der genau das anbietet, was sie suchen. Dann haben Sie offenbar bei Google einen Eingabefehler gemacht und sind bei "Matthias Eberling", einem Lokaljournalisten und Schriftsteller in Berlin, gelandet. Daher wird es nun Zeit, diese kleine und amüsante Verwechslung, die mich an einen meiner Lieblingsfilme - "The Big Lebowski" - erinnert, zu beenden. Seien Sie versichert, dass ich alle mir anvertrauten Interna diskret entsorgen werde.
Eine Sache fand ich allerdings weniger amüsant: Sie lassen eine Frau in Peru für 1,50 Euro die Stunde programmieren und wollten "meinen" Webdesigner in Berlin ausbooten, weil er zu teuer ist. Das die Menschen im globalen Maßstab so gnadenlos gegeneinander ausgespielt werden, ist eines Unternehmens wie Y unwürdig. Und natürlich wird in meinem Team niemand gegen den anderen ausgespielt. Auch Freibeuter haben ihre Prinzipien ...
Leben Sie wohl, mein kleiner Machiavelli ;o)
Dr. Matthias Eberling