Ein
ehemaliger Luftwaffenstützpunkt in Niedersachsen. Im Kasernengebäude neben dem
Tower ist inzwischen das Bundesamt für Aufruhrkontrolle eingezogen. Allerdings
sind alle Mitarbeiter im Homeoffice. Alle Mitarbeiter? Nein.
Ministerialdirigent Lothar Wassermann spaziert über den leeren Flur, öffnet die
Tür zu einem leeren Besprechungszimmer, geht langsam zum Fenster und schaut lange
auf die leere Landebahn.
„Wichtelbach
… Wichtelbach“, murmelt er. „Ich muss Stahlknecht anrufen.“
Dietmar
Stahlknecht fummelt sein Handy aus der Jackentasche und presst es an sein schweißnasses
Gesicht. Er sitzt gerade in einem Taxi. Ortega Street. Manila. Er steht im Stau
und die Hitze ist mörderisch. Der Gestank aus einem Abwasserkanal, der eine
Mischung aus Plastikmüll und Fäkalien mit der Konsistenz von Erbrochenem aus
der Stadt befördern soll, ist nicht auszuhalten.
Stahlknecht
ist im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums unterwegs. Alpha-Order von
Spahn persönlich. Er muss die Virologin Carmen de Luna von der Centro Escolar
Universität treffen. Im Dschungel von Mindanao ist Covid-20 ausgebrochen. Eigentlich
hat er für Covid-19 gar keine Zeit mehr. Er hört sich Wassermanns Bericht
geduldig an, während ihm der Schweiß auf die dunkelblaue Nadelstreifenhose seines
Maßanzugs tropft.
„Schicken
Sie die Special Forces“, sagt er schließlich. „Sie haben völlige
Handlungsfreiheit. Freigabe Delta Echo Foxtrott.“
***
Major
Schön ist stinksauer. Ein Hubschrauber hat gestreikt. Statt zwei Einsatzgruppen
hat er nur noch eine Gruppe mit sechs Mann zur Verfügung. Das geht ja gut los,
denkt er, als der Hubschrauber einen Kilometer von Wichtelbach entfernt auf dem
Parkplatz von KFC landet.
Es ist
acht Uhr morgens, als sie das erste Haus am Dorfrand erreichen. Es ist das
Neubaugebiet, das von den Freidemokraten kontrolliert wird. Der Plan: das Haus
stürmen, einen Brückenkopf im Einsatzgebiet errichten und Informationen von den
Bewohnern bekommen. Was sie nicht wissen: In diesem Bungalow lebt die lesbische
Heilpraktikerin Barbara Wagner mit ihrer Freundin Karin Scholz. Was sie auch
nicht wissen: Frau Wagner hat schon mal auf einem Tsunami vor der japanischen
Küste gesurft und in Brasilien einen Jaguar mit der linken Hand gefangen. Was
sie natürlich auch nicht wissen: Die beiden Frauen beherrschen Krav Maga mit
tödlicher Präzision und tragen den schwarzen Gürtel.
Mit
ohrenbetäubendem Lärm rammen die Männer der Special Forces die Haustür auf. Sie
haben schwarze Sturmhauben über den Kopf gezogen und sind mit gezogener Waffe
in den Bungalow gestürmt. Einer von ihnen rennt den Flur entlang. Er hat in der
Küche Licht gesehen. Karin steht gerade am Herd, um Spiegeleier zu braten. Sie
dreht sich blitzschnell um und zieht ihm die Pfanne über den Schädel.
Währenddessen hat Barbara im Wohnzimmer zwei Mann kampfunfähig gemacht. Ich
sage nur: radikalfeministischer Roundhouse-Kick.
Major
Schön flucht, als er sieht, wie seine drei Männer aus dem Haus geworfen werden.
Zwei von ihnen humpeln stark und schleppen einen Bewusstlosen in ihrer Mitte an
den Gartenzaun. Schön gibt den Männern einen Kameraden als Begleitung mit. Sie
sollen zurück zum Hubschrauber.
Mit
den verbliebenen zwei Kämpfern pirscht sich Schön ans Nachbarhaus an. Auf sein
Zeichen stürmen sie auf die Haustür zu. Sie werden von Tausend-Watt-Strahlern
geblendet und eine Alarmsirene geht los. Bewegungsmelder. Mist!
Dann
ertönt eine Stimme über den Lautsprecher: „Mein Name ist Michael Buchholz.
Verlassen Sie sofort mein Grundstück!“
Ausgerechnet
Buchholz! Der Major kennt den Namen sehr gut. Buchholz ist nicht nur ein
bekannter Bauunternehmer, sondern auch der Fraktionsvorsitzende der FDP im
Mainzer Landtag. Rückzug. Nichts wie weg hier. Und so endet der Einsatz der
Operation Failed Village.
Der
Dschungel besteht aus Einfamilienhäusern, die völlig harmlos wirken. Keiner von
uns weiß, was wirklich hinter ihren Mauern passiert. Sind es noch Menschen, die
hier wohnen? Oder sind es schon Monster? Wichtelbach bleibt für
Nicht-Wichtelbacher auch weiterhin ein Rätsel.