Donnerstag, 15. Juli 2021

Der Psycho

 

Der Mann ist ein Psycho. So hat ihn seine Ex-Frau bezeichnet, bevor sie entnervt ausgezogen ist. Er hat bis vor zehn Jahren bei der Polizei gearbeitet und macht seither einen auf Psycho. Ist angeblich dienstunfähig, ist in Wirklichkeit aber kerngesund und verdient mit Schwarzarbeit ein wenig dazu. Er lebt mit seiner Freundin und der Tochter im Haus schräg gegenüber. Vor dem Haus: Steingarten, die Rollläden im Erdgeschoss immer geschlossen. Hinterm Haus ein vier Meter hohes Holztor und ebenso hohe Zäune, kein Namensschild an der Klingel.

Letzte Woche kam er bei mir vorbei. Seine Tochter würde am Wochenende achtzehn Jahre alt. Die Familie wolle sie mit einem Auto als Geburtstagsgeschenk überraschen. Ob er es für ein paar Tage in meine Einfahrt stellen könne. Da ich kein Auto besitze, sage ich ihm, es sei kein Problem. Bis Sonntagabend. Am Montag würde mein Vater kommen und seinen Wagen vor die Garage stellen. Bis dahin müsse er weg sein. Ich kenne seine Tochter, seit sie klein ist. Damals hat sie immer gesagt, sie würde auf unser Haus aufpassen, wenn wir weg wären. Die stolze Polizistentochter. Dafür gab es von uns Schokolade.

Am Sonntagabend ist das Auto weg. Alles gut. Am Montag steht der Wagen plötzlich wieder in der Einfahrt. Ohne, dass der Psycho nochmal gefragt hätte. Mein Vater ist sauer. Erster Impuls: Strafanzeige und kostenpflichtig abschleppen lassen. Um des lieben Friedens willen sage ich ihm, ich würde die Sache klären. Ich werfe dem Psycho eine Nachricht in den Briefkasten, er möge bitte sein Fahrzeug von unserem Grundstück entfernen. Dienstags kommt er dann mit einer billigen Flasche Rotwein angeschissen, um sich zu entschuldigen.

Ich frage ihn, warum seine Tochter nicht mit dem Wagen fährt und warum er nicht vor seinem Haus steht. Da sagt er mir, sie habe noch gar keinen Führerschein. Er dachte, er könne den Wagen in unserer Einfahrt stehen lassen, bis es so weit ist. Ich bin fassungslos. Das kann ja noch bis Weihnachten dauern. Vielleicht fällt sie durch die Prüfung? Ich bräuchte den Stellplatz doch sowieso nicht, erklärt er mir. Ich erkläre ihm behutsam die Bedeutung des Begriffs Privatgrundstück. Als Ex-Polizist müsse er doch die Rechtslage kennen. Er kann nicht einfach ungefragt ein Fahrzeug auf dem Grund und Boden anderer Leute abstellen. Er nutzt seinen Vorgarten auch nicht. Dann kann ich ihm sicher auch ein paar Matratzen auf seine Steinwüste schmeißen.   

Dann kommt der Hammer. Er habe gedacht, er könne den Stellplatz von uns mieten. Wie bitte? Nicht dein Ernst, Psycho. Und wenn der Wagen dann einen Kratzer hat, bin ich verantwortlich, oder was? Kein Mensch vermietet die Einfahrt seines Grundstücks separat. Gibt man einem Psycho den kleinen Finger, reißt er dir den Arm ab. Ich erkläre ihm, dass es eine einmalige Sache gewesen sei. In Zukunft bitte nicht mehr. Ich bin gespannt, was seine nächste Schnapsidee sein wird. Das Grundstück hinter seinem Haus ist unbebaut. Vielleicht stellt er den Wagen dort ab. Was der Psycho nicht weiß: Das Grundstück gehört uns auch.

P.S.: Wie rächt man sich in einem kleinen Dorf wie Schweppenhausen? Indem man die Geschichte brühwarm allen Leuten erzählt. Soziale Kontrolle funktioniert.

Locket Love (Power Station Rough) - YouTube

3 Kommentare:

  1. Vorsicht. Im Haus gegenüber schaukelt doch bestimmt eine gebisswacklige alte Dame am Fenster und kontrolliert die Dreharbeiten. "He, Perkins, nimm den Blogger ruhig noch was härter ran! Der ist doch nicht aus Zucker." "Bin ich wohl."

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    1. Ich habe auch eine mumifizierte Mutter im Wohnzimmer sitzen. Das gehört im Hunsrück zur Grundausstattung.

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