Die Orte meiner Kindheit existieren
noch, haben sich aber völlig verändert. Sie sind „überschrieben“ worden. Der
Baum vor dem Fenster meines Kinderzimmers wurde gefällt, das „Tengelmann“-Haus
hat keinen Tengelmann- Supermarkt mehr, die ganze Firma ist verschwunden. Der
kleine Laden, in dem wir Süßigkeiten, Eis, Comics und Spielzeug gekauft haben,
ist weg. Das „blaue Haus“, ein Orientierungspunkt in unserem Viertel, ist jetzt
weiß. Die Wiese daneben, auf der in jedem Sommer ein Wanderzirkus sein Lager
aufschlug, bei dem wir uns als Kinder nach der Schule herumtrieben, weil es
dort ein Pferd und zwei Affen gab, ist einem Neubaugebiet gewichen, ebenso die
Wildnis dahinter. Meine Grundschule war damals am Rand des Viertels, jetzt
kommt man zuerst an eine Halfpipe für Skater und dann in ein Gewerbegebiet.
Fünfzig Meter hinter unserem Haus war damals ein Wald. Ich erinnere mich noch
daran, wie der Wind durch die Pappeln rauschte. Heute sind dort Tennisplätze.
Der Spielplatz und die Wiese, auf der wir Fußball gespielt haben, sind
verschwunden – ebenso wie alle Freunde, die ich dort hatte. Als Heimat
existiert diese Welt nur noch in meinem Kopf.
Freitag, 31. Mai 2024
Verlust
Donnerstag, 30. Mai 2024
Eine tiefschürfende Analyse des deutschen Fußballs
Ancelotti steht mit Real Madrid
vor dem fünften Champions-League-Erfolg seiner Trainerkarriere. Beim FC Bayern
haben sie ihn im September 2017 rausgeschmissen, obwohl er gerade in seiner
ersten Saison in München die deutsche Meisterschaft gewonnen hatte. Bis heute
hält sich die folgende Begründung, die leider sehr deutsch ist: Er habe nicht
zur Mannschaft gepasst, weil er nicht hart genug trainiert habe. Robben hätte
berichtet, dass das Training seines Sohnes bei der D-Jugend des FC Bayern
härter sei als sein eigenes.
In Deutschland ist es Tradition,
die Mannschaft von Montag bis Freitag wie auf einem Kasernenhof schuften zu
lassen. Magath und seine Medizinbälle sind eine Legende. Er hat Leistungssportler
so geschunden, dass sie kotzen mussten. Das gilt in diesem Land als gute
Trainingsarbeit. Wenn man sich mal über die ganze Saison die Verletzungen der
Bundesligaspieler anschaut, so fällt auf, dass die wenigsten auf brutale Fouls
zurückzuführen sind. Man hört unter der Woche von Verletzungen, die im Training
entstanden sind. Manche Spieler brechen auch plötzlich ohne Einwirkung des
Gegners auf dem Platz zusammen und sind für Wochen verletzt. Die Ursache:
Überlastung im Training. Ich schätze mal, dass 95 Prozent der Verletzungen
nicht in Punktspielen entstanden sind.
Warum waren Ausnahmefußballer
wie Messi oder Ronaldo nie schwer verletzt? Weil man sie im Training geschont
hat, damit sie am Wochenende volle Leistung bringen konnten. Durch zwanzig
Sprints mehr pro Tag macht man Leute wie Musiala oder Wirtz nicht zu besseren
Fußballern. Man gefährdet sie nur durch sinnlose Schleiferei von teutonischen
Fußballfeldwebeln. Diese Erkenntnis kam mir auf meinen Brasilienreisen. Am
Nachmittag wird das Training der Top-Mannschaften live im Fernsehen übertragen.
Da sind mir die Augen übergegangen. Spieler stehen im Kreis und unterhalten
sich, es fehlen nur noch die Bierflaschen. Andere jonglieren minutenlang mit
dem Ball, obwohl das in einem Spiel überhaupt nicht gebraucht wird. Dann gibt
es ein Trainingsspiel, ganz locker, ohne Blutgrätsche und falschen Ehrgeiz.
Brasilien ist mit fünf Titeln Rekordweltmeister.
Das gleiche Phänomen kann man
bei den taktischen Schulungen beobachten. Trainer benehmen sich wie Schullehrer
und wollen gestandenen Profis jeden Spielzug einbläuen. Als Nagelsmann letztes
Jahr als frischgebackener Bundestrainer ein Interview gegeben hat und es um
Taktik ging, habe ich kein Wort verstanden. Als hätte ein Physikprofessor gesprochen.
Die DFB-Auswahl hat gegen Länder wie Österreich und die Türkei verloren. In
diesem Jahr klang es anders. Die Spieler sollten einfach kicken. Schließlich
hat man Weltklassespieler im Kader und großartige Talente. Schon gab es Siege
gegen Frankreich und die Niederlande. Beckenbauer wusste das schon 1990:
„Gehts raus und spuilts Fußball.“ Es bringt nichts, Wirtz zu erklären, dass
man gegen drei Gegner nicht ins Dribbling geht. Es ist allemal besser, als
weitere Kurzpässe im Halbkreis um den gegnerischen Strafraum zu spielen, als
sei man beim Handball.
Locker trainieren, den Spielern
ihre Freiheit lassen – so können wir es bis ins Viertelfinale schaffen. Ab dann
hilft uns nur der liebe Gott.
Mittwoch, 29. Mai 2024
Collapsing New Buildings
Blogstuff 954
1923: Der Verleger Isaak Goldstein
lehnt die erste Version von Hitlers „Mein Kampf“ ab.
„Der folgende Text ist mir
eingefallen, als ich allein durch die Wüste gefahren bin. Über mir nur der unendliche
Sternenhimmel, ich hatte kein Ziel. Ich hatte gar nicht vor, einen Text zu
schreiben. Eigentlich ging mir in diesem Augenblick überhaupt nichts durch den
Kopf. Es war ein Tag wie jeder andere. Nichts war passiert, was man erzählen
könnte. Wenn ich nicht diese unglaubliche Idee gehabt hätte, würde ich mich gar
nicht an ihn erinnern. Ich würde mich nicht an den Burger bei Wendy’s erinnern,
an die Tankstelle in Reno, an das tote Opossum auf der Straße …“
Manchmal bewundere ich die Naivität
der Provinzmenschen. Wir sitzen zu acht bei einem Dorfitaliener, der
offensichtlich von einer türkischen Familie betrieben wird (Inhaber: Umut Ali
D.), beim Abendessen und genießen Klassiker der italienischen Küche wie
Jägerschnitzel mit Pommes frites. Ich erzähle, dass die drei Pseudoitaliener in
meinem Berliner Kiez in Wirklichkeit von einem Kroaten, einem Albaner und einem
Libanesen betrieben werden. Sie amüsieren sich köstlich. Die Realität sieht
längst so aus: 99 Prozent aller Sushi-Restaurants werden von Vietnamesen betrieben
und bei McDonald’s steht sicher kein Amerikaner an der Fritteuse. Aber man
sollte diesen schlichten Gemütern nicht ihren Glauben nehmen. Ein
schwarzhaariger Mann, der eine Pizza serviert, muss Italiener sein. Schließlich
sind sie hier schon seit dreißig Jahren Stammgäste.
Heutiger Traum: Ich fliege nach
Tokio, um dort eine Woche Urlaub zu machen. In der Stadt baue ich mit meinem Mietwagen
einen Unfall und im Gedränge eines Bahnhofs wird mir die Brieftasche geklaut.
Ich bin also ohne Geld, Ausweis, Flugticket und Kreditkarte. Ich sitze danach
in einem Zug, der aber stundenlang nicht losfährt. Mein Handy spielt verrückt
und ich erreiche niemanden. Dann erlöst mich ein gnädiges Erwachen.
Die Comedians Lisa Eckart und
Michael Mittermeier können bei ihren Auftritten nicht unterschiedlicher sein.
Werden L.E. unbeweglich wie eine griechische Statue ihre Bosheiten mit einem
maliziösen Lächeln wie Rosenblätter unters Volk streut, steht M.M. für mich
unter ADHS-Verdacht. Er läuft ruhelos und gelegentlich immer noch wie sein
großes Vorbild Jerry Lewis grimassierend auf der Bühne auf und ab. Ich stelle
mir vor, wie er beim Abendessen mit seiner Familie um den Tisch herumrennt,
während er eine Geschichte erzählt.
Die Beziehung mit Simone endete
an dem Tag, als sie erfuhr, dass ich sie in meinem Freundeskreis als
Hupen-Paula bezeichnet habe.
Jetzt ist es also passiert. Ich
stehe in der S-Bahn und eine junge Frau bietet mir ihren Sitzplatz an.
Fassungslos frage ich: „Warum?“ Sie lächelt nur. Für sie ist es offensichtlich.
Dienstag, 28. Mai 2024
Gehen, bevor es kommt
Blogstuff 953
Bei „ruhendem Verkehr“ denkt man
in meinem Alter nicht mehr an Autos.
Musikalisch bin ich ja nach
allen Seiten offen. Ich höre ganz viele verschiedene Sachen. Hauptsache, es ist
von Wolfgang Petry.
Auf der Wiese steht ein Reh.
Ganz allein. Ich dachte, das wären Herdentiere. Vielleicht ist es
misanthropisch.
Manchmal nehme ich ein Buch aus
dem Regal, das ich vor Jahrzehnten gelesen habe und in dem ich Stellen
angestrichen habe, die mir damals wichtig waren. Heute sehe ich diese
Anstreichungen und denke, sie wären von einem Fremden. Ich verstehe sie nicht.
Wie wohnt Darth Vader
eigentlich? Was ist sein Lieblingsessen?
In der Wohnung unter mir wohnt
ein Vollblutarschloch. Ich würde es gerne freundlicher formulieren. Ein
permanent schlecht gelaunter Mega-Spießer mit Filzpantoffeln, Wampe, Halbglatze
und Schnurrbart, der in seiner karikaturhaften Verbitterung fast schon nichts
Menschliches mehr hat. Wenn ich laut Musik höre, macht es plötzlich toc-toc-toc.
Dann hat der Nachbar mal wieder mit dem Besenstiel an die Decke geklopft. Jeden
Tag das gleiche, ein Leben in der Dauerschleife.
„Versteh mich nicht falsch. Ich
will dich nicht davon abhalten, ein Blogger zu werden. Aber es gibt ein Vorher
und ein Nachher. Du kannst nicht einfach ins Vorher zurückkehren. Wenn du durch
diese Tür gehst, kommst du nicht mehr zurück. Du wirst fürchterliche Dinge
erleben, über die du mit Außenstehenden nicht reden kannst. Blogger sind wie
Soldaten, die im Krieg waren. Sie können nur mit anderen Soldaten darüber
reden, was sie an der Front erlebt haben. Alle anderen würden die Wirklichkeit
nicht aushalten. Tagsüber schreibst du, nachts verfolgen dich die gehässigen
Kommentare in deinen Alpträumen.“
Ich habe es mal wieder
geschafft. Beim Umschalten auf einen anderen Fernsehsender lande ich direkt am
Beginn einer Werbepause. Es sieht so einfach aus, aber es kann nicht jeder.
Dafür braucht man jahrelange Übung.
Berlin-Gossip: Jens Spahn wohnt
jetzt auch in meinem Kiez und im Ponte in der Regensburger Straße war Merkel
(Stammgast) mit Obama essen.
Was ist ein Continental
Breakfast? Die Amis meinen damit ein europäisches Frühstück und vor allem
Selbstbedienung. Europa besteht aus fünfzig Staaten. Croissant? Frankreich.
Panini? Italien. Marmeladenbrötchen? Sachsen-Anhalt.
Musik: 99 Prozent sind scheiße,
den Rest habe ich auf CD.
Montag, 27. Mai 2024
Cash for Trash
Blogstuff 952
Bonetti Media gewinnt die goldene
Kanne von Palma, obwohl sie in der zweiten Halbzeit nur mit zehn Mann auf dem
Platz standen.
Neulich im Tierporno: der
Fotzelot.
Schon immer waren Menschen von
der romantischen Vorstellung begeistert, die Welt ginge unter, die Apokalypse
stünde kurz bevor und sie seien die letzte Generation ihrer Gattung. Ende 999
flüchteten viele Leute in die Berge, weil zum Jahrtausendwechsel eine Sintflut
erwartet wurde. Am 1.1.1000 passierte nichts, am 2.1. und 3.1. auch nicht. Also
kamen sie wieder ins Tal hinunter. 1999 hatten wir das gleiche Phänomen, nur in
einer modernen technischen Variante: das Y2K-Problem. Wegen der Umstellung des
Datums befürchtete man einen Zusammenbruch des Computersystems und der
Zivilisation. Bekanntlich kam es anders, weil man genug Zeit hatte, sich mit
diesem Problem zu befassen. Jetzt leben wir in der finalen Klimakatastrophe.
Endlich wurde mein
Forschungsprojekt bewilligt. Ich werde die Existenz von Molekülen in Miami
nachweisen.
Vor einigen Jahren habe ich ein
großes Geheimnis entdeckt: Du musst dein Niveau senken. Plötzlich bietet dir
das Fernsehen reichhaltige Möglichkeiten. Serien wie „Modern Family“, „Malcolm
mittendrin“, „Wilsberg“ (kannte ich gar nicht, gibt es seit Jahrzehnten),
„Scrubs“, „The Goldbergs“, „Hubert und Staller“, die allesamt bis vor wenigen
Jahren unter meiner Würde waren, sehe ich jetzt regelmäßig. Ich kann inzwischen
mühelos vom Frühstücksfernsehen bis spät in die Nacht („It’s always sunny in
Philadelphia“, „Key & Peele“) vor der Glotze abhängen. Außerdem habe ich
angewöhnt, alles gleich wieder zu vergessen, so dass mir Wiederholungen nichts mehr
ausmachen.
Was wäre, wenn der russische
Eroberungsfeldzug in der Ukraine erfolgreich abgeschlossen werden würde? Nähme
Putin seine Jetons und verließe den Spieltisch? Oder würde er weitermachen?
Hinter der Ukraine locken leichte Geländegewinne. Moldawien, dann kampflose
Truppenstationierungen in Ungarn, der Slowakei und Serbien. Was käme danach?
Warum kann es Bigfoot, den Yeti
und das Ungeheuer von Loch Ness nicht geben? Weil es entweder tausende
Exemplare einer Spezies gibt oder gar keins.
Besucher müssen jetzt in Venedig
fünf Euro pro Tag zahlen, Möwen zwei Euro.
„Welche Möglichkeiten haben wir,
Mr. Spock?“
„Meiner Ansicht nach gibt es
zwei Möglichkeiten.“
„Welche wären das?“
„Möglichkeit 1 und Möglichkeit
2.“
Sonntag, 26. Mai 2024
Jutta
Arthur Finkelmann ist ein netter
Kerl. Einer meiner besten Freunde, wir kennen uns seit der Schule. Aber er hat
einen großen Fehler gemacht. Er hat das mit großem Abstand dümmste Rübenschwein
unter der Sonne geheiratet: Jutta. Eine penetrante Nervensäge, die jeden zur
Weißglut bringt.
Unser Dorf ist klein, ich kenne
Arthurs Vorgänger. Er hat mir mal erzählt, er sei froh, Jutta losgeworden zu
sein. Das funktioniere nach dem Prinzip des größeren Idioten. Man muss einfach
jemanden finden, der noch dümmer ist als man selbst. Das war Arthur. Es ist,
als läge ein riesiger Haufen Bernhardinerscheiße auf dem Bürgersteig. Man sieht
ihn, latscht aber trotzdem volle Kanne rein.
Arthur hat sich einen Beruf
ausgesucht, der mit vielen Dienstreisen verbunden ist. Im Vertrauen hat er mir
mal gestanden, dass die Hälfte seiner Reisen frei erfunden ist. Er sitzt dann
eine Woche am Nordseestrand und schickt Jutta WhatsApp wie „Heute Stuttgart.
Langer Tag.“
Neulich war ich bei ihm zu
Besuch. Er hat Sky und wir haben ein Fußballspiel gesehen. Jutta saß neben ihm.
Sie ist geradezu besessen von der Vorstellung, dass ich ohne Auto auf dem Land
lebe. Folgendes Gespräch fand wirklich statt:
Sie: „Wie kommst du eigentlich
ohne Auto zum Supermarkt?“
Info: In Wichtelbach gibt es
keinen Supermarkt, aber in den drei umliegenden Dörfern gibt es in zwei bis
drei Kilometer Entfernung Netto, Edeka, Rewe, Aldi und Lidl.
Ich: „Mein Vater fährt mich.“
Sie: Und wenn er nicht mehr da
ist?“
Ich: „Meine Mutter.“
Sie: „Und wenn die nicht mehr da
ist?“
Ich: „Mein Bruder.“
Sie: „Und wenn der nicht mehr da
ist?“
Ich: „Herbert.“
Sie: „Und wenn der nicht mehr da
ist?“
Ich: „Günther.“
Sie: „Und wenn der auch tot
ist?“
Ich: „Dann fahre ich mit dem
Bus.“
Ist jeweils nur eine Station.
Fahrtdauer: fünf Minuten.
Sie: „Und wenn es keine Busse
mehr gibt?“
Ich: „Dann bestelle ich online.“
Sie: Und wenn es kein Internet
mehr gibt?“
Ich: „Ziehe ich hier ein. Und
dann trete ich dir jeden Tag in deinen fetten Arsch, bis du dein ungewaschenes
Maul hälst.“
Jutta starrte mich fassungslos
an, Arthur lächelte.
Samstag, 25. Mai 2024
Können Katzen einen Orgasmus haben?
Blogstuff 951
Europawahl. Ich bin ja
Stammwähler der MLPD. Ich denke, es ist mit dem Marxismus-Leninismus noch nicht
vorbei. Der kommt noch mal wieder. „Menschliche Welt“ und „Partei der Vernunft“
hört sich allerdings auch gut an.
Diese jämmerlichen Rekruten
heutzutage. Früher wurde noch richtig marschiert. Die sechste Armee ist ja auch
nicht mit EasyJet nach Stalingrad gekommen.
„Ich habe gedacht“. Damit geht
die Scheiße doch schon los. Die Leute denken, wollen was machen und geraten ins
Unglück. Du verlässt dein Zimmer, gehst nur in die Küche und landest im Elend. Einfach
nix denken und nix machen. So wurden die Leute in alter Zeit glücklich.
Ich freu mich auf die
Fußball-EM, wenn wir zur Begrüßung im heimischen Stadion aka Wohnzimmer mit Leinwand
und Beamer fragen: „Gewinnen wir heute zweistellig oder schonen wir den
Gegner?“ Zwei Jungs haben übrigens Karten fürs Eröffnungsspiel in München.
Schlappe 400 € pro Ticket …
Wegen Logorrhö habe ich meinen
Job als Pantomime verloren.
Bonetti hat keinen
Personalausweis. Er gehört ja nicht zum Personal. Der Meister hat natürlich
einen Chefpass.
„Hattest du einen Schlaganfall
oder ist das deine natürliche Blödheit?“
Drohne, Drohnen, Drohnen.
Überall werden Drohnen eingesetzt. Gleichzeitig haben wir Millionen
Arbeitslose.
Kulturschaffende. Ein sehr
deutsches Wort. Ich betreibe die Seite „hemmungslosundversaut.de“. Gehöre ich
auch dazu?
Laut einem Test auf BILD-Online,
der aus vier Fragen bestand, ähnele ich Leonardo da Vinci. Jetzt ist es
amtlich: Ich bin ein Genie!
Oft übersehen: Rüdiger
Kardashian.
Ich habe keine Kinder und daher
auch keine Erben. Alos habe ich beschlossen, mein ganzes Geld für die
Beerdigung auszugeben. Für den Sarg lasse ich den ältesten Baum der Welt
fällen, wo immer er auch stehen mag. Sting wird an meinem Grab ein Konzert
geben, begleitet von Keith Richards. Markus Lanz wird die Predigt halten,
Margot Robbie spielt die Witwe. Schampus und Kaviar für alle Gäste. Jeder
bekommt als Giveaway das neue iPhone 20.
Hunsrück: Entweder du bleibst
zuhause oder du gehst für immer.
Vor jeder Wahl müssen wir das
sinnentleerte Schlagwortgranulat der Parteienwerbung ertragen.
Freitag, 24. Mai 2024
Es kann nur einen geben
Das Immobiliengeschäft ist
knallhart. Du bist entweder wahnsinnig erfolgreich oder du wirst ausgeschissen
wie eine Darmkrankheit. Er ist der beste Immobilienmakler seiner Firma, die
absolute Nr. 1. Jeder will ihn haben, die Firma kann ihn nur durch astronomisch
hohe Boni halten. Ihm werden die besten Aufträge gegeben. Heute geht es um ein
Bürohochhaus in Düsseldorf. Wert: 25 Millionen Euro. Maklercourtage: 1,5
Millionen Euro.
Der Chef sitzt mit seinen
engsten Mitarbeitern im Besprechungszimmer.
„Dieser Auftrag hat absolute
Priorität. Ich brauche unseren besten Mann. Holen sie Bonetti! Ich will keinen
anderen Namen hören. Ich will Bonetti für diesen Job!“
Die Tür geht auf. Ein großer
breitschultriger gutaussehender Mann betritt den Raum. Er trägt eine schwarze
Lederjacke und hat eine Sonnenbrille auf, an seiner Schulter lehnt lässig eine
Pumpgun.
„Hat hier jemand meinen Namen
gesagt?“
Donnerstag, 23. Mai 2024
Tegel: Einbrecher ausgebrochen
Blogstuff 950
Berufswunsch: Lionel Messi im
Ruhestand.
Die Fichte ist Nutzholz und wird
früh gefällt. Die Krüppelkiefer ist nutzlos und bleibt stehen. Wenn du für
niemanden einen Nutzen hast, lassen sie dich in Ruhe.
78 n. Chr.: Philodemos Bonetti
zieht nach Pompeji.
Waren meine Großeltern
glücklich, waren sie unglücklich? Keine Ahnung. Mein Opa hat immer das gleiche
Buster-Keaton-Gesicht gehabt. Als hätte man ihm Botox gespritzt. Sind
Eichhörnchen glücklich? Woran sieht man das?
Stellen Sie sich vor, der
Erstkontakt von Außerirdischen auf der Erde hätte nicht mit Menschen stattgefunden,
sondern mit Flusspferden. Kommunikation gab es nicht, aber mehrere Aliens
wurden getötet. Seitdem beobachten sie uns nur.
Die Preise im Supermarkt sind
für alle gleich und nicht verhandelbar. Das wird uns als demokratische
Errungenschaft verkauft. Aber ich frage Sie: Ist es gerecht, dass Bill Gates
und ich für eine Dose Linsensuppe die gleiche Summe bezahlen? Warum bekomme ich
die Dose Suppe nicht für einen Euro und Bill Gates muss zehn Euro bezahlen? Das
wäre gerecht, oder?
Bonetti, dieser Apostel der
Untätigkeit, dieser Prophet der krankheitslosen Bettlägrigkeit, dieser Prediger
der absoluten Bewegungslosigkeit, wird heute 200 Meter bis zu einem japanischen
Lokal laufen, um Sushi zu essen.
Aus der Ferne höre ich
Meeresrauschen. Ach nein, es ist nur die Deutsche Bahn.
„Ach, Liebling, da verwechselst
du was. An unserem ersten Abend trug ich ein schwarzes Kleid, kein rotes. Und
wir haben Pizza gegessen und nicht Schnitzel.“ – „Stimmt. Ich habe da was
verwechselt. Das war der erste Abend mit Simone, mit der ich dich sieben Jahre
lang betrogen habe.“
Wie fährt man heutzutage in den
Sommerurlaub, ohne in Sachen Klima ein schlechtes Gewissen zu bekommen? Ich
kenne ein Ehepaar, das eine geniale Lösung dieses Problems gefunden hat. Sie
haben im vergangenen Jahr ihren Urlaub an einem extrem exotischen Ort
verbracht: Wuppertal. Sie haben eine AirBnB-Wohnung gemietet, Spaziergänge
durch die Stadt und Ausflüge in die Umgebung gemacht. Hier kannst du fünfe
gerade sein lassen. Einfach mal nachts bis halb eins aufbleiben. Glamour,
Aufregung, Nachtleben. Am Küchentisch Rommé spielen, bis der Arzt kommt.
Wuppertal ist im Sommer auch nicht so von Touristen überlaufen wie Nizza oder
Florenz. Wussten Sie, dass Wuppertal eine Schwebebahn hat? Aufgepasst, New
York, Paris und Tokio!
Man soll die Umwelt schonen,
heißt es. Aber die Umwelt schont mich ja auch nicht. Giftschlangen, Erdbeben,
alkoholfreies Bier.
Mittwoch, 22. Mai 2024
Showdown or Slowdown
Blogstuff 949
Ich vermisse meine Arbeit als
Wissenschaftler. Eine falsche Quellenangabe und die studentische Hilfskraft
musste fünfzig Liegestützen machen.
Einst war der
Hochgeschwindigkeitsphallus ICE der Stolz der alten Bundesrepublik. Heute
bleibt die kastrierte Lachnummer vor dem Tunnel liegen.
Textanfang: Der grauhaarige
Dicke am Tresen schwitzt wie ein Käsebrötchen im August.
Ich dachte, man hätte mir das
chinesische Schriftzeichen für Weisheit auf den Oberarm tätowiert, aber in
Wirklichkeit steht da „achtäugiger Schweinedämon.“
Unser Haus hat sieben Stockwerke
und keinen Aufzug. Niemand von uns ist je im obersten Stockwerk gewesen,
niemand von uns hat je einen Menschen die Treppe herunterkommen sehen. Aber
dennoch hören wir manchmal von oben Stimmen und leise Musik.
Ich habe seit dreißig Jahren
kein Auto mehr, aber aus reiner Gutmütigkeit überweise ich meinem Chauffeur
immer noch jeden Monat sein Gehalt.
„Bitte recht freundlich“, heißt
es beim Fotografen. Aber lachen dürfen wir nicht. Wir beherrschen auf Zuruf
siebzig verschiedene Grimassen.
Bei der Bundeswehr habe ich
gelernt, jemanden in zehn Sekunden mit einer Bananenschale zu töten.
Schweppenhausen – Berlin. Vom
Mettgebiet in die Hackepeterwelt.
Wir tun gut daran, es bei der
Debatte um Leitkultur bei Leitbegriffen wie Menschenrechte, Demokratie,
Gleichberechtigung, Toleranz usw. zu belassen. Allgemeine Leitplanken. Je
konkreter es wird, um so lächerlicher macht man sich. Bratwurst und Bier? Wir
sind längst bei Pizza, Burgern und kalifornischem Wein. Die alteingesessenen
Deutschen sind selbst multikulturell geworden.
Paul Auster, einer meiner
Lieblingsautoren, ist tot. Erst starb seine Enkelin, später sein Sohn und 2023
bekam er Krebs. Er hatte diesen harten Schlägen nichts mehr entgegenzusetzen.
Am Anfang war der Urknall. Dann
expandierte das Universum. Erst entstanden die Sterne und Planeten, später die
Einkaufszentren, Fernsehsender und Gewerbegebiete. Aber es wird der Tag kommen,
an dem alles wieder zusammenschrumpft. Die gesamte Materie passt in eine
Zigarrenkiste und man wird eine Supernova nicht mehr von einer Büroklammer
unterscheiden können.
„Hast du den neuen Film mit Tom
Cruise gesehen?“ – „Nein. Aber ich habe davon gehört.“
Dienstag, 21. Mai 2024
Alles zu jeder Zeit?
Eine der großen Mythen unserer
Zeit ist die permanente Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. Technisch ist es kein
Problem, Handy und Internet machen es möglich, immer und überall erreicht
werden zu können. Diese Vorstellung hat sich so tief in unser Bewusstsein
eingeprägt, dass wir glauben, permanent reagieren zu müssen. Wenn man eine
WhatsApp nicht innerhalb von fünfzehn Minuten beantwortet, kommt die nächste. Was
ist los? Möglicherweise wurde auch schon ein Notarzt gerufen.
Aber stimmt das wirklich? Es
gibt eine Korrelation zwischen Status und Erreichbarkeit. Je tiefer man in der
beruflichen Hierarchie steht, desto höher ist die Erwartung an die persönliche
Erreichbarkeit. Mit jeder Hierarchiestufe nach oben nimmt die Erreichbarkeit
ab. Die Bosse sind durch eine Phalanx von Sekretärinnen, Assistenten und
Pressesprechern hermetisch abgeschirmt. Es gehört zu ihren Privilegien, über
ihre Erreichbarkeit selbständig entscheiden zu können.
Der Befehlsempfänger muss auch
nach Feierabend und am Wochenende verfügbar sein. Aber versuchen Sie mal, ihren
Haus- oder Facharzt außerhalb der Sprechzeiten zu erreichen. Oder versuchen Sie
mal, nachts einen Notartermin zu bekommen. Professoren legen Ort, Zeitpunkt und
Dauer ihrer Ansprechbarkeit fest. Stellen Sie sich vor, es wäre
Sonntagnachmittag und es klingelt an der Haustür. Der Prof öffnet und vor ihm
steht ein Student. „Herr Müller, warum haben Sie mir für meine Hausarbeit nur
eine 3 gegeben? Das verstehe ich nicht. Können wir jetzt darüber sprechen?“ Wie
reagiert der Prof? Variante 1: „Herein, herein, werter Herr Student. Wir können
die Hausarbeit gerne in Ruhe durchsprechen. Hermine! Machst du uns Kaffee und
Schnittchen, das könnte länger dauern.“ Variante 2: „Woher haben Sie meine
Privatadresse? Verlassen Sie sofort mein Grundstück oder ich hole die Polizei.“
Es geht nicht um technische
Möglichkeiten, es geht um Höflichkeit, Respekt und ganz allgemein um
angemessene Umgangsformen. Wer am Samstag seinen Vorgesetzten unter der Privatnummer
anruft, weil er gerade eine zündende Geschäftsidee hat, die unbedingt jetzt
gleich aus dem Plärrloch herausmuss, bekommt folgendes zu hören: „Kommen Sie am
Montag in mein Büro und holen Sie sich Ihre Papiere ab. Sie sind
fristlos entlassen.“ Wer um Mitternacht seinen Kunden anruft, hat einen Kunden
weniger.
Warum hatte die Generation
meiner Eltern keinen Burn-Out? Weil sie klar zwischen Berufs- und Privatleben,
zwischen Arbeit und Familie trennen konnte. Dienst ist Dienst und Schnaps ist
Schnaps, so sagte man damals. Heute ist Burn-Out ein Massenphänomen, weil viele
glauben, diese Grenzen nicht mehr respektieren zu müssen.
Montag, 20. Mai 2024
Ein akuter Bäckereinotfall
Blogstuff 948
Noin Loide (6 M / 3 F) verfolgen
gebannt die Rettung von Mainz 05. Am Ende werden wir Tabellendreizehnter, die
beste Platzierung in dieser Saison – nach dem ersten Auswärtssieg in Wolfsburg.
Danach feiern wir beim Italiener. Ich erzähle, in meinem Viertel in Berlin gäbe
es drei Italiener: ein Kroate, ein Libanese und ein Albaner. Alle lachen. Niemand
merkt, dass ihr Dorfitaliener von einer arabischen Familie betrieben wird. Ich
wette, von zehn Pizzas, die weltweit verkauft werden, wird nur eine von einem
echten Italiener gebacken.
Selbstfahrende Autos, gut. Aber
ich habe mir gerade ein selbstfahrendes E-Bike gekauft.
Eines Tages, wenn die Menschheit
längst ausgestorben ist, wird es nur noch die KI geben, die Werbe-Mails und
Mahnungen an die Toten verschickt.
Ein Kind freut sich über ein Paar
Gummistiefel genauso wie ein Millionär über eine neue Yacht.
Neulich habe ich ohne besonderen
Anlass ein Geschenk bekommen. Wann ist mir das zum letzten Mal passiert? Am
selben Tag finde ich einen Brief meiner Jugendliebe, die ich vor zwanzig Jahren
zuletzt getroffen habe, im Briefkasten.
Sätze einer Rentnerin am
Nachbartisch, die mich aggressiv machen: „Ich hätte gerne das Huhn mit
Knoblauchsoße. Aber machen Sie nicht so viel Knoblauch an die Soße“. Als ob man
die Soße jedes Mal in der Küche neu anrühren würde. Oder: „Eine Tasse Kaffee.
Aber deutscher Kaffee.“ Was soll das sein? Der arme Vietnamese, der mir kurz
zuvor Wasser statt Warsteiner gebracht hat, ist völlig überfordert.
Frauen können meine schwarzen 4XL-Shirts als
Cocktailkleider tragen.
Die hohe Stirn verlieh ihm einen
Hauch von Intellektualität, der allerdings sofort verschwunden war, sobald er
den Mund aufmachte.
Raucherkneipe: Die Wände haben
die Farbe von Zahnbelag.
Der polnische Künstler Zbigniew
Libera produzierte 1996 in kleiner Auflage den Legobausatz
„Konzentrationslager“: Baracken, Wachtürme, ein Krematorium und Häftlings- bzw.
SS-Figuren zum Nachspielen der Folter- und Erschießungsszenen.
„Ist das nicht der Doppelgänger
von Elvis?“ – „Nein, das ist sein Doppelgänger. Der echte Doppelgänger ist
gerade in Las Vegas.“
Wo sind die „Grillwalker“
geblieben, die einen Bratwurstgrill wie einen Bauchladen vor sich hertrugen?
Seit über fünfzig Jahren ist SO
36 kurz vor der Revolution. Immer noch und immer wieder.
Sie hieß Wendy. Vorne Pony,
hinten Pferdeschwanz.
Sonntag, 19. Mai 2024
Gazakrieg
Bei schwierigen Fragen bediene
ich mich gerne der folgenden Systematik, die das Feld der möglichen Antworten
erweitert. Wo es scheinbar nur eine oder zwei Lösungen gibt, sind es in
Wirklichkeit – zumindest theoretisch – vier.
A
B
A + B
(- A) + (-B)
Nehmen wir den aktuellen Krieg
im Nahen Osten als Beispiel:
1.
Hamas ist schuld
2.
Israel ist schuld
3.
Sowohl Hamas als
auch Israel sind schuld
4.
Weder Hamas noch
Israel sind schuld
Zumindest die vierte Möglichkeit
können wir in der Praxis ausschließen. Oder haben sich Nordkoreaner als
Hamas-Kämpfer verkleidet und in Israel ein Massaker angerichtet, um einen Krieg
zu provozieren? Kleiner Spaß.
Wie kann der Krieg beendet
werden?
1.
Hamas beendet den
Krieg (= Kapitulation)
2.
Israel beendet den
Krieg (= Rückzug)
3.
Sowohl Hamas als
auch Israel beenden den Krieg (= erfolgreiche Friedensverhandlungen)
4.
Weder Hamas noch
Israel beenden den Krieg (= Fortsetzung des Kriegs)
Wie kann der hundertjährige
Kampf zwischen Juden und Arabern endgültig beendet werden?
1.
Die Araber „jagen
alle Juden ins Meer“
2.
Die Juden vertreiben
alle Araber im Gazastreifen und im Westjordanland und sie finden z.B. im
reichen Saudi-Arabien eine neue Heimat
3.
Zwei-Staaten-Lösung
4.
Araber und Juden
verlassen Palästina und Söder zieht mit seinem bayrischen Volk ins gelobte Land
Realistisch ist auf lange Sicht
nur Lösung 3.
Nach meiner Erfahrung kann man
mit Menschen, für die es nur eine Lösung gibt, nicht diskutieren. Wer zwei
Lösungen für diskutabel hält, ist im Gespräch. Wer alle Lösungen durchdekliniert,
ist ein kluger Kopf.
Samstag, 18. Mai 2024
Der erste Venedig-Marathon
Blogstuff 947
Woher weiß ich, dass ich nicht
in der Matrix lebe? In der Matrix wären die Politiker besser.
Zum Glück akzeptieren meine
Familie und mein Freundeskreis meinen Lebensstil, der vom Standardmodell
abweicht. Ich fahre weder Auto noch Fahrrad und ich gehe keiner geregelten
Erwerbsarbeit nach. Seit vierzig Jahren habe ich kein Fahrrad, seit dreißig
Jahren kein Auto und seit 13 Jahren keinen Arbeitsvertrag. Aber im Laufe des
Lebens trifft man auf notorische Klugscheißer und Besserwisser, die einem mit
der Hartnäckigkeit von Zeugen Jehovas und dem ekelhaften Eifer von Missionaren
ungefragt gute Ratschläge zur Optimierung des Lebens geben. Hätte ich ihren Rat
jedes Mal befolgt, wäre ich jetzt Besitzer diverser Autos, hätte ein gut
gefülltes Fahrradparkhaus, eine eigene Hundepension, 17 Berufe und drei Hunde.
Hätten Sie’s gewusst? Der
Pragmatismus wurde in Prag erfunden.
Ich wache heute noch schreiend
auf, wenn ich an diese Szene denke. Ich sitze mit dem Lottoschein vor dem
Fernseher, die ersten drei Zahlen sind richtig. In einem einzigen Kästchen!
Dann ruft dieses dusselige Mondkalb aus der Küche: „Na, wie läuft’s?“ Natürlich
kam dann nix mehr. Zehn Jahre habe ich mit dieser nichtsnutzigen Trulla
verbracht. Und so viele Jahrzehnte hat man als gutaussehender junger Mann
nicht.
Atomkrieg. Das war die
Zukunftsangst meiner Jugend. In einer Minute wird wie mit einem einzigen
Fausthieb die gesamte Menschheit ausgelöscht. Die Klimakatastrophe findet in
Zeitlupe statt und wird mich vermutlich nicht mehr treffen. Deswegen gehen die
Entscheidungsträger, die hauptsächlich aus meiner Generation stammen, auch so
gelassen mit dieser Bedrohung um.
Nach dem Ende des Kommunismus
hat sich der Kapitalismus weltweit durchgesetzt, die Demokratie nicht.
Als Exhibitionist bin ich ein
Anfänger, ich übe noch an Bäumen.
Live Aid war vor fast vierzig
Jahren. Damals wurde für die Hungersnot in Äthiopien so viel Geld gesammelt,
dass die Leute dort heute noch an Übergewicht leiden.
Ich folge den Lehren Epikurs und
reduziere meine Bedürfnisse auf das Wesentliche und Notwendige: Essen, Trinken,
Schlafen. Arbeit, Luxusgüter, Reisen usw. gehören nicht dazu.
Lyotard sprach bereits Ende der
siebziger Jahre in „Das postmoderne Wissen“ vom Ende der großen Erzählungen:
Demokratie, Freiheit, Fortschritt, Religion, Wissenschaft, Kultur. Die großen
Erzählungen schufen eine Gemeinschaft. Heute irrt der Einzelne durch ein
Labyrinth kleiner und kleinster Erzählungen und wir verstehen einander nicht
mehr.
Wer hat nicht alles die Meere um
Europa beherrscht: Phönizier, Karthager, Römer, Araber, Wikinger, Spanier,
Briten, Genuesen und Venezianer. Nur die friedlichen Rheinhessen haben nie nach
der Seeherrschaft gestrebt. Sie pflegen bis heute ihre Weinberge und sind damit
zufrieden.
Freitag, 17. Mai 2024
Schon wieder: Bonetti lässt den Nobelpreis im Bus liegen
Blogstuff 946
Andy “Wild Thing” Bonetti hat wieder freshe Beats, Loide!
Ich habe nur einmal im Leben an
einer Siegerehrung teilgenommen. Malle, 1976. Ich war zehn Jahre alt. Neckermann
Urlaubsreisen. Beim Segelkurs für Kinder haben nur zwei Jungs teilgenommen. Ich
war einer davon. Am Ende des Kurses gab es eine Regatta. Natürlich wurde ich
Zweiter. Richtig peinlich war die Siegerehrung am Abend. Bei den Erwachsenen
haben über zehn Boote teilgenommen. Dann kamen wir Kinder dran. Der Sieger
bekam einen tollen Preis und Applaus. Dann kam ich. Sie haben mir eine
Kaffeetasse geschenkt, auf der ein Anker war. Ich hätte dem anderen Jungen das
Scheißteil am liebsten an den Kopf geworfen. Ich war zehn! Ich durfte noch
nicht mal Kaffee trinken! Dieses Mahnmal der Schande stand noch Jahrzehnte lang
in unserem Wohnzimmerregal.
Das letzte Abenteuer, das man in
Deutschland noch erleben kann, beginnt mit dem Kauf einer Zugfahrkarte. Hinfahrt
Bingen-Hamburg: von Haustür zu Haustür zehneinhalb Stunden. Von neun Uhr bis 19:30
Uhr. Fünfzig Kilometer vor der Hansestadt bleibt der Zug liegen. Im Hamburger
Hauptbahnhof ist ein Bauzug entgleist und gegen einen Pfeiler gedonnert,
erfahre ich von meinem Smartphone-bewehrten Sitznachbarn. Eine S-Bahn ist in
den Bauzug gerast und die verletzten Insassen müssen von der Feuerwehr befreit
werden. Der Bahnhof wird gesperrt und sicherheitshalber wird der komplette
Schienenverkehr in Hamburg (S- und U-Bahn) eingestellt. Unser ICE bleibt fünfzig
Kilometer vor dem Hauptbahnhof in einem Ort namens Buchholz liegen. Dann kommt
die Durchsage, die ich in meinem Leben noch nie gehört habe. „Wir öffnen alle
Türen, damit Sie sich die Füße vertreten können“. Das scheint eine größere
Sache zu sein. Ich laufe ein wenig herum und geselle mich dann wieder zu meinem
rauchenden Sitznachbarn. Er hat die rettende Idee. Er ruft seine Frau in Hamburg-Altona
an, die ihn holen soll. Mir bietet er großzügigerweise einen Platz an. Er heißt
übrigens auch Matthias. Eine dreiviertel-Stunde später ist sie da, wir fahren
nach Hamburg, natürlich stehen wir noch im Stau, dann holt mich der Freund, den
ich besuche, mit dem Auto in Altona ab.
Bei der Rückfahrt noch ein Novum.
Wir hatten bereits in Berlin 35 Minuten Verspätung, bevor der Zug überhaupt
losgefahren ist. Eigentlich sollte der ICE über Erfurt durch Hessen nach Frankfurt
fahren, aber dann rollen wir im Schritttempo durch Aschaffenburg, das
bekanntlich in Bayern liegt.
Man kennt das Essverhalten der
Deutschen im Zug. Eine Frau öffnet ihre Tupperdose und holt ein Käsebrot heraus
und löst damit eine Kettenreaktion heraus. Männer greifen zu Frikadellen und
hartgekochten Eiern! Jetzt habe ich die Könige getroffen, eine alte
indonesische Frau mit Kopftuch und ihren Sohn. Er holt zwei Plastikbecher mit
Nudeln und zwei Löffel aus seinem Rucksack. Damit geht er ins Bord-Bistro und
lässt sich die Becher mit kochendem Wasser füllen. Ich überlege, ob ich mir
nicht beim nächsten Mal eine Tütensuppe und eine Thermoskanne mit heißem Wasser
mitnehmen soll. Vielleicht auch eine Kochplatte, die ich in die Steckdose
einstöpsele, um mir in einer Campingpfanne ein Schweinenackensteak zu braten,
Welcome tot he next level.