„Holgi“, brüllte Bonetti durch
die offene Bürotür.
Eine halbe Sekunde später stand
Holgi vor ihm. Roadrunner nix dagegen. Es fehlte nur noch das „Meep-meep“.
Bonetti saß hinter einem völlig
überfüllten Schreibtisch und rauchte eine Zigarre.
„Was soll die gequirlte Scheiße
mit dem Pflegekräftemangel? Das interessiert kein Schwein. Wir stehen in
direkter Konkurrenz zu Social Media, Nius, BILD und der AfD. Ich brauche eine
gute Story.“
„Irgendwas mit Außerirdischen?“
„Das macht schon Pralinski. Zwei
Crackheads entführen einen Alien und penetrieren ihn mit einer Analsonde.“
„Haben Sie vielleicht was für
mich?“
„Witzbold. Aber irgendwo in
meinen Unterlagen habe ich tatsächlich eine gute Story. In einem Wald in
Brandenburg wurde ein Grizzlybär gesichtet. Denken Sie sich was aus, wie er
überwältigt wurde.“
„Von der Feuerwehr?“
„Das reicht nicht. Ein
achtjähriges Mädchen. Vielleicht mit Holzbein. David gegen Goliath, verstehen Sie?
Dramatik. Am Ende ein Bärenfell an der Wand eines Waisenhauses. So was in der
Art.“
„Soll ich mir einfach was
ausdenken?“
„Nein, so würde ich das nicht formulieren.
Aber ein bisschen mehr Spannung würde nicht schaden. Regen Sie die Phantasie
des Lesers an. Sie schreiben für die Midnight
Sun. Hier sind die Unterlagen. Und jetzt verschwinden
Sie!“
Als erstes rief Holgi beim Uckermark Observer an. Nein, es gäbe keine Fotos des Grizzlys.
Womöglich hätten die Wanderer auch nur einen streunenden Hund gesehen. Holgi
brauchte aber mindestens zwei Fotos für seinen Artikel. Also lud er sich das Bild
eines ausgewachsenen Kodiakbären, der aufrecht stand und brüllte, aus dem Netz
herunter. Das Mädchen ließ er von der KI entwerfen und nannte es Mafalda
Fußbroich, ein Name, den es laut Netzrecherche nicht gab. Auch das
Hans-Fallada-Heim für Waisen und Problemkinder war schnell erfunden.
„Nicht übel, Holgi“, sagte Bonetti,
als er den Text gelesen hatte. „Und jetzt holen Sie mir einen Hot Dog vom Stand
an der Ecke.“

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