Donnerstag, 28. Januar 2016
Das Gleichnis vom anvertrauten Geld
Lieber Lupo Laminetti,
der Kapitalismus steht schon in der Bibel. Gottes Sohn hat ihn verkündet. Ich zitiere das Matthäus-Evangelium, Kapitel 25:
14 Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an.
15 Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort
16 begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu.
17 Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu.
18 Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.
19 Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen.
20 Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen.
21 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
22 Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen.
23 Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!
24 Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;
25 weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.
26 Sein Herr antwortete ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe.
27 Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.
28 Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!
29 Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
30 Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.
Ihr Andy Bonetti, der erntet und sammelt, wo er nicht gesät und ausgestreut hat.
P.S.: Manchmal frage ich mich, ob es niemand sieht, ob es niemand sehen kann oder ob es niemand sehen will. Seit der mühsam verhinderten Kernschmelze des kapitalistischen Systems 2008 produzieren die herrschenden Regimes vor allem eines: Geld. Es werden virtuelle Geldmengen geschaffen („quantitative easing“), die durch Waren oder Dienstleistungen überhaupt nicht gedeckt sind. Dieses Geld ist aber real in der Welt und wird zur Aneignung von Immobilien, Ackerland oder politischem Einfluss verwendet. Wer hat, dem wird gegeben. Dieses Falschgeld im Wortsinne unterwirft sich in diesem Augenblick die Welt. Der nächste US-Präsident wird vielleicht ein durchgeknallter Milliardär sein, der sich noch nie in einem öffentlichen Amt bewährt hat. Deutschland fragt sich derweil, wer „Dschungelkönig“ bei RTL wird.
P.P.S.: Leider ist es uns Lebenden nicht beschieden, das Ende der kapitalistischen Epoche zu erleben. Es gibt keinen Hitler, der tief unter der Erde Berlins in die Zyankali-Kapsel beißt und sich eine Kugel durch den Schädel jagt. Es kommen keine Befreier, es gibt keine Revolution. Wir haben nur Philip K. Dicks Blade Runner-Welt eines endlos erscheinenden Niedergangs, in dem wir uns irre lachend drehen wie in einem Spiegelkabinett.
The Sound - New Dark Age. https://www.youtube.com/watch?v=pTe6DF7Erx0
Toll!
AntwortenLöschenSuper "Gleichnis", nur ändern wird es nichts.
Diskussionen um den nächsten Dschungelkönig sind nun mal von epochaler Bedeutung und führen auch nicht zu Kopfschmerzen.
Und so bleiben Andys "Pfründe" auch weiterhin unangetastet.
Der Herr Laminetti wird langsam aber sicher immer dreister, habe ich das Gefühl.
Hat er einen eigenen Vertrag bei einem anderen Verleger ergaunern können?
Ein Laminetti unterschreibt keine Verträge. Er publiziert im volkseigenen Verlag "Rote Socke".
LöschenNa ja, "Verkündigung" ist das nicht gerade.
AntwortenLöschenDiese Gleichnisschmiede gehen immer von allgemein Bekanntem aus, um im Analogieschluss was Unbekanntes zum Beweisziel zu machen.
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Erzähler wusste, wovon er spricht, wenn er das Himmelreich mit dem Himmel der Reichen in eins setzt.Diese harten Herren sieht man doch tatsächlich ernten, wo sie nicht gesät haben, und man sieht sie buchstäblich einsammeln, wo sie nichts gestreut haben.
Das ist dem Glaubenswilligen deswegen so unmittelbar einsichtig, weil er im Grunde auch nichts anderes vorhätte, um dem "Heulen und Zähneklappern" zu entgehen, das er nur zu genau kennt.
Fazit: Religion ist Affirmation der eingerichteten Verhältnisse und deren nachdrückliche Bestätigung durch attraktive Sinnverweise.
Was den Herrn Andy betrifft, der möge doch bitte auf längere Reisen gehen und mir vorher ein paar von seinen Silberzentnern dalassen. Oder sollte der unsinnsvernichtende Umkehrschluss vom schönen Schein des Sinns auf die schnöden Zwecke der Welt etwa zwar richtig, aber nicht erlaubt sein? Seine paar Brosamen, die er vom Tisch des tatsächlichen Herrn ergattert, haben mit der durchgeführten Trennung des virtuellen Finanzkapitals von der tatsächlichen Wertproduktion keine Ähnlichkeit.Aber das sagt ja - on second thought - schon sein P.S.