Sonntag, 14. Dezember 2025

Holgi und der Grizzly

 

„Holgi“, brüllte Bonetti durch die offene Bürotür.

Eine halbe Sekunde später stand Holgi vor ihm. Roadrunner nix dagegen. Es fehlte nur noch das „Meep-meep“.

Bonetti saß hinter einem völlig überfüllten Schreibtisch und rauchte eine Zigarre.

„Was soll die gequirlte Scheiße mit dem Pflegekräftemangel? Das interessiert kein Schwein. Wir stehen in direkter Konkurrenz zu Social Media, Nius, BILD und der AfD. Ich brauche eine gute Story.“

„Irgendwas mit Außerirdischen?“

„Das macht schon Pralinski. Zwei Crackheads entführen einen Alien und penetrieren ihn mit einer Analsonde.“

„Haben Sie vielleicht was für mich?“

„Witzbold. Aber irgendwo in meinen Unterlagen habe ich tatsächlich eine gute Story. In einem Wald in Brandenburg wurde ein Grizzlybär gesichtet. Denken Sie sich was aus, wie er überwältigt wurde.“

„Von der Feuerwehr?“

„Das reicht nicht. Ein achtjähriges Mädchen. Vielleicht mit Holzbein. David gegen Goliath, verstehen Sie? Dramatik. Am Ende ein Bärenfell an der Wand eines Waisenhauses. So was in der Art.“

„Soll ich mir einfach was ausdenken?“

„Nein, so würde ich das nicht formulieren. Aber ein bisschen mehr Spannung würde nicht schaden. Regen Sie die Phantasie des Lesers an. Sie schreiben für die Midnight Sun. Hier sind die Unterlagen. Und jetzt verschwinden Sie!“

Als erstes rief Holgi beim Uckermark Observer an. Nein, es gäbe keine Fotos des Grizzlys. Womöglich hätten die Wanderer auch nur einen streunenden Hund gesehen. Holgi brauchte aber mindestens zwei Fotos für seinen Artikel. Also lud er sich das Bild eines ausgewachsenen Kodiakbären, der aufrecht stand und brüllte, aus dem Netz herunter. Das Mädchen ließ er von der KI entwerfen und nannte es Mafalda Fußbroich, ein Name, den es laut Netzrecherche nicht gab. Auch das Hans-Fallada-Heim für Waisen und Problemkinder war schnell erfunden.

„Nicht übel, Holgi“, sagte Bonetti, als er den Text gelesen hatte. „Und jetzt holen Sie mir einen Hot Dog vom Stand an der Ecke.“  



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