Donnerstag, 27. April 2017
Der Zorn des Lahn
https://www.youtube.com/watch?v=wKp2t7kW70E
Sie hatten drei Dinge gemeinsam: Schuhgröße 45, eine Vorliebe für Pelmeni und ihre Beteiligung an der „Aktion 83“, wie es in den Unterlagen des Geheimdienstes hieß, oder dem „Paderborn-Massaker“, wie es die Medien nannten.
Zehn Jahre später standen sie sich wieder gegenüber. Aber nur W. Lahn hatte eine Waffe in der Hand.
Geblendet von seinen glänzenden Erfolgen hatte der Schraubenzieher-Man übersehen, dass sich in seinem Schatten ein gefährlicher Gegner in Stellung bringen konnte.
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Frau Leerhammer-Moppelstock, die große alte Dame des finnischen Tango und bekennende Passivraucherin, machte sich gerade eine Portion gummiartiger Mikrowellen-Cevapcici heiß, als das Gerät einen klagenden Laut von sich gab und kurz darauf in seine Einzelteile zerfiel. Die graubraunen Gekrösewürstchen rollten über die Arbeitsplatte ihrer Einbauküche, eines kullerte sogar auf den gefliesten Boden.
Die finsteren Jünger von W. Lahn hatten ihre Waffe zum Einsatz gebracht: den Korrosions-Strahl-O-Mat. Mit dieser Waffe rosteten alle Schrauben im Umkreis von fünfzig Metern in Windeseile und zerbröselten zu rotem Staub. Während die arme alte Frau gellende Schreie ausstieß, zerfielen auch der Kühlschrank, die Küchenschränke und Schubladen.
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„Florian Herpesacker“, dröhnte es aus dem Lautsprecher im Klassenzimmer. „Kommen Sie sofort ins Büro des Direktors.“
Anerkennendes Lächeln der Schulkameraden. Das war der Ritterschlag an der Ernst-Huberty-Gesamtschule in Bad Gotham. Besser als ein Eintrag ins Klassenbuch. Imagefördernder als ein „Ausreichend“ in der Kopfnote für Betragen.
Während Herpesacker freudestrahlend das Klassenzimmer verließ, hörte er noch den Mathelehrer sagen: „Wir schreiben heute eine unangekündigte Hausaufgabenüberprüfung.“ Es folgte ein kollektives Aufstöhnen.
Im Zimmer von Schuldirektor Dieter Wohlgemuth, einem beleibten Mitfünfziger mit gigantischem Stirnrelief, wurde er gebeten, sich zu setzen.
„Commissioner Schmuhlke hat mich angerufen“, begann der Direktor. „Offenbar braucht die Polizei Ihre Hilfe. Können Sie mir erklären, was das soll?“
„Das ist leider streng geheim“, entgegnete Herpesacker kühl.
In Wirklichkeit war er nämlich der Kreuzschlitz-Boy. Jetzt zählte jede Sekunde!
„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“
Dann suchte er eine Telefonzelle, um sein Superheldenkostüm anzuziehen. Versuchen Sie heutzutage mal, eine Telefonzelle zu finden.
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Währenddessen in einem düsteren alten Lagerhaus in Bad Gotham.
„Lass uns nicht streiten, Willibald“, versuchte es der Schraubenzieher-Man.
Seine Stimme klang verständnisvoll, geradezu konziliant, fast ein bisschen zärtlich. Was war los mit unserem Superhelden? Ansonsten war er doch so gradlinig wie ein Straight Flush.
„Keine Tricks, Andy“, sagte W. Lahn. „Deine Zeit ist abgelaufen.“
„Wollen wir um der alten Zeiten willen nicht mit einem Gläschen Champagner anstoßen, bevor ich abtrete? Es ist meine letzte Bitte. Das kannst du mir doch nicht abschlagen.“
Lahn war irritiert.
Der Schraubenzieher-Man lächelte und zauberte eine Flasche Veuve Cliquot aus seinem Umhang.
Jetzt grinste auch der Schurke. „Na gut. Ein letztes Glas Champagner, du alter Schlawiner.“
Der Schraubenzieher-Man schüttelte die Flasche und schoss den Korken auf den Hauptschalter des Korrosions-Strahl-O-Maten. Die Pistole in Lahns Hand zerfiel zu Schrott und der Rest ist schnell erzählt.
Handkantenschlag. Ein Springdrehwurf, „Hane-Maki-komi“. Ein Hebezughüftwurf, „Tsuri-Komi-Goshi“. Ein seitlicher Kopfwurf, „Yoko-Tomoe-Nage“. Sicherheitshalber noch ein Schlag mit dem Nunchaku über den Schädel – schon war die Sache erledigt.
P.S.: Während des Kampfs saß der Kreuzschlitz-Boy noch im Bus und verliebte sich gerade in ein Mädchen mit Zahnspange, das er aber nie ansprechen sollte.
Red Rockers – China. https://www.youtube.com/watch?v=N3a_gcBXJ0E
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